Norm
Mietengesetz §19 Abs2 Z13Kopf
SZ 23/49
Spruch
Wurden eine Wohnung und ein damit in unmittelbarer Verbindung stehendes Geschäftslokal mit einheitlichem Mietvertrag in Bestand genommen und benützt der Mieter nur die Wohnräume, nicht aber den Geschäftsraum zur regelmäßigen geschäftlichen Betätigung, so ist aus dem Kündigungsgrunde des § 19 Abs. 2 Z. 13 MietG. in der Regel nur eine Teilkündigung in Ansehung des Geschäftslokales zulässig, es sei denn, daß die Wohnräume nur eine Nebensache darstellen, die zur besseren Benützung des Geschäftslokales bestimmt ist.
Entscheidung vom 1. März 1950, 3 Ob 70/50.
I. Instanz: Bezirksgericht Hernals; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Die Kläger kundigten den der Beklagten vermieteten Bestandgegenstand, bestehend aus Zimmer, Küche und Geschäftslokal, unter Geltendmachung des Kündigungsgrundes des § 19 Abs. 2 Z. 13 MietG. mit der Begründung auf, das Geschäftslokal werde nicht zu regelmäßiger geschäftlicher Betätigung verwendet.
Das Prozeßgericht erkannte die Kündigung für rechtswirksam. Es stellte fest, daß das gesamte Bestandobjekt mit einem einheitlichen Mietvertrag der Beklagten vermietet und vereinbart worden sei, das Geschäftslokal lediglich bis zu Beginn des Krieges als solches in Gebrauch stand und seither überhaupt nicht mehr zu geschäftlichen Zwecken verwendet wurde. Das Prozeßgericht vertrat die Rechtsmeinung, daß infolge der Einheitlichkeit des Bestandvertrages der gesamte Bestandgegenstand vom Kündigungsgrunde betroffen werde.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und erklärte die Revision für zulässig. Es stellte sich auf den Standpunkt, daß in Fällen, in denen ein Geschäftslokal und eine Wohnung einheitlich gemietet wurden, der Kündigungsgrund nach § 19 Abs. 2 Z. 13 MietG. gegeben sei, wenn entweder das Geschäftslokal nicht zu regelmäßiger geschäftlicher Betätigung oder die Wohnung nicht zur Befriedigung regelmäßigen Wohnens verwendet wird, es sei denn, daß der eine oder andere Teil im Rahmen des ganzen Bestandverhältnisses eine ganz untergeordnete Rolle spiele. Im vorliegenden Falle sei der Geschäftsraum eher der wichtigere und wertvollere Teil des Bestandgegenstandes, weil er die Existenzgrundlage bilden sollte. Eine Teilkündigung erscheine unwirtschaftlich, die Kündigung diene auch öffentlichen Interessen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei Folge, hob die Urteile der Untergerichte auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsfällung an das Prozeßgericht zurück.
Rechtliche Beurteilung
Begründung:
Die Bestimmung des § 19 Abs. 2 Z. 13 MietG. kann nur dahin verstanden werden, daß die Nichtverwendung des gesamten Bestandgegenstandes zum widmungsgemäßen Zwecke einen Kündigungsgrund nach der bezogenen Gesetzesstelle bildet. Besteht ein einheitlicher Bestandgegenstand aus einer Wohnung und einem Geschäftslokal, so ist der angeführte Kündigungsgrund in der Regel nur dann bezüglich des ganzen Bestandobjektes gegeben, wenn die Wohnung nicht zur Befriedigung regelmäßigen Wohnbedürfnisses und die Geschäftsräume nicht zur regelmäßigen geschäftlichen Betätigung verwendet werden, denn nach der- bezogenen Gesetzesstelle soll der Schutz des Mietengesetzes solchen Bestandobjekten nicht zugute kommen, hinsichtlich deren ein schutzbedürftiges Interesse fehlt, die also nicht für den Zweck, zu welchem sie bestimmt sind, verwendet werden. Daß die Beklagte den Teil des Bestandgegenstandes, der zur Befriedigung ihres Wohnbedürfnisses dient, nicht zu diesem Zwecke verwendet, haben die Kläger nicht einmal behauptet. Es ergibt sich vielmehr im Gegenteil aus dem Verfahren, daß die Wohnräume von der Beklagten zum erwähnten Zwecke verwendet werden. Hinsichtlich der Wohnräume besteht also ein schutzbedürftiges Interesse der Beklagten.
Es kann auch die Meinung des Berufungsgerichtes nicht geteilt werden, daß im gegebenen Falle der Geschäftsraum der wichtigere und wertvollere Teil des Bestandgegenstandes sei, weil dieser die Existenzgrundlage bilden solle; denn es handelt sich im vorliegenden Falle um einen einzigen Geschäftsraum und um eine der Größe der Familie der Mieterin entsprechende Wohnung, das Wohnbedürfnis ist bei Abschluß des Mietvertrages zumindest ebenso groß gewesen wie der Bedarf nach einer Existenzgrundlage, die das Geschäftslokal bilden sollte. Durch die Auflassung des Geschäftes ist nunmehr der Wohnbedarf der überwiegende; dies ist hinsichtlich der Wohnräume von den Klägern gar nicht bestritten worden; die Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 Z. 13 MietG. sind daher bezüglich der Wohnräume nicht gegeben. Nur dann, wenn die Wohnräume einen Annex des Geschäftslokales bilden, eine Nebensache, die zur besseren Benützung des Geschäftslokales bestimmt ist, oder in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Geschäftsbetrieb dienenden Zwecken stehen, allenfalls auch, wenn die Geschäftsräume an Ausdehnung und Bedeutung wesentlich größer sind als die Wohnräume, ist der Kündigungsgrund auch hinsichtlich der Wohnräume gegeben, wenn das Geschäftslokal nicht zu regelmäßiger geschäftlicher Tätigkeit verwendet wird.
Diese Voraussetzungen treffen aber hier nicht zu. Ob die Zerreißung der Wohnung und des angeschlossenen Geschäftslokales unwirtschaftlich ist oder nicht, ob öffentliche Interessen für die Aufrechterhaltung der Kündigung des gesamten Bestandgegenstandes sprechen, ist für die Frage, ob die Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 Z. 13 MietG. gegeben sind, ohne Bedeutung, da es in diesem Falle lediglich auf die Nichtbenützung zum bestimmten Zweck, nicht aber auf Erwägungen wirtschaftlicher Natur ankommt.
Da, wie sich aus diesen Ausführungen ergibt, die Voraussetzungen des geltend gemachten Kündigungsgrundes nur hinsichtlich des Geschäftslokales gegeben sind, ist die Frage zu prüfen, ob gemäß § 22 Abs. 2 MietG. von Amts wegen die Kündigung hinsichtlich des Geschäftslokales als wirksam erkannt werden kann. Daß ein derartiger Ausspruch zulässig ist, obwohl die Kündigung auf keinen der im Abs. 1 des § 22 MietG. angeführten Kündigungsgrunde gestützt wird, ist sowohl von der Lehre als auch von der Rechtsprechung anerkannt (Swoboda, Komm. zum MietG., 1. Aufl., S. 288 und 291; Sternberg, Das Mietengesetz, S. 491; Ohmeyer, Mieterschutz und Schutzbedürfnis des Mieters, GZ. 1930, S. 21; ZBl. 1924, Nr. 183, und 1938, Nr. 122; SZ. V/275, SZ. VIII/238; GH. 1930, S. 71; 1 Ob 413/31, Sternberg, Neueste Rechtsprechung zum MietG., I. Teil, Nr. 434, die sich auf einen ähnlich gelagerten Fall bezieht, II. Teil, Nr. 1368 u. a. m.).
Von ihrer unrichtigen Rechtsansicht ausgehend, haben die Untergerichte nicht geprüft, ob Wohnung und Geschäftslokal abgesondert benutzbar sind oder ohne verhältnismäßige Schwierigkeiten benutzbar gemacht werden können und ob die Klägerinnen mit einer Teilkündigung einverstanden sind. Da somit der Oberste Gerichtshof nicht in der Lage ist, in der Sache selbst eine Entscheidung zu fällen, war der Revision Folge zu geben, die Urteile der Vorinstanzen gemäß § 510 ZPO. aufzuheben und die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens im angeführten Sinne und zur neuerlichen Entscheidung an das Prozeßgericht zurückzuverweisen.
Anmerkung
Z23049Schlagworte
Geschäftsraum samt Wohnung, Teilkündigung, Kündigung teilweise Nichtbenützung des Bestandobjektes, Mietvertrag über Wohnung samt Geschäftslokal, Teilkündigung, Teilkündigung bei Wohnung samt Geschäftslokal, Wohnung samt Geschäftslokal, TeilkündigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1950:0030OB00070.5.0301.000Dokumentnummer
JJT_19500301_OGH0002_0030OB00070_5000000_000