Norm
Mietengesetz §19 Abs2 Z7Kopf
SZ 22/204
Spruch
§ 19 Abs. 2 Z. 7 MietG. setzt voraus, daß die gekundigten Wohnungen vor der Vermietung bereits von Betriebsangehörigen benützt wurden und daß sie nur wegen eines vorübergehenden Nichtbedarfes für solche an Betriebsfremde vermietet wurden.
Entscheidung vom 17. Dezember 1949, 1 Ob 506/49.
I. Instanz: Bezirksgericht Neuhofen a. d. Krems; II. Instanz:
Kreisgericht Steyr.
Text
Das Erstgericht hat mit seinem Urteil die auf den Kündigungsgrund nach § 19 Abs. 2 Z. 7 MietG. gestützten Aufkündigungen der Beklagten K. K., B. E., G. K., V. G., J. B., M. F., A. W., R. W., F. D. und K. Sch. für wirksam erklärt, hingegen die Aufkündigungen der übrigen Beklagten aufgehoben, da die klagende Partei zwar alle aufgekundigten Wohnungen für eigene Arbeitnehmer dringend benötige, jedoch lediglich die an Dr. R. M., J. W., F. H., L. P., O. E. und F. L. vermieteten Wohnungen vorher an Werksangehörige zur Benützung überlassen hatte, also nur hinsichtlich dieser Wohnungen die Absicht, sie zur Unterbringung eigener Arbeitnehmer zu verwenden, verwirklicht habe, während dies bei den anderen Wohnungen nicht zutreffe.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei insoweit Folge, als das Erstgericht die Aufkündigungen aufgehoben hatte, und erklärte auch diese Kündigungen für wirksam, während es der Berufung jener Beklagten, hinsichtlich derer schon das Erstgericht die Aufkündigungen der klagenden Partei für rechtswirksam erkannt hatte, einen Erfolg versagte. Das Berufungsgericht führte in den Entscheidungsgründen aus, es sei zwar nur, wie schon die Bezeichnung Behelfsheim zeige, an eine provisorische Unterbringung gedacht gewesen, jedoch an eine solche auf die Dauer des Mangels an normalen Wohnungen. Dieser Mangel und damit die Luftkriegsbetroffenheit bestehe aber noch weiter, die ursprüngliche Widmung habe dadurch eine Verlängerung ihrer Wirkungsdauer erfahren, es komme auch nicht darauf an, ob die Wohnungen vorher bereits von Werksangehörigen benützt worden seien, da der Zweck der Siedlung zur Unterbringung von Werksangehörigen offen zu Tage getreten und es daher nicht erforderlich gewesen sei, daß durch eine Vorbenützung seitens Werksangehöriger sinnfällig gemacht worden sei, daß die Einziehenden mit einer Kündigung nach § 19 Abs. 2 Z. 7 MietG. zu rechnen hätten. Es sei auch bedeutungslos, ob die Werksangehörigen zum Teil die gekundigten Wohnungen lediglich als Ausweichquartiere neben ihren Wohnungen in Linz benützt hatten und es wäre die Widmung für Werksangehörige nur bei Zustandekommen des Verkaufes erloschen, da die Widmungsänderung eben durch die Veräußerung bedingt gewesen sei.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Parteien Folge und hob die Aufkündigungen in Abänderung des zweitinstanzlichen Urteiles auf.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
§ 19 Abs. 2 Z. 7 MietG. gibt dem Vermieter das Recht zur Kündigung des Mietvertrages, wenn er den Mietgegenstand, der schon vor der Kündigung zur Unterbringung von Arbeitern oder sonstigen Angestellten des eigenen Betriebes bestimmt war, für diese Zwecke dringend benötigt. Wie der Oberste Gerichtshof bereits in wiederholten Entscheidungen ausgesprochen hat, genügt nicht die bloße Absicht, in den Räumen Arbeiter und Angestellte des eigenen Betriebes unterzubringen, sondern müssen die Räume schon diesem Zweck tatsächlich gewidmet, also von solchen Betriebsangehörigen benützt gewesen sein (vgl. Sternberg, Mietengesetz, S. 386 ff., und die dort unter Anmerkung 92, 93, 97 zitierten Entscheidungen; ferner die Entsch. v. 24. März 1936, 2 Ob 209/36, ZBl. 1936, Nr. 345, und
v. 31. Jänner 1936, 1 Ob 31/36, ZBl. 1936, Nr. 294, und Swoboda, Kommentar zum Mietengesetz, S. 243). Demnach ist der Kündigungsgrund nach § 19 Abs. 2 Z. 7 MietG. hinsichtlich jener Wohnungen, die bisher noch nie von Werksangehörigen der klagenden Partei benützt worden sind, auf keinen Fall gegeben.
Hinsichtlich jener Wohnungen aber, die vor der Überlassung an die Beklagten durch Werksangehörige benützt worden sind, wenden die Beklagten gegen das Vorliegen dieses Kündigungsgrundes ein, die Wohnungen seien nur Behelfsheime für Bombenbeschädigte oder Luftkriegsgefährdete und die Widmungsabsicht daher mit dem Kriegsende weggefallen, die Werksangehörigen hätten die Wohnungen auch nur als Ausweichquartiere trotz eigener Wohnungen in Linz benützt und ergebe sich aus den langen Verkaufsverhandlungen, die beinahe zum Abschluß geführt hätten, sowie der Zustimmung der klagenden Partei zur Überlassung der Wohnungen an werksfremde Personen im Zusammenhang mit den Verkaufsverhandlungen, daß die ursprüngliche Absicht, sie zur Unterbringung von Werksangehörigen zu verwenden, endgültig aufgegeben worden sei. Daß die klagende Partei die Behelfsheimsiedlung zur Unterbringung bombenbeschädigter oder luftkriegsgefährdeter Werksangehöriger errichtet hat, läßt noch keineswegs den Schluß zu, daß die Absicht, sie für Werksangehörige zu verwenden, mit Beendigung des Luftkrieges weggefallen ist; dies zeigt klar der Fall der Verwendung für Bombenbeschädigte; denn solche, deren Wohnungen durch Kriegseinwirkung unbrauchbar geworden sind, benötigen die Notquartiere ja so lange, bis sie andere entsprechende Wohnungen gefunden haben. Demnach mußte bei Errichtung der Behelfsheime jedenfalls damit gerechnet werden, daß sie von bombengeschädigten Werksangehörigen bis zur Herstellung der erforderlichen normalen Wohnhäuser benützt werden. Bei bloß Luftkriegsgefährdeten mußte aber ebenfalls mit einem Verlust ihrer normalen Wohnungen und für diesen Fall mit der Benützung der Behelfsheime bis zur Erlangung normaler Wohnungen gerechnet werden. Demnach waren die gekundigten Wohnungen von vornherein für eine Unterbringung von Werksangehörigen jedenfalls für so lange Zeit bestimmt, bis alle Werksangehörigen in normalen Wohnungen untergebracht werden können. Solange dies nicht der Fall ist, kann ein Wegfall der ursprünglichen Widmungsabsicht bloß zufolge Beendigung des Krieges keineswegs angenommen werden. Mit Recht hielten es die Untergerichte daher für bedeutungslos, ob die normalen Wohnungen aller oder einzelner in der Siedlung untergebrachter Werksangehöriger benützbar geblieben sind.
Was die Verkaufsverhandlungen bezüglich der Siedlung und die Zustimmung der klagenden Partei zur Überlassung der Wohnungen an betriebsfremde Personen anlangt, muß davon ausgegangen werden, daß eine Kündigung nach § 19 Abs. 2 Z. 7 MietG. nur dann zulässig ist, wenn es sich um eine bloß vorübergehende Verwendung des Mietgegenstandes für einen anderen Zweck als zur Unterbringung von Angestellten und Arbeitern des eigenen Betriebes handelt, also die Zweckbestimmung nur vorübergehend geändert werden sollte (vgl. Entsch. v. 24. März 1936, ZBl. 1936, Nr. 345; Swoboda, Kommentar zum Mietengesetz, S. 243). Nach den Feststellungen im angefochtenen Urteil wollte die klagende Partei die Siedlung in erster Linie deshalb verkaufen, weil sie sich in Geldnot befand, und wurden einige Wohnungen an Werksfremde unter der Voraussetzung überlassen, daß diese das Haus kaufen werden. Daraus ist aber zu schließen, daß die klagende Partei damals die ernstliche Absicht hatte, die Siedlung zu veräußern und mit dem Abschluß des Kaufvertrages bestimmt rechnete, weil sie Wohnungen schon an Kaufinteressenten überließ. Daraus ist wieder zu folgern, daß die Wohnungen nicht bloß wegen eines vorübergehenden Nichtbedarfes der Befriedigung des allgemeinen Wohnungsbedürfnisses nur für so lange zugeführt werden sollten, bis die klagende Partei sie wieder für Werksangehörige benötigte. Handelt es sich demnach nicht bloß um eine beabsichtigte vorübergehende Verwendung für andere Zwecke, so liegen die Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 Z. 7 MietG. nicht vor und ist es bedeutungslos, daß die klagende Partei ihre Veräußerungsabsicht später wieder aufgegeben hat. Demnach sind die Voraussetzungen dieses Kündigungsgrundes hinsichtlich aller Beklagten nicht gegeben.
Es mußte deshalb der Revision der beklagten Parteien Folge gegeben werden und waren in Abänderung des angefochtenen Urteiles alle Aufkündigungen aufzuheben.
Anmerkung
Z22204Schlagworte
Angestellte Erfordernis der Unterbringung als Kündigungsgrund, Arbeiter, Erfordernis der Unterbringung als Kündigungsgrund, Dienstwohnung Kündigung nach § 19 Abs. 2 Z. 7 MietG., Eigenbedarf nach § 19 Abs. 2 Z. 7 MietG.European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1949:0010OB00506.49.1217.000Dokumentnummer
JJT_19491217_OGH0002_0010OB00506_4900000_000