TE OGH 1950/1/25 2Ob40/50

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Veröffentlicht am 25.01.1950
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Norm

Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897. DRGBl. S. 219 §335
Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897. DRGBl. S. 219 §336
Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897. DRGBl. S. 219 §337
Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897. DRGBl. S. 219 §340
Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897. DRGBl. S. 219 §370
Vierte Einführungsverordnung zum Handelsgesetzbuch Art7 Nr. 25

Kopf

SZ 23/12

Spruch

Grenzen der Gewinn- und Verlustbeteiligung des stillen Gesellschafters.

Vorgang der Auseinandersetzung bei Auflösung der stillen Gesellschaft.

Entscheidung vom 25. Jänner 1950, 2 Ob 40/50. I. Instanz:

Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Die Unterinstanzen haben festgestellt, daß der Beklagte im Jahre 1943 das Unternehmen samt Einrichtung, welches einen Teil des vom Deutschen Reich eingezogenen Vermögens der nach dem Heimtückegesetz verurteilten Vorbesitzerin gebildet hatte, vom Oberfinanzpräsidenten Wien-Niederdonau um 23.000 RM käuflich erworben hat und daß der Kläger dem Beklagten damals einen Betrag von 30.000 RM in der Form einer Einlage in die gleichzeitig zwischen den Prozeßparteien errichtete stille Gesellschaft zur Verfügung stellte, aus welchem zunächst der Kaufpreis von 23.000 RM bezahlt wurde. Der Rest von 7.000 RM diente als Betriebskapital für das Unternehmen. Im Gesellschaftsvertrag war vorgesehen, daß der Kläger mit 50 % am Gewinn und Verlust beteiligt sein solle.

Ferner wurde festgestellt, daß der Beklagte durch rechtskräftiges Erkenntnis der Rückstellungskommission verpflichtet wurde, die gesamte Einrichtung, wie sie liegt und steht, der seinerzeitigen Eigentümerin zurückzugeben, u. zw. ohne Gegenleistung. Diese Rückstellung wurde bereits durchgeführt und vom früheren Betriebsvermögen verblieb in der Verfügungsgewalt des Beklagten nur ein auf Bankkonto erliegender Betrag von 871 S.

Das Klagebegehren war gerichtet auf Feststellung, daß die mit Vertrag vom 29. November 1943 zwischen dem Kläger und dem Beklagten errichtete stille Gesellschaft aufgelöst sei, und auf Rückzahlung der Einlage im Betrage von 30.000 S samt Anhang, weil die Gesellschaft durch Vereitlung des vereinbarten Zweckes (Art. 7 Nr. 25 der 4. V. zur Einführung handelsrechtlicher Vorschriften vom 24. Dezember 1938, DRGBl. I S. 1999) ihr Ende gefunden habe.

Da der Beklagte mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Volksgericht auch zum Vermögensverfall verurteilt wurde, schloß sich der Bundesschatz, vertreten durch die Finanzprokuratur, dem Rechtsstreit als Nebenintervenient auf Seite des Beklagten an.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren hinsichtlich der begehrten Feststellung zur Gänze, dem Leistungsbegehren hinsichtlich des Teilbetrages von 15.000 S zuzüglich des halben Bankkontos von 435.50 S, insgesamt also von 15.435.50 S samt Anhang, Folge und wies das restliche Klagebegehren ab.

Während der Kläger diesen Spruch unangefochten ließ, ergriffen der Beklagte und der Nebenintervenient gegen das Urteil Berufung, der das Berufungsgericht jedoch nicht Folge gab.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes hatte nur mehr der Beklagte Revision ergriffen.

Der Oberste Gerichtshof hat dieser Revision nicht Folge gegeben.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Während der Erstrichter sich im wesentlichen nur mit der Berechnung der Vermögensgrundlage befaßt und mit Billigung des Berufungsgerichtes festgestellt hat, daß bei der Verlustberechnung nur von dem durch den Kläger als Einlage eingebrachten Kapital von 30.000 S auszugehen ist, und weiter, daß dieser Verlust nicht etwa im Rahmen des Betriebes eingetreten ist, der im Gegenteil durchaus aktiv war, sondern sich als ein durch die Rückstellung des Unternehmens an die geschädigte Eigentümerin herbeigeführter Totalverlust des Kapitals darstelle, hat er zur Rechtsfrage nicht näher Stellung genommen. Er geht vielmehr offenkundig davon aus, daß der Kläger die Hälfte dieses Verlustes zu tragen habe, wendet demnach die Bestimmungen des Gesellschaftvertrages auf den vorliegenden Streit an.

Auch die Berufungen des Beklagten und des Nebenintervenienten bekämpften nur die Berechnungsgrundlage vor allem in der Richtung, ob sie im Hinblick auf die vom Beklagten behaupteten Aufwendungen von 15.000 RM bis 20.000 RM und die Einbringung der Mietrechte und Gewerbeberechtigung in die Gesellschaft nicht höher, nämlich mit 86.000 S anzunehmen sei, und der Kläger demgemäß die Hälfte des Verlustes, also 43.000 S wenigstens, bis zur Höhe seiner Einlage von 30.000 S zu tragen habe. Mit der Frage, ob der Kläger überhaupt für den Totalverlust des Kapitals durch die Rückstellung des Unternehmens an die geschädigte Eigentümerin aufzukommen habe, beschäftigten sich weder der Erstrichter noch die Berufungen, bzw. die Berufungsmitteilung des Klägers.

Das Berufungsgericht hat in seiner Entscheidung die Rechtsfrage schärfer herausgearbeitet und den Satz aufgestellt, daß der stille Gesellschafter nur am Gewinn und Verlust des Handelsunternehmens beteiligt ist, der sich aus dem Betriebe des Handelsgewerbes ergibt, demnach nur am Betriebsgewinn und -verlust, nicht aber an einem sonstigen Gewinn oder Verlust am Gesellschaftsvermögen, weil dieses gemäß § 335 HBG. im Alleineigentum des Inhabers des Handelsgewerbes steht, in dessen Vermögen auch die vom stillen Gesellschafter geleistete Einlage nach dem Gesetz übergeht. Dieser sei weder Mitinhaber des Handelsgeschäftes, noch des Gesellschaftsvermögens, sondern nur Gläubiger des Inhabers des Unternehmens hinsichtlich des ihm gebührenden Gewinnanteiles und bei Auflösung der Gesellschaft hinsichtlich seiner Einlage, soweit diese nicht durch seinen Anteil am Betriebsverlust vermindert oder aufgezehrt worden ist (§ 337 HGB.).

An Werterhöhungen oder Vermögensverlusten, die auf Umstände zurückgehen, die mit dem Betriebe des Handelsgewerbes nichts zu tun haben, nehme der stille Gesellschafter somit nicht teil. Solche Verluste beeinträchtigen darum auch nicht seine Forderung auf Rückstellung der vollen Vermögenseinlage, sofern sie nicht durch Betriebsverluste geschmälert wurde. Da nun das Erstgericht in Übereinstimmung mit den Ergebnissen des Beweisverfahrens festgestellt hat, daß während des Betriebes des klagsgegenständlichen Unternehmens durch den Beklagten (bzw. dessen Gattin) keine Betriebsverluste eintraten, ja vielmehr das Geschäft gut ging, stehe fest, daß eine Verminderung der Einlage des Klägers durch Betriebsverluste nicht erfolgte, u. zw. bis zum Zeitpunkt der faktischen Rückübergabe des Betriebes an die geschädigte Eigentümerin im April 1945. Es war in diesem Zeitpunkt sogar noch ein Barbetrag von 1500 RM vorhanden, den der Geschäftsführer der geschädigten Eigentümerin übergab, nachdem er weitere Aktiven zur Begleichung von Steuer- und Krankenkassenschulden verwendet hatte.

Da somit feststehe, daß der Verlust des Unternehmens, also des Geschäftsvermögens, in welchem die Einlage des Stillen inbegriffen war, keinesfalls auf Betriebsverluste zurückzuführen ist, ergebe sich, daß es sich um einen Verlust des Geschäftsvermögens handle, der auf außerhalb des Betriebes liegende Umstände zurückgehe und für den der Kläger nicht aufzukommen habe.

Dem Kläger stehe darum der Anspruch auf Rückstellung der vollen Vermögenseinlage zu, ohne daß es nötig wäre zu prüfen, ob und inwieweit der Beklagte allenfalls auch noch aus eigenem Vermögen Beiträge zum Anlagevermögen des Betriebes geleistet hat, die gleichzeitig verlorengegangen sind.

Da der Kläger aber gegen die teilweise Abweisung seines Begehrens kein Rechtsmittel ergriffen hat, konnte das Berufungsgericht nur das Ersturteil bestätigt, da den Berufungswerbern keinesfalls ein Beschwerderecht zustehe, insofern dem Kläger nur die Hälfte der Einlage zugesprochen wurde.

Gegen diese durch Zitate aus der Literatur zum HGB. gestützten Rechtsausführungen polemisiert die Revision vergeblich mit dem Hinweis darauf, daß ein Totalverlust eingetreten sei, an dem, aus was immer für Ursachen er erfolgte, der Kläger vertragsmäßig mit der Hälfte teilzunehmen habe.

Es genügt, auf die durchaus zutreffenden, von der Revision nicht widerlegten Gründe des Berufungsgerichtes hinzuweisen, aus denen dessen Urteil zu bestätigen ist.

Lediglich zu ihrer Unterstützung sei noch auf die Ausführungen im Kommentar Schlegelberger (1939) zu § 337, S. 774, verwiesen. Aus ihnen geht hervor, daß zunächst zwischen dem betriebsfremden Privatvermögen des Inhabers und dem bei der Gewinn- und Verlustermittlung allein zu berücksichtigenden Geschäftsvermögen zu unterscheiden ist. Aber auch dessen Entwicklung kann nicht ohne weiteres der Gewinn- und Verlustberechnung für den stillen Gesellschafter zugrunde gelegt werden, weil dieser nur an dem Gewinn und Verlust des Handelsgewerbes, nicht aber am Gewinn und Verlust des Geschäftsvermögens beteiligt ist. Es müssen darum bei der Berechnung alle Veränderungen des Geschäftsvermögens ausgeschaltet werden, die nicht aus dem Betrieb des Handelsgewerbes herrühren, sondern auf anderen, nicht mit diesem zusammenhängenden Ursachen beruhen. Dies wirkt sich vor allem beim Anlagevermögen aus. Gewinne und Verluste, die sich aus Wertsteigerungen und -verminderungen desselben ergeben, berühren den stillen Gesellschafter nicht (Anm. 5). Bei der Auseinandersetzung anläßlich der Auflösung der stillen Gesellschaft ist eine Bilanz zu errichten (§ 340 HGB.), welche den Charakter einer Ertragsbilanz, nicht einer Vermögensbilanz besitzt, weil sie die Feststellung der Geschäftergebnisse des letzten Jahres bis zur Auflösung bezweckt. Eine Vermögensbilanz ist nicht aufzunehmen, weil der stille Gesellschafter keinen Anteil am Vermögen des Handelsgeschäftes hat und die Feststellung des wahren Vermögens für sein Auseinandersetzungsguthaben darum unnötig ist (ebenda, Anm. 6 zu § 340). Bei der Aufstellung der Bilanz sind die früher angeführten Grundsätze zu beachten und demgemäß nur der aus dem Gewerbebetrieb sich ergebende Gewinn und Verlust zu berücksichtigen, nicht aber Wertveränderungen, die auf anderen, betriebsfremden Gründen beruhen (Anm. 6 ebenda).

Diese auch der deutschen Judikatur zum HGB. entsprechenden Rechtssätze werden auch in dem Kommentar der Reichsgerichtsräte (1942), II., § 337, Anm. 4, 16 (S. 674, 677) vertreten, wenn es dort heißt: "Es ist nur zu ermitteln, ob .... ein Vermögenszuwachs oder - verlust eingetreten ist, der in dem Geschäftsbetrieb seine Ursache hat (nicht in Vermögensvermehrungen oder -verminderungen, die nur den Inhaber treffen)."

Auf demselben Standpunkt steht auch der Kurzkommentar von Baumbach (1943) zu § 336, 1) B, und vor allem zu § 340, 2) B: "Da der Stille nur am Betriebsgewinn und -verlust beteiligt ist ..., bedarf es regelmäßig keiner Neubewertung".

Die angefochtene Entscheidung entspricht darum der Sach- und Rechtslage, so daß der Revision ein Erfolg versagt bleiben muß.

Anmerkung

Z23012

Schlagworte

Auflösung der stillen Gesellschaft, Auseinandersetzung, Auseinandersetzung bei Auflösung der stillen Gesellschaft, Gesellschaft stille Auseinandersetzung bei Auflösung, Gesellschafter stiller, Gewinn- und Verlustbeteiligung, Gewinnbeteiligung des stillen Gesellschafters, Stille Gesellschaft Auseinandersetzung bei Auflösung, Stille Gesellschaft Gewinn- und Verlustbeteiligung, Verlustbeteiligung des stillen Gesellschafters

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1950:0020OB00040.5.0125.000

Dokumentnummer

JJT_19500125_OGH0002_0020OB00040_5000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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