TE OGH 1949/8/31 3Ob185/49

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Veröffentlicht am 31.08.1949
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Norm

Jugendgerichtsgesetz §2
Jugendgerichtsgesetz §15
Jugendgerichtsgesetz §16
JN §111

Kopf

SZ 22/117

Spruch

Zum Begriff des "Fehlens an der nötigen Erziehung" im Sinne der §§ 2 Abs. 1, 15 Abs. 1 Z. 1 lit. a und 16 Abs. 1 JGG.

Entscheidung vom 31. August 1949, 3 Ob 185/49.

I. Instanz: Jugendgericht Graz; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.

Text

Auf Antrag eines ohne ausgewiesene Vollmacht einschreitenden Arthur Sch., der vorbrachte, die eheliche Mutter des mj. Peter V. behaupte, daß der Minderjährige, der unter der Pflegschaft des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz steht, bei seinem ehelichen Vater Ing. V. nicht gut aufgehoben sei, nahm das Jugendgericht Graz seine Zuständigkeit in der Pflegschaftssache in Anspruch und erklärte dem Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz, daß es den Akt übernehme, wozu das Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz seine Zustimmung gab, ohne daß ein diesbezüglicher Beschluß den Eltern des Minderjährigen zugestellt wurde. Den Antrag des ehelichen Vaters, die Pflegschaft dem zuständigen Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz rückabzutreten, da die Voraussetzungen für die Zuständigkeit des Jugendgerichtes nicht gegeben seien, wies das Jugendgericht mit der Begründung ab, der von der Kindesmutter geschiedene Antragsteller habe seinerzeit selbst behauptet, daß das Kind von seiner Mutter in der körperlichen Pflege vernachlässigt, geprügelt, zu schweren Arbeiten und dazu verhalten werde, sich vor dem Schaffner zu verstecken, um den Fahrpreis zu ersparen; damit habe der Antragsteller selbst Vernachlässigung und Verwahrlosung des Minderjährigen behauptet, weshalb die Zuständigkeit des Jugendgerichtes gegeben sei. Das Rekursgericht änderte diesen Beschluß ab und verneinte die Zuständigkeit des Jugendgerichtes. Es stellte fest, daß bereits nach der Aktenlage die Voraussetzungen für die Zuständigkeit des Jugendgerichtes nicht gegeben seien und auch kein Fall des § 111 JN. vorliege. Die bloße Behauptung, der Minderjährige sei bei seinem Vater nicht gut aufgehoben, berechtige das Jugendgericht nicht, seine Zuständigkeit in Anspruch zu nehmen, ohne vorher die tatsächlichen Verhältnisse festzustellen. Tatsächlich sei nach der Aktenlage das Kind sowohl beim Vater als auch bei der Mutter gut aufgehoben, die vom Vater in seiner Eingabe enthaltenen Vorwürfe lägen mehr als 2 1/2 Jahre zurück, überdies sei das Kind derzeit beim Vater untergebracht und befinde sich dort nach den gepflogenen Erhebungen in guter Pflege und Erziehung. Ein Gefährdungsfall liege somit nicht vor.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurse der Mutter des Minderjährigen nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Begründung:

Der zutreffenden Begründung der Rekursentscheidung ist im Hinblick auf die Ausführungen des Revisionsrekurses lediglich nachstehendes beizufügen: Nach dem § 16 Abs. 1 JGG. und § 1 Abs. 1 der Verordnung des Bundesministeriums für Justiz vom 12. Dezember 1928, BGBl. Nr. 340, über die Errichtung eines Jugendbezirksgerichtes in Graz, ist letzteres zur Ausübung der Vormundschaftsgerichtsbarkeit über solche Personen zuständig, die zu Beginn des gerichtlichen Verfahrens noch nicht 18 Jahre alt sind und denen es an der nötigen Erziehung fehlt. Unter nötiger Erziehung im Sinne dieser Gesetzesstellen ist aber eine solche Erziehung zu verstehen, die notwendig ist, um für die Zukunft ein rechtmäßiges Verhalten des zu Erziehenden zu gewährleisten. An der nötigen Erziehung fehlt es einem Kinde erst dann, wenn die Erziehungsmängel von einer solchen Art und Schwere sind, daß sie das künftige rechtmäßige Verhalten des Kindes in Frage stellen. Mängel der Erziehung kommen für den Bereich des Jugendgerichtsgesetzes nur insoweit in Frage, als sie im konkreten Falle auf das künftige Verhalten des zu erziehenden Kindes der Rechtsordnung gegenüber einen ungünstigen Einfluß ausüben (Kadecka,

Das Österreichische Jugendgerichtsgesetz, Kommentar zu § 2, Anm. 3 c, S. 55 f.). Daß diese Voraussetzungen gegeben seien, hat keiner der beiden Elternteile behauptet, und es ist dies auch der Aktenlage nicht zu entnehmen, weshalb schon aus diesem Gründe die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zuständigkeit des Jugendgerichtes nicht gegeben sind. Es liegen aber auch die Voraussetzungen des § 111 Abs. 1 JN. nicht vor, da nicht einzusehen ist, daß die Übertragung der Pflegschaft an das Jugendgericht im Interesse des Pflegebefohlenen gelegen erscheine oder dadurch die wirksame Handhabung des dem Pflegebefohlenen zugedachten kuratelsbehördlichen Schutzes voraussichtlich gefördert werde, zumal das Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz schon seit mehreren Jahren mit der Durchführung der Pflegschaft betraut ist und die persönlichen Verhältnisse aller Beteiligten kennt. Daß das Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz mit der Übernahme der Pflegschaft durch das Jugendgericht einverstanden ist, vermag die mangelnden Voraussetzungen für die Zuständigkeit des Jugendgerichtes nicht zu ersetzen.

Anmerkung

Z22117

Schlagworte

Erziehung, Fehlen der nötigen -, § 2 JGG., Jugendgericht, Zuständigkeit, Unzuständigkeit des Jugendgerichtes, Zuständigkeit des Jugendgerichtes

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1949:0030OB00185.49.0831.000

Dokumentnummer

JJT_19490831_OGH0002_0030OB00185_4900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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