TE OGH 1950/2/1 1Ob623/49

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Veröffentlicht am 01.02.1950
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Norm

Deutsche Zivilprozeßordnung §319
ZPO §416
ZPO §419
ZPO §423
ZPO §424
ZPO §468
ZPO §500
ZPO §505

Kopf

SZ 23/16

Spruch

Im Falle der Berichtigung eines Urteiles (§ 419 ZPO.) beginnen die Rechtsmittelfristen erst mit der Zustellung der berichtigten Urteilsausfertigung (Spruch Nr. 8 neu).

Entscheidung vom 1. Februar 1950, 1 Ob 623/49.

I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Das Landesgericht f. ZRS. Wien als Berufungsgericht hat mit Urteil vom 8. September 1949 der von der gekundigten Partei erhobenen Berufung gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 18. Juli 1949 keine Folge gegeben und das angefochtene Urteil bestätigt. Hiebei unterblieb der gemäß § 500 Abs. 3 ZPO. vorgeschriebene Ausspruch, ob die Revision für zulässig erklärt werde.

Dieses Urteil wurde der gekundigten Partei am 19. September 1949 zugestellt.

Mit Beschluß des Landesgerichtes f. ZRS. Wien vom 26. September 1949 wurde dieses Urteil gemäß § 419 Abs. 1 ZPO. dahin berichtigt, daß der Absatz eingefügt wurde: "Die Revision wird für zulässig erklärt (§ 500 Abs. 3 ZPO.)".

Dieser Beschluß wurde der gekundigten Partei am 5. Oktober 1949 zugestellt, worauf sie am 10. Oktober 1949 die Revision überreichte.

Die Revision wurde vom Erstgericht als unzulässig zurückgewiesen mit der Begründung, daß nach der ständigen Rechtsprechung Berichtigungen nach § 419 ZPO. keine neuen Rechtsmittelfristen in Lauf setzen.

Dem gegen diesen Beschluß erhobenen Rekurs der gekundigten Partei hat das Rekursgericht Folge gegeben, den angefochtenen Beschluß aufgehoben und das Erstgericht angewiesen, die Revision gesetzmäßig zu erledigen. In den Gründen wird ausgeführt, die Zurückweisung der Revision gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wegen "Unzulässigkeit" stehe im Widerspruch mit dem Berichtigungsbeschluß. Wenn jedoch das Erstgericht, wie aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses hervorgehe, vermeinte, daß die Revision "verspätet" sei, hätte es sie als verspätet zurückweisen müssen, wobei sich jedoch das Erstgericht in einem Rechtsirrtum befunden hätte. Denn da die Revision innerhalb der Revisionsfrist nach Zustellung des Berichtigungsbeschlusses eingebracht wurde, könne sie nicht als verspätet bezeichnet werden. Maßgebend für den Beginn des Laufes der Rechtsmittelfrist könne nur die Zustellung des berichtigten Urteils sein, denn nur dieses drücke den wahren richterlichen Willen aus und stelle erst die vollständige richterliche Entscheidung dar, die erst mit der Zustellung an die Parteien wirksam werden könne. Im vorliegenden Falle habe die Berichtigung des Urteils erst den Weg für die Einbringung der Revision eröffnet und konnte Beklagter erst dann die ihm gebotene Revisionsmöglichkeit ausnützen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der klagenden Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Revisionsrekurs wird dahin ausgeführt, das Urteil des Berufungsgerichtes vom 8. September 1949 sei unvollständig gewesen und liege daher ein Mangel im Sinne des § 423 ZPO. vor, der im Wege eines Ergänzungsurteils gemäß der §§ 423 und 424 ZPO. zu erledigen gewesen wäre, wobei im Sinne der letztgenannten Gesetzesstelle ein Einfluß auf den Lauf der Rechtsmittelfrist nicht statthabe. Die Revision wäre daher acht Tage nach Zustellung des ursprünglichen Urteiles - erfolgt am 19. September 1949 - einzubringen gewesen, die Revision vom 19. Oktober 1949 sei daher verspätet.

Dem Revisionsrekurs kann Berechtigung nicht zuerkannt werden. Der Rechtsmittelwerber übersieht, daß eine Ergänzung des Urteiles gemäß der §§ 423 und 424 ZPO. nur dann in Frage kommt, wenn darin ein Anspruch - d. i. das Recht, worüber eine Entscheidung begehrt wird - übergangen oder wenn in einem Urteil über die von einer Partei begehrte Erstattung der Prozeßkosten nicht oder nur unvollständig erkannt wurde. Im gegebenen Falle handelt es sich jedoch um die Beifügung einer gesetzlich vorgeschriebenen Klausel, nicht um einen Anspruch der Partei.

Wie weiter durch den Bericht des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 23. Jänner 1950 festgestellt ist, handelt es sich im gegebenen Falle um die Berichtigung der Auslassung der an sich beschlossenen Revisionszulassung.

Es liegt somit entgegen der Rechtsmeinung des Rechtsmittelwerbers der Fall einer echten Berichtigung vor.

Im Falle der Berichtigung eines Urteiles (§ 419 ZPO.) beginnen die Rechtsmittelfristen, wie die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 1. Juni 1920, R I 105/20 (Spruchrepertorium Nr. 8 neu), ausspricht, erst mit der Zustellung der berichtigten Urteilsausfertigung.

Der Oberste Gerichtshof findet keinen Anlaß, von dieser bewährten Rechtsanschauung, welche durch die Bedürfnisse des Rechtslebens gedeckt ist, abzugehen. Die gegenteilige Auffassung, welche in der Entscheidung des Reichsgerichtes vom 1. Dezember 1943, DR. 1943, EvBl. Nr. 89, zum Ausdruck gelangt ist, hatte ihre Grundlage in dem Bestreben, sich der ständigen, im sogenannten Altreich geübten Rechtsprechung zu § 319 RZPO. anzugleichen, wobei die von ihr selbst als sehr beachtlich anerkannten Gründe des Spruchrepertoriums Nr. 8 neu dieser Einheitlichkeit zum Opfer gebracht wurden.

Leitender Grundsatz ist, daß nur die Zustellung des berichtigten Urteiles maßgebend sein kann, weil nur dieses den wirklichen Ausdruck des richterlichen Willens, die wirkliche richterliche Entscheidung, darstellt, welche den Parteien gegenüber wirksam werden soll und erst mit ihrer Zustellung an die Parteien wirksam werden kann (§ 416 ZPO.).

Es war daher wie im Spruche zu entscheiden.

Anmerkung

Z23016

Schlagworte

Berichtigung eines Urteils, Rechtsmittelfrist, Berufungsfrist bei Urteilsberichtigung, Rechtsmittelfrist bei Urteilsberichtigung, Revisionsfrist bei Urteilsberichtigung, Urteilsberichtigung, Rechtsmittelfrist

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1950:0010OB00623.49.0201.000

Dokumentnummer

JJT_19500201_OGH0002_0010OB00623_4900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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