Norm
ABGB §26Kopf
SZ 23/5
Spruch
Derzeit keine Vertretung der römisch-katholischen Kirche durch die Finanzprokuratur; wohl aber gilt § 92 Abs. 2 Z. 2 AußstrG. über das von Amts wegen aufzunehmende Inventar weiter. Die römischkatholische Kirche gehört zu jenen Erben, die nicht mit einem rechtskundigen Sachwalter versehen sind (§ 116 AußstrG.).
Nicht das Erzbistum oder die Erzdiözese, noch die Finanzkammer, noch das erzbischöfliche Ordinariat genießt Rechtspersönlichkeit, sondern die römisch-katholische Kirche in Österreich als eine öffentlichrechtliche Körperschaft, vertreten durch ihre organisationsgemäßen Organe, z. B. durch das erzbischöfliche Ordinariat.
Entscheidung vom 17. Jänner 1950, 2 Ob 31/50.
I. Instanz: Bezirksgericht Mödling; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Das Erstgericht antwortete eine Verlassenschaft den gesetzlichen Erben ein, ohne eine im Verlassenschaftsverfahren auf Grund eines Testamentes abgegebene Erbserklärung der Erzdiözese Wien zu berücksichtigen, und erklärte die Abhandlung für beendet. Hierauf stellte die Finanzkammer der Erzdiözese Wien den Antrag, "über ihre auf Grund des erblasserischen Testamentes abgegebenen Erbserklärung zu entscheiden, ihr die Verwaltung der Verlassenschaft nach § 145 AußstrG. zu übertragen, den Nachlaß sicherzustellen sowie die Abhandlung ehestens durchzuführen", indem sie darauf hinwies, daß sie schriftlich zu Handen des Gerichtskommissärs eine Erbserklärung auf Grund des vorerwähnten Testamentes abgegeben und nunmehr erfahren habe, daß Verlassenschaftsgegenstände veräußert werden. Das Abhandlungsgericht faßte daraufhin den Beschluß, mit welchem der Einschreiterin eheste Entscheidung über ihren Antrag nach Rücklangen des beim Finanzamt für Verkehrsteuern zur Gebührenbemessung befindlichen Aktes in Aussicht gestellt, zugleich aber der Erzdiözese Wien eine Ausfertigung der Einantwortungsurkunde übermittelt wurde.
Diese ergriff rechtzeitig Rekurs gegen den Einantwortungsbeschluß mit dem Hinweis darauf, daß dem Gericht schon vor Schöpfung dieses Beschlusses die Existenz des erblasserischen Testamentes vom 20. November 1940, in dem die Erzdiözese Wien zum Erben eingesetzt wurde, bekannt gewesen sei, und weil der Gerichtskommissär bereits mit Schreiben vom 17. April 1948 das erzbischöfliche Ordinariat Wien um Mitteilung ersucht hatte, ob dieses den Nachlaß auf Grund der letztwilligen Verfügung vom 20. November 1940 in Anspruch nehme, und das Ordinariat den Gerichtskommissär ausdrücklich verständigt hatte, daß es das Erbe annehme.
Das Rekursgericht ordnete Erhebungen über das Vorbringen der Rekurswerberin an und gab nach deren Einlangen dem Rekurse Folge, indem es den angefochtenen Beschluß aufhob und dem Erstgericht eine neuerliche, nach Verfahrensergänzung zu treffende Entscheidung auftrug.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der gesetzlichen Erben nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die Bezeichnung "Erzbistum" oder "Erzdiözese" Wien ist ungenau, da das Erzbistum einen kirchlichen Verwaltungssprengel ohne selbständige Rechtspersönlichkeit, die an anderer Stelle aufscheinende Finanzkammer, bzw. das erzbischöfliche Ordinariat aber eine kirchliche Behörde darstellt, der ebenfalls Rechtspersönlichkeit nicht zusteht. Dagegen ist die römischkatholische Kirche in Österreich eine öffentlich-rechtliche Körperschaft (vgl. Klang, I/1, S. 277, Art. 15 StGG. vom 21. Dezember 1867, RGBl. Nr. 142, Art. 149 B-VG.), die durch ihre organisationsgemäßen Organe, hier also durch das erzbischöfliche Ordinariat Wien, vertreten wird. Eine Vertretung der römischkatholischen Kirche durch die Finanzprokuratur findet nach § 2 des Gesetzes vom 12. September 1945, StGBl. Nr. 172, in der Fassung des Gesetzes vom 16. Juni 1948, BGBl. Nr. 154, nicht mehr statt. Es ist auch die Verständigung der Finanzprokuratur von letztwilligen Zuwendungen an kirchliche Rechtssubjekte durch JM-Erlaß vom 18. Oktober 1946, JABl. 1946, S. 80, aufgehoben worden. Daher bestehen keine Zweifel an der Aktivlegitimation der Kirche und ihrer Berechtigung zum Einschreiten, wobei sie sich durch einen gewählten Machthaber vertreten zu lassen befugt ist.
Dem Einwand des Revisionsrekurses, die Erzdiözese, bzw. die römischkatholische Kirche sei nicht zur Ergreifung des Rechtsmittels legitimiert gewesen, weil sie sich bisher am Abhandlungsverfahren nicht beteiligt und keine Erbserklärung abgegeben habe, kommt keine Berechtigung zu. Abgesehen davon, daß sich die Rekurswerberin eben mit Recht dadurch beschwert erachtet, daß ihre Erbserklärung nicht entsprechend den Bestimmungen der §§ 75, 115 ff. AußstrG. behandelt und sie dadurch von der Möglichkeit einer Beteiligung an der Abhandlung ausgeschlossen wurde, erscheint nach § 9 AußstrG. jeder, der sich durch eine Verfügung der ersten Instanz für beschwert findet, zur Ergreifung von Rechtsmitteln befugt, wenn er von dieser Entscheidung in Kenntnis zu setzen war; es wird vom Gesetz keineswegs verlangt, daß der Rechtsmittelwerber bereits am bisherigen Verfahren teilgenommen habe (Rintelen, S. 34). Es ist erforderlich und genügend, daß seine rechtliche Interessensphäre durch den Beschluß berührt wird, der ihm darum zuzustellen war.
Der Revisionsrekurs ist aber auch sachlich unbegrundet. Das Testament, mit welchem das Erzbistum Wien der römischkatholischen Kirche zum Universalerben eingesetzt wurde, ist dem Abhandlungsgericht bereits am 17. August 1945 überreicht und von ihm gemäß § 63 AußstrG. kundgemacht worden. Eine Abschrift des vom Pfarrer überreichten Testamentes war vom Abhandlungsgericht dem erzbischöflichen Ordinariat Wien mit dem Beifügen übersendet worden, daß zum Nachlaß bereits eine unbedingte Erbserklärung einer anderen Erbin auf Grund des Testamentes vom 3. Oktober 1943 und eine bedingte Erbserklärung des erblasserischen Neffen auf Grund des Gesetzes hinsichtlich des ganzen Nachlasses überreicht und infolge widersprechender Erklärungen diese Erbprätendenten auf den Rechtsweg verwiesen worden waren.
Eine Erklärung des erzbischöflichen Ordinariats ist damals wohl nicht erfolgt, doch hat das Abhandlungsgericht nach rechtskräftiger Erledigung des Erbrechtsstreites den Notar zum Gerichtskommissär bestellt und ihm die Abhandlungspflege übertragen. Ihm oblagen nunmehr die dem Gericht in den §§ 75, 115 bis 117 AußstrG. auferlegten Verpflichtungen. Aus dem Akte ergibt sich nun, daß der Gerichtskommissär mit Schreiben vom 17. April 1948 unter Bezugnahme auf die schon am 4. Dezember 1945 ergangene Verständigung des Ordinariats vom erblasserischen Testament vom 20. November 1940 und Anschluß einer Kopie desselben den Sachverhalt nochmals darlegte und dem Ordinariat auch die inzwischen erfolgte rechtskräftige Beendigung des Erbrechtsstreites und seine eigene Bestellung zum Gerichtskommissär mit dem Ersuchen bekanntgab, mitzuteilen, ob das erzbischöfliche Ordinariat auf Grund des Testamentes vom 20. November 1940 die Verlassenschaft in Anspruch nehme. Das Ordinariat antwortete mit Schreiben vom 29. April 1948 dem Gerichtskommissär, daß es gewillt sei, das Erbe anzunehmen. Es folgte nun ein Schreiben des Notars an den Dechanten von M., in welchem ersterer unter Hinweis auf diesen Sachverhalt anfragte, ob der Dechant im Zuge der Abhandlung als Vertreter des Ordinariats auftreten oder dessen Anwalt die Abhandlung schriftlich durchführen werde. In direkter Erledigung dieser Anfrage gab die Finanzkammer der Erzdiözese Wien am 12. Mai 1948 bekannt, daß die Verlassenschaftsabhandlung direkt vom Ordinariat, vertreten durch dessen Finanzkammer, durchgeführt werden werde. Ungeachtet dieser aus der zitierten Korrespondenz ersichtlichen Erklärung der Finanzkammer der Erzdiözese hat das Erstgericht auf die Erklärungen des erzbischöflichen Ordinariats keinen Bedacht genommen, sondern hat nur die seinerzeitige Erbserklärung des gesetzlichen Erben berücksichtigt und ihm die Verlassenschaft eingeantwortet, ohne den Einantwortungsbeschluß dem erzbischöflichen Ordinariat, bzw. der Finanzkammer der Erzdiözese zuzustellen. Da aber die Durchführung der Abhandlungspflege dem Notar als Gerichtskommissär übertragen worden war, oblagen diesem zunächst die im Außerstreitgesetz dem Gericht auferlegten Verbindlichkeiten gegenüber den Erben und die ihm gegenüber abgegebenen Erklärungen, vor allem die in der Zuschrift vom 29. April 1948 zu erblickende Erbserklärung, waren darum von ihm zu beachten und dem Gesetz gemäß mit ihnen vorzugehen. Daß die Kirche sich an dem zwischen zwei anderen Erbsansprechern abgeführten Erbrechtsstreit nicht beteiligte und daß an sie vor der Zuschrift vom 17. April 1948 eine Aufforderung nach § 75 AußstrG. nicht erlassen worden war, schloß nicht aus, daß nunmehr im Sinne dieser Gesetzesstelle an die durch das Testament vom 20. November 1940 zur Erbfolge berufene Kirche zu Handen des erzbischöflichen Ordinariats eine solche Aufforderung zu richten war. Wenn nun der Gerichtskommissär in seinem aufklärenden Bericht zur Rechtfertigung der unterbliebenen Vorlage der Erklärung des erzbischöflichen Ordinariats vom 29. April 1948 darauf hinweist, daß dieses Schreiben nicht den Bestimmungen der §§ 799, 800 ABGB., § 121 AußstrG. entsprochen habe, und daß die Abgabe der Erbserklärung bei Durchführung der Abhandlung durch einen Gerichtskommissär nach § 116 AußstrG. zu Protokoll erfolge, die Finanzkammer ihn aber mit Schreiben vom 12. Mai 1948 verständigt habe, daß die Abhandlung von der Finanzkammer direkt durchgeführt werde, so daß die Voraussetzungen für eine schriftliche Abhandlungspflege nach § 117 AußstrG. vorgelegen hätten und er auf die entsprechenden schriftlichen Anträge und Erklärungen der Erzdiözese warten durfte, so kann dies aus mehrfachen Gründen nicht für richtig gelten.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß nach dem früher Gesagten die Kirche nunmehr nicht mehr durch die Finanzprokuratur vertreten ist, wie dies früher nach § 2 Z. 9 der Dienstinstruktion für die k. k. Finanzprokuratur (Vdg. vom 9. März 1898, RGBl. Nr. 41) und nach der Vdg. vom 11. Juni 1902, JMVBl. Nr. 27, der Fall war. Sie gehört daher zu jenen Erben, die "nicht mit einem rechtskundigen Sachwalter versehen sind" (§ 116 AußstrG.). Die Rechtsstelle der Finanzkammer ist nicht im Sinne des § 116 AußstrG. als rechtskundiger Sachwalter anzusehen. Erst in seinem Rekurs bedient sich das erzbischöfliche Ordinariat zum erstenmal eines Rechtsanwaltes als Machthaber. Es war darum vom Gericht, bzw. Gerichtskommissär das Ordinariat, bzw. die Finanzkammer über die gesetzlichen Folgen der bedingten und unbedingten Erbserklärung und die Vorschrift des § 121 AußstrG. im Zusammenhalt mit §§ 799, 800 ABGB. zu belehren und sodann ihre Erbserklärung zu Protokoll zu nehmen. Daran konnte auch die spätere Erklärung des erzbischöflichen Ordinariats, bzw. der Finanzkammer vom 12. Mai 1948, daß das erzbischöfliche Ordinariat, vertreten durch die Finanzkammer, die Abhandlung "direkt durchführen werde", nichts ändern. Der Oberste Gerichtshof verweist aber auch auf die Bestimmung des § 92 AußstrG., die nicht aufgehoben ist, wonach ein Inventar von Amts wegen aufzunehmen ist, wenn die Erbschaft einer Kirche zufällt. Wenn also auch nach Aufhebung der die Vertretung der Kirche durch die Finanzprokuratur regelnden Bestimmungen nicht mehr diese Behörde zur Abgabe einer Erbserklärung berufen ist, sondern die Kirche selbst durch ihre organisationsgemäßen Organe, so bewirkt doch § 92 Abs. 2 Z. 2
ußstrG., daß für die Kirche eine andere als eine bedingte Erbserklärung nicht in Betracht kommt und daß in ihrem Falle jede Erbserklärung immer die Folgen einer bedingten besitzt, weil das Inventar von Amts wegen zu errichten ist (Rintelen, S. 65). In diesem Umfang gehört die Kirche noch immer zu den unter dem besonderen Schutz der Gesetze stehenden Rechtssubjekten.
Die schriftliche Erbserklärung der Kirche vom 29. April 1948 war also, allenfalls nach Verbesserung und Ergänzung im Sinne der §§ 799, 800 ABGB., § 121 AußstrG., vom Gerichtskommissär der Nachlaßabhandlung zugrunde zu legen. Es wäre daraufhin voraussichtlich abermals zu einem Verfahren nach §§ 125 ff. AußstrG. wegen Vorliegens widersprechender Erbserklärungen gekommen.
Die Ansicht des Revisionsrekurses, es fänden nicht die §§ 75, 115 bis 117 AußstrG., sondern die Vorschrift des § 124 AußstrG. auf den vorliegenden Fall Anwendung, ist unhaltbar. § 124 setzt voraus, daß die Erbschaft auf Grund des Gesetzes abzuhandeln ist und das nächste oder ausschließliche Recht des angeblichen Erben zweifelhaft ist. Bei Vorliegen eines nicht offenbar ungültigen letzten Willens vom 20. November 1940 ist es aber noch ungewiß, ob die Verlassenschaft auf Grund des Gesetzes oder nicht etwa jenes Testamentes abzuhandeln sein wird, und erst die Durchführung eines Erbrechtsstreites wird letztlich darüber entscheiden.
Anmerkung
Z23005Schlagworte
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ECLI:AT:OGH0002:1950:0020OB00031.5.0117.000Dokumentnummer
JJT_19500117_OGH0002_0020OB00031_5000000_000