Norm
ABGB §104Kopf
SZ 22/150
Spruch
Form und Inhalt des Widerspruches nach § 55 EheG. sind verfahrensrechtliche Fragen; ein Rechtsirrtum in der Anwendung der Prozeßgesetze kann nicht mit dem Revisionsgrund des § 503 Z. 4 ZPO. bekämpft werden.
Entscheidung vom 12. Oktober 1949, 2 Ob 421/49.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Bei dem über die auf § 55 EheG. gestützte Scheidungsklage abgehaltenen Sühneversuch hat sich die Beklagte gegen die Scheidung ausgesprochen, sich zur Fortsetzung der Ehe bereit erklärt und die Abweisung des Klagebegehrens beantragt. In der mündlichen Streitverhandlung sind die Erklärungen nicht mehr wiederholt, zumindestens nicht in das Protokoll aufgenommen worden.
Das Prozeßgericht hat das Klagebegehren abgewiesen. Das Berufungsgericht hat das Urteil des Prozeßgerichtes bestätigt.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers keine Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Der Kläger hat schon in der Berufung sowohl unter dem Gesichtspunkt der Aktenwidrigkeit als auch dem der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gerügt, daß das Erstgericht das Vorliegen eines formell und inhaltlich korrekten Widerspruches im Sinne des § 55 Abs. 2 EheG. angenommen hat. Das Berufungsgericht hat jedoch ausgesprochen, daß keine Aktenwidrigkeit vorliege und daß die von der Beklagten beim Sühneversuch abgegebene Erklärung, sich gegen die Scheidung auszusprechen, die Ehe fortsetzen zu wollen und die Klagsabweisung zu beantragen, trotzdem diese Erklärungen bei der mündlichen Streitverhandlung nicht wiederholt wurden, hinreiche und daß auch ein besonderer Hinweis auf das klägerische Verschulden an der Zerrüttung der Ehe entbehrlich sei, weil der Kläger ja schon selbst in der Klage die schwere Eheverfehlung des Ehebruches und seine Vaterschaft zu außerehelichen Zwillingen bekanntgegeben habe.
Die Revision bekämpft dies mit dem Revisionsgrund des § 503 Z. 4 ZPO. als rechtsirrig. Ihr ist zuzugeben, daß das Verfahren erster Instanz in dieser Hinsicht der Zivilprozeßordnung widerspricht und mangelhaft ist, weil der Sühneversuch ebenso wie der gleichbedeutende Versöhnungsversuch nach § 104 ABGB., § 2 Abs. 2 JMVdg. vom 9. Dezember 1897, RGBl. Nr. 283, nur einen "gültigen Vergleich" (§§ 3, 16 des Hofdekretes vom 23. August 1819, JGS. 1595, § 14 JMVdg. Nr. 283/97) darstellt, also ein außerstreitiges Vorverfahren, das keineswegs zur Vornahme prozessualer Parteihandlungen bestimmt ist und auch nicht unter der Herrschaft der Grundsätze der kontradiktorischen Verhandlung steht. Zumindest hätte das Erstgericht die rechtsfreundlich unvertretene Beklagte in einem dem Anwaltszwang nicht unterliegenden Verfahren anleiten müssen, die beim Sühneversuch abgegebenen prozessualen Erklärungen bei der mündlichen Streitverhandlung zu wiederholen, und eine entsprechende Protokollierung vornehmen müssen. Es ist aber auch der Inhalt dieser Erklärung nicht einwandfrei. Zwar bedeutet das Wort "Widerspruch" im § 55 EheG. keine sakrale Formel, deren Nichtgebrauch bereits prozessuale Rechtsnachteile herbeiführt. Es muß nur deutlich erkennbar sein, daß die Beklagte dem Scheidungsbegehren widerspricht und dessen Abweisung begehrt. Dies ist durch die Wendung, die Beklagte beantrage kostenpflichtige Klagsabweisung, hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht. Was aber den Inhalt des Widerspruches angeht, fordert § 55 EheG. nicht, daß der Beklagte ausdrücklich behaupte, der Kläger habe die Ehezerrüttung ganz oder überwiegend verschuldet. Aber da der Widerspruch, abgesehen von der Bestreitung des Ablaufes der dreijährigen Frist des § 55 Abs. 1 EheG., nur auf ein solches Verschulden des Klägers mit Erfolg gestützt werden kann, muß seinem Vorbringen zumindest zu entnehmen sein, daß er ein solches Verschulden behaupte. Die Beklagte hat nun lediglich eigene Eheverfehlungen bestritten, ohne sich über das Verhalten des Klägers auszusprechen. Dieser hat in der Klage zugegeben, mit dem Urteil des Amtsgerichtes Mattersburg vom 8. März 1945 als außerehelicher Vater zweier Kinder rechtskräftig festgestellt worden zu sein und eine Wiederaufnahme dieses Verfahrens zur Vornahme der erbbiologischanthropologischen Untersuchung bisher wegen Unbekanntheit des Aufenthaltes der klägerischen außerehelichen Kinder unterlassen zu haben. Damit hat er allerdings außerehelichen Verkehr mit einer anderen Frau zugegeben und nur die Vaterschaft zu den angeblich aus diesem Verkehr stammenden Kindern wegen Unmöglichkeit einer durch ihn erfolgten Zeugung zu bestreiten erklärt. Er gibt damit also schon in der Klage, wie er dies in der Revision später ausdrücklich tut, Ehebruch implicite zu. Die Ansicht der Revision, daß ein solches Vorbringen im Hinblick auf den das Eheverfahren beherrschenden Untersuchungsgrundsatz unbeachtlich sei und nicht beweismachend sein könne, ist unhaltbar.
Allein, diese Fragen sind für die Prozeßentscheidung belanglos. Denn Form und Inhalt eines Widerspruches sind verfahrensrechtliche Fragen. Mit dem von der Revision herangezogenen Revisionsgrund des § 503 Z. 4 ZPO. können nur materiellrechtliche Irrtümer (errores in judicando), nicht aber die unrichtige Anwendung der Prozeßgesetze bekämpft werden (Neumann, S. 1361, ÖRZ. 1932, S. 220, RSpr. 1931, Nr. 292 u. a. m.). Der Bekämpfung von Rechtsirrtümern in der Anwendung der Prozeßgesetze dienen nur die Revisionsgrunde des § 503 Z. 1 und 2 ZPO. Wollte man nun auch die Ausführungen der Revision unter Außerachtlassung ihrer offenbar unrichtigen Unterstellung unter den Revisionsgrund des § 503 Z. 4 ZPO. als Mängelrüge ansehen, wäre damit für den Kläger nichts gewonnen. Denn nur solche Verfahrensmängel stellen den Revisionsgrund des § 503 Z. 2 ZPO. dar, welche eine erschöpfende und grundliche Beurteilung der Streitsache gehindert haben. Dies konnte nie dadurch geschehen, daß das Erstgericht unter Hintansetzung von Verfahrensvorschriften einen Widerspruch dort als gegeben ansah, wo er möglicherweise nicht formgerecht ausgeführt war. Nur solche Verfahrensmängel sind zu beachten, ohne die eine dem Rechtsmittelwerber günstigere sachliche Entscheidung herbeigeführt worden wäre. Wäre diese aber auch bei Vermeidung der Formfehler nicht anders ausgefallen, liegt
Anmerkung
Z22150Schlagworte
Ehescheidung Form und Inhalt des Widerspruches nach § 55 EheG., Prozeßrecht unrichtige Anwendung nicht nach § 503 Z. 4 geltend zu, machen, Rechtliche Beurteilung unrichtige, bei prozessualen Fragen nur § 503, Z. 1 und 2 ZPO., Revisionsgrunde unrichtige rechtliche Beurteilung nicht bei, prozessualen Fragen, Scheidung Form und Inhalt des Widerspruches nach § 55 EheG., Unrichtige rechtliche Beurteilung, bei prozessualen Fragen nur § 503, Z. 1 und 2 ZPO., Widerspruch nach § 55 EheG., Form und Inhalt verfahrensrechtliche, FragenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1949:0020OB00421.49.1012.000Dokumentnummer
JJT_19491012_OGH0002_0020OB00421_4900000_000