Norm
ABGB §91Kopf
SZ 22/119
Spruch
Der Ehegatte setzt keinen Scheidungsgrund, wenn er der Gattin deshalb den Unterhalt verweigert, weil sie eine Lebensgemeinschaft eingegangen ist.
Entscheidung vom 7. September 1949, 1 Ob 103/49.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Das Erstgericht hat zufolge Klage und Widerklage die 1941 geschlossene Ehe der Streitteile (Klägerin war zur Zeit der Eheschließung 27, der Beklagte 53 Jahre alt) geschieden und hiebei das überwiegende Verschulden der Klägerin festgestellt.
Das Berufungsgericht hat der Berufung der Klägerin nicht, wohl aber der Berufung des Beklagten Folge gegeben und das Alleinverschulden der Klägerin ausgesprochen.
Die Revision der Klägerin, die auf die Revisionsgrunde der Z. 3 und 4 des § 503 ZPO. gestützt wird und die Wiederherstellung des Urteiles erster Instanz anstrebt, ist nicht begrundet.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen des Obersten Gerichtshofes:
Während das Erstgericht als schwere Eheverfehlungen auf Seite der Klägerin Ehebruch und ehewidriges Verhalten angenommen hat, dem Beklagten jedoch die Tatsache als schwere Eheverfehlung zugerechnet hat, daß er die Familienunterstützung einstellen ließ, hat das Berufungsgericht, das die Feststellung des Prozeßgerichtes übernommen hat, in dieser Einstellung keine schwere Eheverfehlung erblickt. Das Berufungsgericht vertrat hiebei die Rechtsansicht, daß dann, wenn die Ehefrau mit einem Manne in eheähnlicher Gemeinschaft lebt, dem Ehemann nicht zugemutet werden kann, dieses ehebrecherische Verhältnis durch Leistung eines Unterhaltes noch zu fördern, da ihm sonst mit Recht hätte eingewendet werden können, daß er dem ehebrecherischen Verhalten seiner Frau zugestimmt oder es erleichtert habe. Abgesehen davon, war durch das Verhalten der Klägerin die Ehe bereits unheilbar zerrüttet, so daß von der Einstellung der Familienunterstützung durch den Beklagten nicht mehr gesagt werden kann, daß sie die Ehe so tief zerrüttet habe, daß die Wiederherstellung einer dem Wesen einer Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft nicht mehr erwartet werden konnte.
Unter Behauptung des Revisionsgrundes der Aktenwidrigkeit wird von
der Klägerin gerügt, daß die Einstellung der Familienunterstützung
vom Beklagten zeitlich vor der von der Klägerin eingegangenen
Gemeinschaft mit einem Dritten veranlaßt worden war. Diese Rüge ist
unbegrundet. Nicht dem Berufungsgerichte ist mit dieser Behauptung
eine Aktenwidrigkeit unterlaufen, sondern, wie dies von der
Revisionsbeantwortung hervorgehoben wird, der Revision. Beide
Untergerichte gingen nämlich davon aus, daß der Beklagte erst nach
Erhalt des Schreibens der Klägerin vom 28. Mai 1946 die Einstellung
veranlaßt hat. Diese Feststellungen haben die Untergerichte auf
Grund der diesbezüglich übereinstimmenden Aussagen der Parteien
getroffen. In diesem erwähnten Briefe, den beide Untergerichte
übereinstimmend gewürdigt haben, schreibt die Klägerin: ... "Ja,
lieber Karl, ich muß Dir sagen, daß ich nicht mehr allein bin, ich
muß Dir das schreiben, damit Du nicht überrascht bist. Der hat mir
sehr geholfen mit Essen und anderen und dabei hab ich ihn
liebgewonnen. Er ist ein junger Bursche mit 20 Jahren"... Es liegt
daher eine Aktenwidrigkeit des Berufungsgerichtes nicht vor...
Mit dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung macht die Revision geltend, "daß sie das Urteil des Erstgerichtes für vollkommen richtig findet"; sie meint, der Kläger hätte die Ehescheidungsklage einbringen müssen, er hätte jedoch nicht den Unterhalt verweigern dürfen. Um Wiederholungen zu vermeiden, wird auf die zutreffende Rechtsansicht des Berufungsgerichtes verwiesen. Sie folgt zwar im wesentlichen den Begründungen derjenigen oberstgerichtlichen Entscheidungen, die das Ruhen der Unterhaltspflicht des Ehemannes zum Gegenstand haben, wenn die geschiedene Ehefrau mit einem Lebensgefährten in Gemeinschaft lebt, wie z. B. in SZ. VIII/117, XIX/321, XX/83 und 193 u. a. m., wogegen es im vorliegenden Falle sich darum handelt, ob selbst bei Vorliegen eines Ehescheidungsgrundes zugunsten des Ehemannes letzterer nicht dadurch einen Scheidungsgrund setzt, wenn er der Gattin die Leistung des Unterhaltes verweigert. Der Oberste Gerichtshof hat zu SZ. IV/69 ausgesprochen, daß die Unterhaltspflicht des Ehegatten dann erlischt, wenn er beweist, daß ihm ein Scheidungsgrund gegen die Gattin zusteht. Dieser Fall geht davon aus, daß Ehegatten ohne gerichtliche Scheidung getrennt leben. Daß im vorliegenden Falle dem Ehegatten schon auf Grund des unbestritten gebliebenen Inhaltes des Schreibens der Klägerin vom 28. Mai 1946 ein Ehescheidungsgrund zugestanden ist, als er die Einstellung der Familienunterstützung veranlaßte, steht fest.
Noch deutlicher ist die in SZ. IV/69 erwähnte Rechtsmeinung in SZ. VIII/31 zum Ausdruck gebracht, welche Entscheidung besagt, "es verstieße gegen die guten Sitten, einen Ehemann auch dann zur Unterhaltsleistung zu verhalten, wenn er die Frau ehebruchshalber, also mit Recht, aus dem Hause gewiesen hat". Auch in diesem Falle wurde eine Klage auf Ehescheidung vom Beklagten nicht eingebracht. Ob aber der Ehemann seine Frau aus dem Hause weist oder, wie im vorliegenden Falle, es ablehnt, mit ihr, die mit einem anderen Mann in ehelicher Gemeinschaft lebt, die Ehe fortzusetzen, ist für die in Betracht kommende Frage rechtlich belanglos. Die Entscheidung SZ. VIII/234 spricht aus, daß die Ehegattin auch bei ungeschiedener Ehe keinen Unterhaltsanspruch stellen kann, wenn sie dem Ehegatten begrundeten Anlaß gab, sie nicht mehr in seine Hausgemeinschaft aufzunehmen.
Hat daher im vorliegenden Falle die Klägerin keinen Unterhaltsanspruch gegen den Beklagten und hat dieser mit Recht die Einstellung der Fürsorgeunterstützung veranlaßt, dann hat er auch keinen Ehescheidungsgrund gesetzt.
Es zeigt sich daher, daß im Falle der von der Ehegattin eingegangenen Lebensgemeinschaft es keinen Unterschied macht, ob die Ehe geschieden ist oder nicht. Denn sowohl in dem einen wie auch im anderen Falle ist als maßgebend anzusehen, daß bei Bestand einer solchen Lebensgemeinschaft das Begehren eines Unterhaltes von Seite der in Lebensgemeinschaft stehenden Frau den Voraussetzungen widerspricht, unter denen das Recht und die Sitte einen Unterhaltsanspruch als begrundet erscheinen lassen.
Der Revision war daher der Erfolg zu versagen.
Anmerkung
Z22119Schlagworte
Alimente der Ehegattin, Verweigerung wegen Lebensgemeinschaft, Ehegattin kein Unterhaltsanspruch bei Eingehen einer Lebensgemeinschaft, Ehescheidung nicht wegen Verweigerung des Unterhaltes bei, Lebensgemeinschaft der Frau, Scheidung nicht wegen Verweigerung des Unterhaltes bei, Lebensgemeinschaft der Frau, Unterhalt der Ehegattin, Verweigerung wegen LebensgemeinschaftEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1949:0010OB00103.49.0907.000Dokumentnummer
JJT_19490907_OGH0002_0010OB00103_4900000_000