Index
L90006 Landarbeiterkammer Steiermark;Norm
ArbVG §21 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des A. Vereins G., vertreten durch die Klein, Wuntschek & Partner Rechtsanwälte GmbH in 8013 Graz, Kaiser-Franz-Josef-Kai 70, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 17. Juni 2002, Zl. FA11A 5-s26n 115/11-2001, betreffend Beitragsnachverrechnung (mitbeteiligte Partei: Steiermärkische Gebietskrankenkasse, 8010 Graz, Josef-Pongratz-Platz 1), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenersatzbegehren der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid vom 23. Juli 2001 verpflichtete die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse den beschwerdeführenden Verein (in der Folge kurz: Verein)
"gemäß § 410 Abs. 1 Z 7 iVm den §§ 44 Abs. 1, 49 Abs. 1 und 54 Abs. 1 ASVG bzw. den §§ 5 und 6 des Mindestlohntarifes für Hausangestellte und Hausgehilfen im Bundesland Steiermark iVm § 9 Abs. 2 HausgG der jeweils geltenden Fassung ... wegen der im Zuge der stattgefundenen Beitragsprüfung vom Jänner 2001 festgestellten Meldedifferenzen ... für die in der Beitragsnachverrechnungsanzeige vom 13.04.2001 ... angeführten Dienstnehmer, die dort ausgewiesenen allgemeinen Beiträge, Umlagen, Sonderbeiträge und Zuschläge nach den jeweils angeführten Beitragsgrundlagen und für die jeweils näher bezeichneten Zeiten im Betrage von insgesamt ATS 200.497,36 (EUR 14.570,71) nachzuentrichten".
Nach der Begründung habe der Verein vier "Aufräumerinnen" (in der Folge: Dienstnehmerinnen) beschäftigt, davon drei im Ausmaß von 40 Stunden pro Woche und eine Dienstnehmerin im Ausmaß von 20 Wochenstunden. Bis zum Ende des Jahres 1994 sei auf diese Beschäftigungsverhältnisse der Mindestlohntarif für Hausangestellte und Hausgehilfen im Bundesland Steiermark (kurz: MLT) angewendet worden. In den Jahren 1995 und 1996 seien die Dienstverhältnisse - teilweise rückwirkend mit 1. Jänner 1995 - dahingehend geändert worden, dass in schriftlichen Dienstverträgen eine Entlohnung in bestimmter Höhe vereinbart worden sei sowie dass das Dienstverhältnis keinem Kollektivvertrag unterliege, das Gehalt 14 mal jährlich ausbezahlt werde und die wöchentliche Normalarbeitszeit 40 Stunden betrage. Bei der im Jänner 2001 durchgeführten Beitragsprüfung habe sich herausgestellt, dass auf die Dienstnehmerinnen der genannte MLT anzuwenden sei, nach dem als Urlaubszuschuss das Zweifache der monatlichen Geldbezüge zustehe. Da Beiträge nur auf der Grundlage von zwei Sonderzahlungen pro Jahr (einfacher Urlaubszuschuss und Weihnachtsremuneration) geleistet worden seien, sei die Nachverrechnung erforderlich gewesen.
In dem gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruch brachte der Verein vor, die vier Dienstnehmerinnen würden keine Tätigkeiten im Sinne des Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetzes (HGHAngG) verrichten. Es seien neben Aufräumungs- und Reinigungsarbeiten auf dem Vereinsareal und auf den Freiplätzen auch weitere Tätigkeiten vereinbart, etwa Sperrdienste für Hallen und Garderoben, die Verwaltung von Fundgegenständen, die Kontrolle und der Verkauf von Hallenbad- und Saunakarten. Zwar nähmen diese Tätigkeiten - neben den Aufräumungs- und Reinigungsarbeiten - nicht überwiegend die Beschäftigungszeit in Anspruch, sie stellten aber eine andere, von diesen abgrenzbare Leistung dar. Das Gesamtbild der Tätigkeit der Dienstnehmerinnen stelle sich als "Allroundtätigkeit" dar, wie sie sich eben in einem privaten Turnverein ergebe. Der Verein sei auch kollektivvertragsfähig. Es handle sich um den größten Turn- und Sportverein in Graz, der mit rund 2.500 Mitgliedern als gemeinnütziger allgemeiner Verein der Grazer Bevölkerung zur Verfügung stehe; damit seien die Voraussetzungen für die Kollektivvertragsfähigkeit erfüllt. Da der MLT nur im Falle des Fehlens einer kollektivvertragsfähigen Körperschaft anzuwenden sei, könne er im vorliegenden Fall auch aus diesem Grund nicht herangezogen werden. Zudem betrüge die Arbeitszeit für die Vollbeschäftigten tatsächlich 35 Wochenstunden, weil innerhalb der Anwesenheitszeit von 6.00 bis 14.00 täglich zwei Arbeitspausen von je 30 Minuten eingelegt würden. Dies sei bei der Beitragsnachverrechnung nicht berücksichtigt worden.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Einspruch keine Folge. In der Begründung stellte sie das Verwaltungsgeschehen dar und gab die einschlägige Rechtslage wieder. Als unbestritten nahm die belangte Behörde an, dass die vier Dienstnehmerinnen als "Aufräumerinnen" beschäftigt gewesen seien und ihre Tätigkeit das Reinigen aller Räumlichkeiten des Vereins (Büroräumlichkeiten, Hallenbad, Turnsäle, Freibad, Sauna, Toiletten und Duschen) sowie bei Abwesenheit des Bademeisters den Verkauf von Eintrittskarten für das Hallenbad und verschiedene "Sperrdienste" umfasste. In rechtlicher Hinsicht ging die belangte Behörde davon aus, dass es sich bei diesen Tätigkeiten um die Verrichtung von einschlägigen (Reinigungs- und Aufräumungs-)Arbeiten bei einer nicht kollektivvertragsfähigen Körperschaft handle, weshalb der MLT anzuwenden sei. Der Verein sei nicht kollektivvertragsfähig, weil ihm die Kollektivvertragsfähigkeit vom Einigungsamt nicht zuerkannt worden sei. Zusammenfassend handle es sich bei den Tätigkeiten der Dienstnehmerinnen um Reinigungs- und Aufräumungsarbeiten im Sinne des § 1 lit. b) sublit. bb) des MLT.
Gegen diesen Bescheid erhob der Verein Beschwerde erkennbar wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - ebenso wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse - eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Strittig ist im vorliegenden Fall, ob die vier Dienstnehmerinnen des Vereins in den fraglichen Zeiträumen über die zwei in ihrem Dienstvertrag vorgesehenen Sonderzahlungen hinaus einen Anspruch auf eine weitere - dritte - Sonderzahlung hatten, die die belangte Behörde als Grundlage für die Beitragsnachverrechnung herangezogen hat. Die belangte Behörde bejahte den Anspruch der Dienstnehmerinnen auf eine dritte Sonderzahlung, weil sie von der Anwendung des in Frage stehenden MLT, der eine solche weitere Sonderzahlung vorsieht, ausgegangen ist. Der Verein bestreitet, dass der MLT anzuwenden sei; die Nachverrechnung von Beiträgen für eine weitere Sonderzahlung sei daher rechtswidrig.
Nach § 54 Abs. 1 ASVG sind von den Sonderzahlungen nach § 49 Abs. 2 in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung Sonderbeiträge mit dem gleichen Hundertsatz wie für sonstige Bezüge nach § 49 Abs. 1 zu entrichten.
Gemäß § 49 Abs. 1 ASVG sind unter Entgelt die Geld- und Sachbezüge zu verstehen, auf die der pflichtversicherte Dienstnehmer (Lehrling) aus dem Dienst(Lehr)verhältnis Anspruch hat oder die er darüber hinaus auf Grund des Dienst(Lehr)verhältnisses vom Dienstgeber oder von einem Dritten erhält.
Nach § 49 Abs. 2 leg. cit. sind Sonderzahlungen Bezüge im Sinne des Abs. 1, die in größeren Zeiträumen als den Beitragszeiträumen gewährt werden, wie z.B. ein 13. oder
14. Monatsbezug, Weihnachts- oder Urlaubsgeld, Gewinnanteile oder Bilanzgeld. Sie sind als Entgelt nur nach Maßgabe der Bestimmungen des § 54 und der sonstigen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, in denen die Sonderzahlungen ausdrücklich erfasst werden, zu berücksichtigen.
Da § 49 Abs. 2 ASVG auf den ersten Absatz dieser Gesetzesbestimmung verweist, sind trotz der Wendung "gewährt werden" unter Sonderzahlungen nicht nur solche Geld- und Sachbezüge zu verstehen, die dem pflichtversicherten Dienstnehmer (Lehrling) in größeren Zeiträumen als den Beitragszeiträumen tatsächlich "zukommen", sondern sowohl Geld- und Sachbezüge, auf die er aus dem Dienst(Lehr)verhältnis "in größeren Zeiträumen als den Beitragszeiträumen" Anspruch hat, ohne Rücksicht darauf, ob sie ihm überhaupt oder in der gebührenden Höhe zukommen, als auch solche, die er darüber hinaus in diesen "Zeiträumen" auf Grund des Dienst(Lehr)verhältnisses vom Dienstgeber oder einem Dritten tatsächlich erhält (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa das Erkenntnis vom 8. Februar 1994, Zl. 93/08/0219).
Demnach ist für die Bemessung der Sonderbeiträge nicht lediglich das an den pflichtversicherten Dienstnehmer (Lehrling) tatsächlich gezahlte Entgelt maßgebend, sondern, wenn es das tatsächlich gezahlte Entgelt übersteigt, jenes Entgelt, auf dessen Bezahlung bei Fälligkeit des Beitrages ein Rechtsanspruch des pflichtversicherten Dienstnehmers (Lehrlings) bestand. Ob ein Anspruch auf einen Bezug besteht, ist nach zivilrechtlichen (arbeitsrechtlichen) Grundsätzen zu beurteilen. Danach haben Dienstnehmer, für die ein Mindestlohntarif im Sinne der §§ 22 ff ArbVG gilt, jedenfalls Anspruch auf das in diesem Mindestlohntarif festgesetzte Mindestentgelt. Sondervereinbarungen (Betriebsvereinbarung, Arbeitsvertrag) sind nach § 24 Abs. 2 ArbVG nur gültig, soweit sie für den Arbeitnehmer günstiger sind oder Ansprüche betreffen, die im Mindestlohntarif nicht geregelt sind (vgl. das Erkenntnis vom 19. Jänner 1999, Zl. 97/08/0095).
Mindestlohntarife sind Rechtsverordnungen (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 17. Oktober 1979, Slg. Nr. 8652, mit einem Hinweis auf VfSlg.Nr. 5291/1966 und 6624/1971), in denen bei Fehlen entsprechender gesetzlicher, kollektivvertraglicher oder satzungsgemäßer Regelungen vom Bundeseinigungsamt Mindestentgelte und Mindestbeträge für den Ersatz von Auslagen festgesetzt werden (§ 22 ArbVG). Der Mindestlohntarif tritt - mit zwingender Wirkung für den Einzelarbeitsvertrag - als ergänzende Rechtsquelle neben den Kollektivvertrag und die Erklärung von Kollektivverträgen zur Satzung (vgl. Strasser/Jabornegg/Resch, Kommentar zum Arbeitsverfassungsgesetz, Rz 1f zu § 22 ArbVG).
Der im Beschwerdefall von der belangten Behörde herangezogene MLT wurde während des hier maßgeblichen Zeitraumes (1996 bis 2000) jedes zweite Jahr neu festgesetzt und enthielt in Festlegung seines Anwendungsbereiches zunächst (vom 1. Jänner 1995 bis zum 31. Dezember 1996) folgende Regelung:
"§ 1
Geltungsbereich
a)
Räumlich: für das Bundesland Steiermark;
b)
fachlich und persönlich: für Arbeitnehmer/innen, die unter den I. Teil des Arbeitsverfassungsgesetzes vom 14. Dezember 1973, BGBl. Nr. 22/1974, in der jeweils geltenden Fassung, und
aa)
unter das (HGHAngG) in der jeweils geltenden Fassung fallen;
bb)
nicht unter das HGHAngG fallen, jedoch bei Arbeitgeber/innen, für die keine kollektivvertragsfähige Körperschaft besteht oder die nicht selbst kollektivvertragsfähig sind, einschlägige Reinigungs- und Aufräumungsarbeiten verrichten oder die im Auftrag solcher Arbeitgeber/innen bei dritten Personen diese Arbeiten in privaten Haushalten verrichten. Ausgenommen sind jene Arbeitnehmer/innen, deren Reinigungs- und Aufräumungsarbeiten als Wartung und Reinhaltung des Hauses zu werten sind."
Die während des weiteren in Rede stehenden Zeitraums vom 1. Jänner 1997 bis zum 31. Dezember 2000 in Geltung gewesenen Fassungen des § 1 lit. b) sublit. bb) unterscheiden sich von der zitierten Fassung lediglich dadurch, dass die Wendung "einschlägige Reinigungs- und Aufräumungsarbeiten" durch die Worte "einschlägige Arbeiten" ersetzt wurde.
Die während des gesamten fraglichen Zeitraums gleichlautenden Bestimmungen des § 5 und des § 6 der einzelnen Mindestlohntarife, die die Sonderzahlungen regelten und auf die die belangte Behörde ihre Beitragsnachverrechnung gestützt hat, hatten auszugsweise folgenden Wortlaut:
"§ 5 Weihnachtsremuneration
Dem Arbeitnehmer gebührt in jedem Kalenderjahr eine jeweils
am 1. November fällig werdende Weihnachtsremuneration in der Höhe
des letzten vollen Bruttomonatsgeldbezuges ...
§ 6 Urlaubszuschuss
Den nicht unter das Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz, BGBl. Nr. 235/1962, fallenden Arbeitnehmern gebührt ein Urlaubszuschuss, der gemäß § 9 Abs. 2 HGHAngG zu berechnen ist...."
Gemäß § 9 Abs. 2 HGHAngG gebührt dem Dienstnehmer während des Urlaubes neben den auf die Urlaubszeit entfallenden, nach § 3 Abs. 2 abzugeltenden Sachleistungen und auf den gleichen Zeitraum entfallenden Geldbezügen ein Urlaubszuschuss. Dieser Zuschuss beträgt bei einer für den Urlaubsanspruch anrechenbaren Dienstzeit von weniger als 20 Jahren das Zweifache und nach Vollendung des 20. Jahres das Zweieinhalbfache der monatlichen Geldbezüge.
Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid die Ansicht vertreten, die Arbeitsverhältnisse der Dienstnehmerinnen fielen zwar nicht in den Anwendungsbereich des HGHAngG (die Bestimmung über die dritte Sonderzahlung in Form des zweifachen Urlaubszuschusses wäre somit nicht schon deshalb anwendbar), ihre Tätigkeiten beim Verein seien aber als "einschlägige Reinigungs- und Aufräumungsarbeiten" im Sinne des § 1 lit. b) sublit. bb) zu beurteilen, weshalb der MLT auf sie Anwendung finde.
§ 1 HGHAngG lautet auszugsweise:
"(1) Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten für das Dienstverhältnis von Dienstnehmern, die Dienste für die Hauswirtschaft des Dienstgebers oder für Mitglieder seines Hausstandes zu leisten haben, gleichgültig, ob sie in die Hausgemeinschaft aufgenommen sind oder nicht.
(2) Dienstnehmer im Sinne des Abs. 1 sind auch solche Personen, die Dienste höherer Art zu leisten haben (Hausangestellte.)
(3) Bei Anwendung des Gesetzes macht es keinen Unterschied, ob die Hauswirtschaft von einer physischen Person oder von einer juristischen Person für deren Mitglieder oder dritte Personen geführt wird. Das Gesetz findet jedoch keine Anwendung auf das Dienstverhältnis von Dienstnehmern juristischer Personen, wenn dieses durch Kollektivvertrag geregelt ist.
(4) Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten nicht für
a) Dienstverhältnisse von Dienstnehmern, die neben den im Abs. 1
angeführten Dienstleistungen regelmäßig, wenn auch geringfügig, Dienstleistungen für eine gewerblichen, land- und forstwirtschaftlichen oder sonstigen Erwerbszwecken dienende Tätigkeit des Dienstgebers leisten und ihr Dienstverhältnis auf Grund dieser Dienstleistung bereits durch ein arbeitsrechtliches Sondergesetz geregelt ist ..."
Verrichtet ein Arbeitnehmer für eine juristische Person Arbeiten, die dann, wenn sie in einem privaten Haushalt verrichtet worden wären, ein Arbeitsverhältnis dem HGHAngG begründen würden, besteht diesbezüglich kein Kollektivvertrag und liegt auch keine Ausnahme gemäß § 1 Abs. 5 (jetzt Abs. 4) HGHAngG vor, dann fällt das Dienstverhältnis in den Geltungsbereich des HGHAngG. Der Gesetzgeber wollte auch die bei juristischen Personen tätigen Dienstnehmer, welche die gleiche Arbeit wie bei natürlichen Personen beschäftigte Hausgehilfen verrichten, wie etwa Reinigungspersonal, in den Schutz des Gesetzes einbeziehen (vgl. OGH 27. November 1994, 4 Ob 90/84).
Ausgehend von diesem, der Ausdehnung des Anwendungsbereiches des HGHAngG auf Hauswirtschaften, die von juristischen Personen für ihre Mitglieder oder dritte Personen geführt werden, zu Grunde liegenden Zweck, ergibt sich aus der dargestellten Rechtslage Folgendes:
§ 1 Abs. 1 HGHAngG stellt auf die "Hauswirtschaft" ab. Gemäß § 1 Abs. 3 HGHAngG findet das Gesetz keine Anwendung auf das Dienstverhältnis von Dienstnehmern juristischer Personen, wenn dieses durch Kollektivvertrag geregelt ist.
§ 1 lit. b sublit. aa des MLT normiert den fachlichen und persönlichen Geltungsbereich für Arbeitnehmer, die unter den I. Teil des Arbeitsverfassungsgesetzes vom 14. Dezember 1973, BGBl. Nr. 22/1974, in der jeweils geltenden Fassung und "unter das (HGHAngG) in der jeweils geltenden Fassung fallen".
Damit ist der MLT zunächst für all jene Dienstverhältnisse (auch mit juristischen Personen) anwendbar, die dem HGHAngG unterliegen. Er gilt daher nicht für Dienstverhältnisse von Dienstnehmern juristischer Personen, wenn die Dienstverhältnisse durch Kollektivvertrag geregelt sind, da diese nicht dem HGHAngG unterliegen (und im Übrigen dem MLT keine Regelungsbefugnis zukäme).
§ 1 lit. b sublit. bb des MLT entfaltet gegenüber der sublit. aa nur dann und insoweit eine eigenständige Bedeutung, als der von dieser Bestimmung erfasste Kreis von Dienstnehmern nicht schon unter die sublit. aa fällt. Wäre daher die Auffassung richtig, dass Dienstnehmer zB juristischer Personen nur dann unter den MTL fallen, wenn diese juristischen Personen eine Art "Hauswirtschaft" betreiben, wenn es also nicht nur auf die Art der Tätigkeit, sondern auch auf den (hauswirtschaftsähnlichen) Typus des Arbeitsplatzes ankäme, dann würde die sublit. bb in der Tat insoweit leerlaufen: Dienstnehmer juristischer Personen, die eine Hauswirtschaft betreiben, unterliegen nämlich dann, wenn es für diese Arbeitgeber keine kollektivvertragsfähige Körperschaft gibt, jedenfalls dem HGHAngG und damit der sublit. aa. Die Erweiterung des Personenkreises der vom MLT erfassten Dienstnehmer um Dienstnehmer, die nicht unter das HGHAngG fallen, durch die sublit. bb knüpft daher - wie auch der Wortlaut (zunächst) "einschlägige Reinigungs- und Aufräumungsarbeiten verrichten" (nunmehr: "einschlägige Arbeiten") zeigt - bei jenen Dienstnehmern, die nicht im Auftrag ihres Dienstgebers "bei dritten Personen ... in privaten Haushalten" ihre Arbeit verrichten, nur am Typus der Tätigkeit an, nicht aber auch dem Typus des Arbeitsplatzes.
Entscheidend ist somit, dass für den Arbeitgeber keine kollektivvertragsfähige Körperschaft besteht - was im Beschwerdefall nicht strittig ist - und dass Arbeiten durchgeführt werden, wie sie auch in privaten Haushalten anfallen. Dazu gehören jedenfalls Tätigkeiten wie Putzen, Aufräumen, Waschen usw. Es macht für die vorliegende Beurteilung auch keinen Unterschied, ob im MLT von "Reinigungs- und Aufräumungsarbeiten" oder nur von "Arbeiten" die Rede ist, weil in beiden Fällen der Bezug zu Arbeiten in der "Hauswirtschaft" herzustellen ist.
Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde festgestellt, dass die Dienstnehmerinnen überwiegend Reinigungs- und Aufräumtätigkeiten verrichteten, die nach dem Vorbringen des Vereins gegenüber ihren weiteren Aufgaben (etwa Sperrdiensten) zeitlich überwogen haben (zur Frage der einheitlichen Behandlung einer Tätigkeit im Falle der "Mischverwendung" eines Dienstnehmers in einer Hauswirtschaft vgl. das Erkenntnis vom 7. Dezember 1983, Slg. Nr. 11249/A).
Angesichts dieses Sachverhaltes ist der belangten Behörde vor dem dargestellten rechtlichen Hintergrund kein Rechtsirrtum unterlaufen, wenn sie die konkrete Tätigkeit der Dienstnehmerinnen als dem MLT unterliegend beurteilte und daraus folgend eine Beitragsnachverrechnung wegen des Anspruches der Dienstnehmerinnen auf eine dritte Sonderzahlung durchgeführt hat.
Die vom Verein zur Unterstützung seines Standpunktes in der Beschwerde erwähnten "Fälle" der Anwendbarkeit des Mindestlohntarifes auf Tätigkeiten in einem "Altenpflegeheim" (Bezug wohl auf OGH 8 ObA 87/01d) bzw. in einem "Studentenheim" (Bezug wohl auf das hg. Erkenntnis vom 7. Dezember 1983, Slg. Nr. 11249, sowie auf OGH 9 ObA 24/88; vgl. auch zur Beschäftigung in einem Kinderdorf OGH 4 Ob 90/84) sind für die hier anzustellende Beurteilung ohne Bedeutung, weil es sich jeweils um Sachverhalte (Beschäftigungen) handelte, die unter das HGHAngG gefallen sind. Im Beschwerdefall sind die in Rede stehenden Tätigkeiten aber gerade nicht unter das HGHAngG einzuordnen.
Als Verfahrensmangel rügt der Verein, dass die belangte Behörde der Beitragsnachverrechnung eine Arbeitszeit von 40 Stunden pro Woche zu Grunde gelegt hat. Der Verein habe "stets darauf verwiesen, dass die Mitarbeiter tatsächlich nicht 40 Stunden beschäftigt werden." Alle Mitarbeiter hätten "zwei mal täglich eine Pause von einer halben Stunde, in denen keine Arbeitsleistungen zu erbringen" seien. Im Übrigen hätte die belangte Behörde selbst Ermittlungen anstellen müssen.
Abgesehen davon, dass es für die zuletzt wiedergegebene Behauptung keine gesetzliche Grundlage gibt, gelingt es dem Verein mit dem übrigen Vorbringen nicht, eine Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung im angefochtenen Bescheid aufzuzeigen. In den im Verwaltungsakt einliegenden Dienstverträgen mit den Dienstnehmerinnen ist vorgesehen, dass die Normalarbeitszeit 40 Stunden betrage. Dass diese Vertragsbestimmung keine Geltung hat bzw. Abweichendes vereinbart wurde, hat der Verein nicht behauptet. Legte die belangte Behörde auf dieser Basis ihren Berechnungen eine Arbeitszeit von 40 Stunden zu Grunde, ist dies nicht unschlüssig.
In seiner Beschwerde behauptet der Verein - anders als im Verwaltungsverfahren - nicht mehr, dass er ein kollektivvertragsfähiger Arbeitgeber sei, weshalb der MLT schon deshalb auf die vorliegenden Arbeitsverhältnisse nicht anzuwenden sei. Tatsächlich kommt es bei der Frage, ob Kollektivvertragsfähigkeit vorliegt, nicht - wie der Verein vorbrachte - auf die Größe oder die Bedeutung des Vereines an, sondern darauf, ob ihm die Kollektivvertragsfähigkeit vom Bundeseinigungsamt zuerkannt worden ist (§ 5 Abs.1 ArbVG). Dass dies erfolgte, hat der Verein nicht behauptet.
Aber auch eine Gesetzeswidrigkeit des MLT, die den Verwaltungsgerichtshof veranlassen könnte, beim VfGH ein Verordnungsprüfungsverfahren nach Art. 139 B-VG zu initiieren, vermag die Beschwerdeführerin nicht aufzuzeigen:
Der Umstand, dass vom MLT auch Dienstnehmer erfasst werden, dessen Dienstnehmer nicht ausschließlich mit "einschlägigen Arbeiten" beschäftigt werden, verschlägt schon deshalb nicht, weil das Problem einer Zuordnung von Mischtätigkeiten kein Spezifikum des MLT ist, sondern ganz generell im Arbeitsrecht häufig und insbesondere auch bei Kollektivverträgen vorkommt, und daher stets eine Beurteilung dahin erfordert, welche Tätigkeit jeweils überwiegt. Dieses Kriterium ist auch sachlich. Es ist dem Verwaltungsgerichtshof daher nicht erkennbar, aus welchen Gründen gerade der MLT (als ein Instrument, welches subsidiär zu jenen der kollektiven Rechtsgestaltung im engeren Sinne zählt, welche das ArbVG bereitstellt) auf einschlägige Tätigkeiten nicht anzuwenden sein sollte, wenn diese im Tätigkeitsbild des jeweiligen Dienstnehmers (bloß) überwiegen. Der Verwaltungsgerichtshof vermag aber auch nicht zu finden, dass Reinigungsarbeiten je nachdem, ob sie in Haushalten oder - wie im Beschwerdefall - in einer Badeanstalt verrichtet werden, derart wesensverschieden wären, dass sie hinsichtlich des dafür gebührenden Mindestentgelts nicht gleich behandelt werden dürften. Vor allem vermag die beschwerdeführende Partei (und nur darauf scheint ihr Vorbringen hinauszulaufen) nicht darzutun, aus welchen Gründen für Reinigungspersonal in Betrieben gerade niedrigere (und nicht höhere) Mindestlöhne gerechtfertigt oder gar geboten sein sollten.
Der Verwaltungsgerichtshof hegt daher aus dem Blickwinkel des in jeder Hinsicht unsubstanziierten Vorbringens der beschwerdeführenden Partei keine Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der hier anzuwendenden Bestimmung des oben erwähnten MLT.
Da es dem Verein nicht gelungen ist, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse war nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten, weshalb ihr für die Gegenschrift kein Aufwandersatz zusteht.
Wien, am 23. Februar 2005
Schlagworte
Entgelt Begriff AnspruchslohnSondervereinbarungMindestlohnEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2002080200.X00Im RIS seit
26.04.2005Zuletzt aktualisiert am
29.06.2011