TE OGH 1949/11/9 1Ob521/49

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Veröffentlicht am 09.11.1949
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Der Oberste Gerichtshof als Revisionsgericht hat durch den Ersten Präsidenten Dr. Strobele als Vorsitzenden und durch die Senatspräsidenten Dr. Höller und Dr. Wahle, sowie durch die Räte des Obersten Gerichtshofs Dr. Mayzisch und Dr. Fellner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** E*****, vertreten durch Dr. Herbert Eggstain, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei 1.) T***** E*****, 2.) K***** V*****, beide vertreten durch Dr. Franz Karl Vondrak, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 1005, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 10. September 1949, AZ 43 R 1158/49, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Döbling vom 17. Mai 1949, AZ 4 C 528/47, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben, die Urteile der beiden Untergerichte werden als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen.

Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit 262,52 S bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz, die mit 244,90 S bestimmten Kosten des Verfahrens zweiter Instanz und die mit 175,10 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens, das ist zusammen 682,52 S binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit ihrer am 25. 6. 1947 überreichten Klage begehrt die Klägerin die Verurteilung der beiden Beklagten zur ungeteilten Hand, ihr einen Betrag von 1.005 S samt 4 % Zinsen ab 25. 6. 1947 zu bezahlen.

Der Klage liegt nachstehender Sachverhalt zugrunde:

Die Klägerin und der Erstbeklagte sind Ehegatten, die Scheidungsklage des Erstbeklagten wurde rechtskräftig abgewiesen. Die beiden Beklagten haben zueinander ehewidrige Beziehungen unterhalten und wurde die Zweitbeklagte deshalb zweimal und der Erstbeklagte einmal strafgerichtlich verurteilt (Akten des Strafbezirksgerichts Wien 11 U 682/46 und 11 U 1386/46). Die Klägerin bediente sich zur Feststellung der ehewidrigen Beziehungen der Detektivbüros H***** und C*****. Die Privatdetektive wurden in den beiden Strafverfahren als Zeugen vernommen und erfolgte die Verurteilung auch unter Heranziehung und aufgrund ihrer Aussagen. Die Kosten für das Detektivunternehmen H***** betrugen 549,70 S und für das Unternehmen C***** 450 S, welche von der Klägerin bezahlt wurden.

Das Bezirksgericht Döbling als Erstgericht gelangte in seinem Urteil vom 17. 5. 1949 zur Abweisung der Klage, weil ein Kausalzusammenhang nicht gegeben sei und es sich im Übrigen um Prozesskosten handle, die abgesondert nicht geltend gemacht werden können, sondern nur im Privatanklageverfahren bzw im Scheidungsverfahren hätten geltend gemacht werden müssen.

Der gegen dieses Urteil seitens der Klägerin eingebrachten, auf den Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützten Berufung hat das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht mit Urteil vom 10. 9. 1949 teilweise Folge gegeben und das Urteil der ersten Instanz dahin abgeändert, dass die beiden Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig erkannt wurden, der Klägerin einen Betrag von 999,70 S samt 4 % Zinsen ab Klagstag zu bezahlen; das Mehrbegehren wurde abgewiesen.

In den Gründen wird ausgeführt, der Ersatzanspruch der Klägerin leite sich aus dem von den Beklagten unterhaltenen ehewidrigen Verhältnis, welches eine strafbare Verletzung der Eherechte der Klägerin bilde, ab. Dieses Delikt sei die Ursache, dass die Klägerin die beiden Beklagten durch Privatdetektive beobachten ließ. Damit sei der Kausalzusammenhang zwischen dem deliktischen Verhalten der Beklagten einerseits und der Aufwendung der Klägerin andererseits hergestellt. Zu dem gleichen Ergebnis würde übrigens auch die in der herrschenden Lehre vertretene Adäquanztheorie führen, wonach Ursache jede Ereignung bzw Handlung ist, die generell geeignet ist, den Schaden herbeizuführen. Dies treffe hier zu, da die Verletzung ehelicher Treue bzw Mitschuld daran im Allgemeinen geeignet sei, Reaktionen auf Seite des in seinem Familienrecht verletzten Ehegatten in der Richtung der Feststellung des wahren Sachverhalts hervorzurufen. Das Verschulden der beiden Beklagten stehe durch die strafgerichtliche Verurteilung fest, damit seien beide Voraussetzungen des Schadenersatzanspruchs gegeben. Unhaltbar sei auch die weitere Ansicht des Erstgerichts, dass die gegenständlichen Kosten selbständig nicht eingeklagt werden könnten; es handle sich hier nicht um Prozesskosten, sondern um Kosten zur Vorbereitung eines künftigen Prozesses, welche nicht als Prozesskosten und damit als Forderungen öffentlich-rechtlicher Natur, sondern als Forderungen privatrechtlicher Natur (Schadenersatzforderung) anzusehen seien.

Gegen dieses Urteil haben die beiden Beklagten die Revision erhoben.

Geltend gemacht werden die Revisionsgründe des § 503 Z 1 (§ 477 Z 6 ZPO) 2 und 4 ZPO.

Beantragt wird, das angefochtene Urteil gemäß § 477 Z 6 ZPO als nichtig aufzuheben und die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurückzuweisen, in eventu, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass das erstrichterliche Urteil wiederhergestellt werde, weiter in eventu, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Rechtssache zur Behebung der gerügten Mängel und neuerlichen Urteilsfällung an das Berufungsgericht, allenfalls an das Prozessgericht erster Instanz zurückzuverweisen.

Die klagende Partei hat den Antrag gestellt, der Revision nicht Folge zu geben.

In Ausführung des erstangeführten Revisionsgrundes wird von den beiden Beklagten geltend gemacht, bei dem eingeklagten Kostenbetrag (Aufwendungen, die durch die Überwachung des der Verletzung der ehelichen Treue verdächtigen Ehegatten entstanden sind) handle es sich dem Wesen nach um Prozesskosten; der Prozesskostenanspruch sei aber immer öffentlich-rechtlicher, nicht privatrechtlicher Natur, somit kein Schadenersatzanspruch; folgerichtig sei das Urteil des Berufungsgerichts wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs von Amts wegen aufzuheben und die Klage zurückzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revision muss in diesem Punkte Berechtigung zuerkannt werden.

Die den Gegenstand der vorliegenden Klage bildenden Aufwendungen für die beiden Detektivinstitute waren, wie schon in der Klage zum Ausdruck kommt, dazu bestimmt, der Klägerin für die Strafklagen und im Scheidungsverfahren Unterlagen zu verschaffen.

In den Rahmen der den unterliegenden Gegner treffenden Ersatzpflicht im Sinne des § 41 ZPO fallen nun nicht nur die durch die Prozesshandlungen verursachten, sondern auch alle jene Kosten, die vom Gericht als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig erkannt werden, daher namentlich auch die der dazu nötigen Vorarbeiten. Solche Kosten können aber nach der übereinstimmenden Ansicht von Schrifttum und Rechtsprechung nicht zum Gegenstand eines abgesonderten Rechtsstreits gemacht werden (Sperl; Lehrbuch der bürgerlichen Rechtspfleger S 720 u 721, Pollak, System des österreichischen Zivilprozessrechts S 52 f; Entscheidung des OGH vom 18. 3. 1932, 2 Ob 111/32, SZ XIV/76).

Von der durch die Strafprozessordnung begründeten Kostenersatzpflicht gilt dasselbe wie von den Zivilprozesskosten. § 381 StPO zählt die Kosten nicht erschöpfend auf (Kassationshof 2074, Lohsing Strafprozess S 437). Es fallen daher auch Kosten jener Art, wie sie hier in Frage kommen, unter die vom Unterliegenden zu ersetzenden Kosten (Beisser-Zentralblatt IX 1891, S 123. „Prinzip ist, dass der Privatankläger seine gesamte persönliche Intervention dem Strafverfahren, auch wenn dasselbe mit Auslagen und Verlusten für ihn verbunden wäre, im Interesse einer Strafverfolgung unentgeltlich zu prästieren hat“; Dr. Reinhold, Gerichtshalle 1886, S 299: Strafprozesskosten in einem Zivilprozess geltend zu machen, ist nach österreichischem Recht unstatthaft; dies ergebe sich aus der Natur der Sache und aus den einschlägigen Bestimmungen der Strafprozessordnung, so § 260 und § 389 StPO).

Es handelt sich somit im vorliegenden Fall, wie die Revision entgegen den sie bekämpfenden Ausführungen der Revisionsbeantwortung zutreffend hervorhebt, im Wesen um Prozesskosten, die nicht abgesondert im Rechtsweg geltend gemacht werden können.

Verwiesen sei auch noch auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 7. 10. 1931, 1 Ob 929/31, Jur Bl 1931 S 489, wonach die obsiegende Partei einen über die Bestimmungen der Zivilprozessordnung hinausgehenden Kostenersatz auch aus dem Titel einer ihr nach den Vorschriften des materiellen Rechts gebührenden vollen Genugtuung nicht begehren kann.

Es war daher der Revision, ohne dass es nötig war, auf die noch weiter geltend gemachten Revisionsgründe einzugehen, Folge zu geben, die Urteile der beiden Untergerichte wegen Nichtigkeit (§ 477 Abs 1 Z 6 ZPO) aufzuheben und die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurückzuweisen.

Die Entscheidung im Kostenpunkt gründet sich auf die Bestimmung des § 51 ZPO iVm §§ 41 und 50 ZPO.

Textnummer

E118175

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1949:0010OB00521.490.1109.000

Im RIS seit

31.05.2017

Zuletzt aktualisiert am

31.05.2017
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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