TE OGH 1949/11/16 1Ob324/49

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Veröffentlicht am 16.11.1949
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Norm

Ehegesetz §8
Ehegesetz §24
Vierte Durchführungsverordnung zum Ehegesetz §24
JN §42
Personenstandsgesetz §45

Kopf

SZ 22/174

Spruch

Der Standesbeamte ist nicht berechtigt, die Vornahme der Eheschließung einer geschiedenen Frau, welche die österreichische Staatsbürgerschaft erworben hat, deshalb abzulehnen, weil das seinerzeit ergangene (österreichische) Scheidungsurteil nicht hätte erfließen dürfen.

Entscheidung vom 16. November 1949, 1 Ob 324/49.

I. Instanz: Bezirksgericht Wels; II. Instanz: Kreisgericht Wels.

Text

Die damalige österreichische Staatsbürgerin Marie H. hat am 14. Juni 1932 mit dem Reichsdeutschen Georg S. die Ehe geschlossen und ist dadurch deutsche Staatsangehörige geworden. Nach der Wiedererrichtung Österreichs hat sie beim Landesgericht Linz die Scheidungsklage eingereicht und es wurde ihre Ehe mit dem Urteil dieses Gerichtes vom 11. Jänner 1946, 1 Cg 660/45-6, aus dem Alleinverschulden des Beklagten geschieden. Der Beklagte war im Verfahren durch einen Abwesenheitskurator vertreten, weil er an seiner letzten bekannten Adresse (München) nicht mehr auffindbar war. Das Urteil ist in Rechtskraft erwachsen.

Um nun mit Johannes W. eine neue Ehe eingehen zu können, hat Marie H. um die Befreiung von der Beibringung des Ehefähigkeitszeugnisses angesucht, doch wurde dieses Ansuchen vom Oberlandesgerichte Linz mit dem Beschlusse vom 5. Oktober 1948 mit der Begründung abgewiesen, daß die Ehescheidung durch ein österreichisches Gericht nach dem Heimatrechte der Antragstellerin nicht anerkannt werde und daher das Eheverbot der Doppelehe ihrer Wiederverehelichung entgegenstehe.

Mit dem Bescheide der oberösterreichischen Landesregierung vom 27. November 1948 wurde der Marie H. die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen. Sie stellte nun neuerlich den Antrag auf Erlassung des Aufgebotes und Beteiligung des Standesbeamten an der Eheschließung mit Johannes W., doch wurde dieser Antrag vom Standesbeamten Wels mit der Begründung abgewiesen, daß das österreichische Gericht für die Ehescheidung reichsdeutscher Staatsangehöriger nicht zuständig gewesen, das Scheidungsurteil daher nichtig sei und die Ehe der Antragstellerin mit Georg S. noch aufrecht bestehe.

Marie H. stellte hierauf beim Bezirksgerichte Wels den Antrag, das Standesamt zur Vornahme des Aufgebotes zum Zweck ihrer Eheschließung mit Johannes W. anzuhalten. Dieser Antrag wurde abgewiesen. Das Kreisgericht Wels hat dem dagegen gerichteten Rekurse der Marie H. Folge gegeben und den angefochtenen Beschluß dahin abgeändert, daß der Standesbeamte des Standesamtes Wels zur Vornahme des Aufgebotes und zur Beteiligung an der Eheschließung der Marie H. mit Johannes W. gemäß § 45 PersStG. angehalten wird.

Der Revisionsrekurs der Bezirkshauptmannschaft Wels blieb ohne Erfolg.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung des Obersten Gerichtshofes:

Mit Recht hat das Rekursgericht darauf hingewiesen, daß auch nichtige Urteile mit den Wirkungen der materiellen Rechtskraft ausgestattet sind, sofern sie einmal formell in Rechtskraft erwachsen sind und daß das gegenständliche Scheidungsurteil, weil es formell rechtskräftig ist, deshalb bindende Wirkung hat, solange nicht gemäß § 42 Abs. 2 JN. die Nichtigkeit des gerichtlichen Verfahrens ausgesprochen ist.

Auf dieser Grundlage und unter Berücksichtigung des Umstandes, daß Marie H. im Zeitpunkte ihres Antrages bereits wieder österreichische Staatsbürgerin war, hatte der Standesbeamte seine Entscheidung zu treffen. Eine Überprüfung des Scheidungsurteiles in der Richtung, ob das Gericht zur Entscheidung zuständig war, stand ihm nicht zu. Ob aber das Scheidungsurteil von den deutschen Behörden anerkannt wird, ist gleichgültig, weil die Verweigerung der Anerkennung nur für den Bereich des deutschen Rechtes, also im Falle einer Wiederverehelichung des Georg S. Bedeutung erlangen könnte, im Bereich des österreichischen Rechtes aber die Wirkung des Scheidungsurteiles von der Anerkennung durch die deutschen Behörden nicht abhängig ist. Für die Frage, ob Marie H. eine neue Ehe eingehen kann, ist ausschließlich das österreichische Recht maßgebend. Da die Scheidung der ersten Ehe rechtskräftig erfolgte und Marie H. österreichische Staatsbürgerin ist, kann ihr die Eingehung einer neuen Ehe nicht verwehrt werden.

Anmerkung

Z22174

Schlagworte

Anerkennung des Scheidungsurteils im Heimatstaat der Gatten keine, Voraussetzung für Wiederverehelichung, Ausland, Anerkennung des österreichischen Scheidungsurteils nicht, Voraussetzung für Wiederverehelichung, Eheschließung, Ablehnung der Vornahme durch Standesbeamten, Scheidungsurteil, Anerkennung im Heimatstatt der Gatten keine, Voraussetzung für Wiederverehelichung, Standesbeamter, Ablehnung der Vornahme einer Eheschließung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1949:0010OB00324.49.1116.000

Dokumentnummer

JJT_19491116_OGH0002_0010OB00324_4900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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