TE OGH 1949/10/9 2Ob449/49

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Veröffentlicht am 09.10.1949
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Norm

ABGB §372
ABGB §1096
ABGB §1098
ABGB §1293
ABGB §1323
Mietengesetz §19 Abs2 Z12
Mietengesetz §19 Abs6

Kopf

SZ 22/149

Spruch

Petitorisch-publizianischer Rechtsschutz nur für den Haupt-, nicht aber für den Unterbestandnehmer.

Ein Verband (Verein) der Kleingärtner hat die Befugnisse des Hauptbestandnehmers, während dem Kleingärtner nur die des Unterpächters zukommen; dem Kleingärtner selbst steht der petitorisch-publizianische Rechtsschutz gegen Eingriffe Dritter nicht zu.

Entscheidung vom 9. Oktober 1949, 2 Ob 449/49.

I. Instanz: Bezirksgericht Favoriten; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Das Prozeßgericht wies das von einem Mitglied des Kleingartenvereins "L." erhobene Klagebegehren auf Räumung der Parzelle Nr.... wegen mangelnder Aktivlegitimation ab.

Das Berufungsgericht hob das erstrichterliche Urteil auf und wies die Sache unter Rechtskraftvorbehalt an die erste Instanz zurück.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Beklagten Folge, hob den Beschluß des Berufungsgerichtes auf und trug diesem eine neuerliche Entscheidung auf.

Rechtliche Beurteilung

Begründung:

Das Erstgericht sprach der Klägerin, da sie nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens Unterpächterin des als Hauptpächters anzusehenden Vereines der Kleinsiedler ist, petitorischen Rechtsschutz ab, da ein solcher nach Lehre und Rechtsprechung nur dem Hauptmieter, bzw. Pächter zukomme. Das Berufungsgericht bejahte dagegen die Aktivlegitimation der Klägerin, weil die Lage eines Unterpächters eine andere sei als die eines Untermieters. Der Kleingärtnerverband stelle nur eine Dachorganisation dar, die niemals direkte Pachtrechte auszuüben beabsichtige, sondern nur dazu bestimmt sei, die weitere Vergebung durchzuführen. Jene Erwägungen, die dazu führen, einem Untermieter dinglichen Rechtsschutz zu versagen, seien daher bei Kleingärtnern, die Unterpächter eines Vereins sind, nicht gegeben.

Der Oberste Gerichtshof vermag sich dieser auf rein wirtschaftlicher Denkweise beruhenden Ansicht, welche die überlieferten Rechtsfiguren des Privatrechtes und die juristische Konstruktion des Bestand- und Unterbestandverhältnisses außer acht läßt, nicht anzuschließen.

Lehre und Rechtsprechung haben etwa seit Beginn der Zwanzigerjahre dieses Jahrhunderts dem Hauptmieter petitorischen Rechtsschutz gegen Eingriffe Dritter zuerkannt, trotzdem maßgebende Stimmen in der Literatur (vgl. Klang, Kommentar, 1. Aufl., III, S. 17, 30, JBl. 1931, S. 286, ZBl. 1926, S. 324 ff.) den Mieter bei Störungen in der Ausübung seines Rechtes, die mit den Besitzklagen nicht abgewehrt werden können, auf die vom Bestandgeber zu fordernde und auch im Rechtswege zu erzwingende (SZ. XV/101) Abhilfe beschränken wollten, die dieser kraft seiner aus § 1096 ABGB. abzuleitenden Verpflichtung dem Mieter zu prästieren hat. Eine unmittelbare Klage des Bestandnehmers gegen Dritte sollte dagegen de lege lata ausgeschlossen sein. Diesen Rechtsstandpunkt nahm auch die ältere Rechtsprechung ein (GlU. 9491, GlUNF. 1125, ZBl. 1922, Nr. 148). Die gegenteilige Lehre und Rechtsprechung hat sich jedoch im Laufe der letzten 25 Jahre durchgesetzt (vgl. die Übersicht in SZ. XX/97, Swoboda, Kommentar, S. 41 ff., Ehrenzweig, II/1, S. 447, Handl, 77, 78, 663, neuerdings EvBl. 1947, Nr. 536, und 1 Ob 711/47), so daß daran festzuhalten ist, daß dem Mieter eine petitorischpublizianische Klage gegen Dritte auf Räumung des Bestandobjektes oder Abwehr von Eingriffen in das Bestandrecht zusteht, allerdings nur dann, wenn es sich in dessen Besitz befindet oder befunden hat. Wie schon Klang in ZBl. 1926, S. 328, (vgl. Swoboda, S. 37) hervorgehoben hat, entspricht diese Ausdehnung des petitorischen Rechtsschutzes, für die auch er sich de lege ferenda ausspricht, einem Bedürfnis und stellt sich als Konsequenz einer Rechtsentwicklung dar, die durch die Mieterschutzgesetzgebung einen starken Auftrieb erhalten hat und auf Umwandlung des Mietrechtes in eine Art beschränkten Sachenrechtes zielt. Die Schwierigkeit, diese Konstruktion mit der in ihren Grundzügen immer noch romanistischen Struktur des Obligationenrechtes des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches in Einklang zu bringen, welches die dinglichen Rechte in der ersten Abteilung des zweiten Teiles den persönlichen Sachrechten in der zweiten Abteilung gegenüberstellt, hat dazu geführt, daß die in der Rechtsprechung gefundene Begründung für die Ausdehnung des petitorischen Schutzes des Bestandnehmers schwankend und nicht immer überzeugend ist. Während etwa in SZ. VI/218 praktische Erwägungen in den Vordergrund gerückt sind und die Unzweckmäßigkeit einer eventuell doppelten Prozeßführung des Mieters mit dem Vermieter und dieses mit dem Störer betont, die theoretische Grundlage aber in dem Rechte des Mieters gefunden wird, jeden anderen vom Gebrauch der in Bestand genommenen Sache auszuschließen, spricht SZ. VI/357 von den Bedürfnissen des praktischen Lebens und erkennt dem Mietrecht zwar keinen dinglichen Charakter zu, erklärt aber, daß es sich einem solchen kraft der innigeren Beziehungen des Mieters zur Bestandsache nähere, die zufolge des Mietengesetzes nicht mehr vom Vertrag allein abhängen und der Willkür des Vertragsgegners entrückt sind. Auch SZ. VII/378 erwähnt die enge Beziehung des Mieters zum Bestandobjekt und beruft sich auf die durch die neuere Gesetzgebung erfolgte Verdinglichung der Bestandrechte, die einen ähnlichen Rechtsschutz notwendig mache, wie er einem dinglich Berechtigten zustehe. Ehrenzweig, II/1, S. 447, begrundet den petitorischen Rechtsschutz mit dem Charakter des Bestandrechtes als eines relativdinglichen vom Zeitpunkt der Übergabe an, während SZ. XX/97 ihn aus dem Inhalt des Bestandrechtes ableitet, der einem Dauerschuldverhältnis entspricht, bei dem durch die Überlassung einer Sache an den Gläubiger zwischen diesem und der Sache eine Beziehung geschaffen wird, die über den persönlichen Anspruch gegen den Schuldner auf Gewährung eines Gebrauches hinausgeht. Die Beziehung zu der Sache, die sich auf Grund eines obligatorischen Vertrages in der Innehabung des Gläubigers befindet, könnte dazu verleiten, das Benützungsrecht infolge seiner Zugehörigkeit (die Zugehörigkeit des Benützungsrechtes) zur Gesamtrechtssphäre als quasi-dingliches Recht zu bezeichnen. Dieser Ausdruck sei aber nur eine bildhafte Verdeutlichung einer Beziehung, ebenso wie der Ausdruck des Gesetzes vom "Eigentum an Forderungen" in bildhaftem Sinn zu verstehen sei. Swoboda (S. 38) tritt der Konstruktion des quasi-dinglichen oder relativ-dinglichen Rechtes mit dem Argument entgegen, daß diese Begründung nicht auf das Gebiet des Bestandrechtes beschränkt bleiben könne, sondern für jeden Fall des Rechtsbesitzes gelten müßte, demnach kein Ergebnis einer besonders gestalteten relativ-dinglichen Natur des Bestandrechtes sein könne. Auch beseitige diese Begründung, die den petitorischen Rechtsschutz als notwendige Folge des possessorischen Schutzes hinstelle, jeden Unterschied zwischen dinglichen und persönlichen Rechten, was im Widerspruch mit der Konstruktion des ABGB. von den dinglichen und persönlichen Sachenrechten im Sinne der Lehre Zeiller's stehe. Swoboda selbst will den petitorischen Rechtsschutz auf den Schadenersatzanspruch der §§ 1293, 1323 ABGB. grunden und dem Mieter das Recht einräumen, jeden im Widerspruch zu seinem Recht stehenden Eingriff eines unbefugten Dritten als Rechtsverletzung mit dem Begehren auf Wiederherstellung des früheren Zustandes zu bekämpfen (1. c., S. 41). Dem wäre freilich entgegenzuhalten, daß mit dieser Begründung auch dem Verwahrer, der keinen Rechtsbesitz ausübt und darum auch keinen Besitzschutz genießt, und dem Entlehner petitorischer Rechtsschutz zuerkannt werden müßte, eine Konsequenz, die auch die neuere Rechtsprechung nicht gezogen hat.

Schon aus der bisherigen Darstellung ist erkennbar, daß die Gewahrung des petitorischen Rechtsschutzes an den Bestandnehmer als eine Durchbrechung des Grundsatzes anzusehen ist, daß nur dinglich Berechtigte einen solchen genießen und daß sie darum einschränkend, nicht aber ausdehnend auszulegen ist. Der Oberste Gerichtshof hat darum auch in seiner Entscheidung vom 3. April 1947, 1 Ob 219/47, EvBl. 1947, Nr. 537, dem Untermieter die petitorische Klage mit der Begründung verweigert, daß alle jene Erwägungen, die beim Hauptmieter dazu geführt haben, ihm den Umweg über eine gegen den Hauptbestandgeber gerichtete Klage auf Wiederverschaffung der entzogenen Bestandsache zu ersparen, beim Untermieter hinwegfallen. Für den Untermieter wird es die gegebene und natürliche Lösung darstellen, wenn er von einem Dritten im Besitz des Unterbestandrechtes durch einen Eingriff gestört wird, sich an seinen Vermieter zu halten und von diesem den Schutz und gegebenenfalls die Wiederherstellung des ungestörten Gebrauches am Untermietobjekt zu fordern. Auch ist sein Schutz ein wesentlich schwächerer als der des Hauptmieters, da selbst das Mietengesetz in § 19 Abs. 2 Z. 12 die Aufkündigung von Untermietverhältnissen nur an die Voraussetzung knüpft, daß die Fortsetzung der Untermiete wichtige Interessen des Untervermieters verletzen würde, und § 19 Abs. 6 MietG. gestattet, daß bestimmt bezeichnete Tatsachen, die als bedeutsam für den Vermieter anzuerkennen sind, von vornherein als Kündigungs- oder Auflösungsgrund festgesetzt werden, wobei es sich keineswegs nur um Fälle des Eigenbedarfes handeln muß.

Das Berufungsgericht meint nun, daß diese Erwägungen auf Unterpachtverhältnisse nicht anwendbar seien, weil die Unterpächter von Kleingärten tatsächlich jene Gewahrsame an ihren Parzellen ausüben, die sonst bei Hauptpachtungen üblich ist und bei einem Untermieter nichtvorkommt. Der Hauptpächter ("Zwischenpächter" im Sinn der der österreichischen Rechtssprache fremden Terminologie der noch immer in Kraft stehenden Verordnungen vom 31. Juli 1919, DRGBl. S. 1371, und vom 15. Dezember 1944, DRGBl. I S. 347, § 9, bzw. § 1 Abs. 2c, während die aufgehobene österreichische Schrebergarten-Verordnung vom 17. April 1924, BGBl. Nr. 124, von Unterpacht und Hauptpacht bzw. Generalpacht sprach), nämlich der Verband der Kleingärtner, stelle nur eine sogenannte Dachorganisation dar, die nur dazu bestimmt sei, die weitere Vergebung durchzuführen, nicht aber selbst "direkte" Pachtrechte auszuüben.

Dem kann nicht zugestimmt werden. Denn wenn auch die noch in Kraft stehende deutsche Verordnung bezweckt, gewerbsmäßige Generalpachtungen auszuschließen und nur öffentliche Körperschaften und gemeinnützige Kleingartenunternehmungen als Zwischenpächter zuzulassen, kommen diesen doch alle Rechte und Befugnisse des Hauptbestandnehmers, den Kleingärtnern aber nur die des Unterpächters zu. Daran ändert nichts, daß diese durch § 1 der Verordnung vom 15. Dezember 1944 gegen willkürliche Kündigung geschützt sind und eine Kündigung durch den Verpächter an das Vorliegen gewisser wichtiger Kündigungsgrunde geknüpft ist. Ihr Recht bleibt doch gleich jenem des Untermieters von dem des Hauptpächters abgeleitet und nur dieser steht zum Bestandobjekt in jener engen rechtlichen Beziehung, die Lehre und Rechtsprechung bewogen hat, dem Bestandnehmer petitorischen Rechtsschutz praeter legem zu gewähren. Daß er nicht selbst die Erträgnisse des Bodens gewinnt und ihn nicht bearbeitet, ist unwesentlich, letzteres weil die Bearbeitung überhaupt nicht zum Begriff der Pacht gehört (vgl. Ehrenzweig, II/1, S. 433), ersteres weil ihm ja die Zivilfrüchte in der Form des Pachtzinses gleichwie dem Vermieter die Mietzinse zufließen. Die Ansicht des Berufungsgerichtes würde dazu führen, daß bei Miete eines ganzen Bürohauses, dessen einzelne Büros an Geschäftsleute weitervermietet werden, diese infolge ihrer tatsächlichen Verbundenheit mit dem Unterbestandobjekt gleichen Rechtsschutz wie der Hauptmieter beanspruchen könnten, dessen Untermieter sie doch nur sind.

Eine solche Auslegung würde zu einer weiteren Aushöhlung des durch die Ausnahmsgesetzgebung auf dem Gebiete des Miet- und Pachtrechtes schon weitgehend untergrabenen Eigentumsbegriffes führen und den Bestandgeber zu einer völligen Schattenfigur herabdrücken, den Untermieter oder -pächter aber entgegen der deutlich geäußerten Absicht des Gesetzgebers weitgehend dem Hauptbestandnehmer gleichstellen.

Aus diesen Erwägungen ist die Aktivlegitimation der Klägerin tatsächlich entgegen der Annahme des Berufungsgerichtes nicht gegeben. Es muß dieser überlassen werden, sich im Sinn des § 1096 ABGB. an ihren Verpächter, den Kleingartenverein "L.", zu halten, damit dieser ihr zutreffendenfalls den verlorenen Besitz der Parzelle wieder verschaffe.

Dem Rekurs war daher Folge zu geben.

Anmerkung

Z22149

Schlagworte

Actio Publiciana nicht für Kleingärtner (Unterbestandnehmer) Besitzesschutz nicht für Kleingärtner (Unterbestandnehmer) Bestandnehmer petitorischer Rechtsschutz nicht für Unterpächter (Kleingärtner) Kleingartenverein, Verhältnis zu Kleingärtner, petitorischer Rechtsschutz Pachtvertrag zwischen Kleingartenverein und Kleingärtner, petitorischer Rechtsschutz Petitorischer Rechtsschutz nicht für Kleingärtner (Unterbestandnehmer) Publizianische Klage nicht für Kleingärtner (Unterbestandnehmer) Räumungsklage des Kleingärtners (Unterbestandnehmers) gegen Dritte Rechtsbesitz des Unterbestandnehmers (Kleingärtners) Unterpächter, Kleingärtner, kein petitorischer Rechtsschutz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1949:0020OB00449.49.1009.000

Dokumentnummer

JJT_19491009_OGH0002_0020OB00449_4900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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