Norm
Angestelltengesetz §20Kopf
SZ 23/52
Spruch
Die Erklärung eines Notariatssubstituten, eine Angestellte der Notariatskanzlei zu den gleichen Bedingungen zu übernehmen, enthält noch kein Anerkenntnis, ihr auch die Vordienstzeit anzurechnen.
Entscheidung vom 6. März 1950, 4 Ob 3/50.
I. Instanz: Arbeitsgericht Amstetten; II. Instanz: Kreisgericht St. Pölten.
Text
Der Beklagte ist im Oktober 1945 zum Notariatssubstituten in X. bestellt worden. Die Klägerin war damals bereits mehr als 25 Jahre im dortigen Notariate angestellt; ihr letzter Dienstgeber zahlte ihr monatlich 3O0 RM netto; außerdem hatte sie vertragliche Ansprüche auf eine Weihnachtsremuneration in der Höhe eines Monatsgehaltes. Am 20. November 1945 vereinbarte der Kläger mit der Beklagten mündlich und schriftlich, daß er sie, solange er in X. Notariatssubstitut oder Notar sei, nicht kundigen werde und daß er sie unter den gleichen Bedingungen, unter denen sie bei ihrem letzten Dienstgeber angestellt gewesen sei, nämlich mit einem monatlichen Nettogehalt von 300 RM und einer Weihnachtsremuneration in der gleichen Höhe, übernehme. Am 26. Februar 1946 mußte die Klägerin auf Grund eines Befehles der Ortskommandantur als ehemaliges Mitglied der NSDAP. außer Dienst gestellt werden; trotzdem führte sie in der Folge Angestellte, die der Beklagte für die Notariatskanzlei neu aufgenommen hatte, ein und erledigte in ihrer Wohnung zum Teil auch noch Akten des Beklagten. Dieser zahlte ihr, solange er das Notariat in X. substituierte, monatlich 150 S, stellte diese Zahlung mit 30. September 1946 ein, an welchem Tag seine Tätigkeit in X. beendet war, und meldete am gleichen Tag die Klägerin, deren Dienstvertrag bis dahin ungekundigt geblieben war, beim Arbeitsamt ab. Der neuernannte Notar nahm die Klägerin nicht in seine Dienste.
Das Arbeitsgericht hat die von der Klägerin aus ihrem Angestelltenverhältnis gegen den Beklagten erhobenen Ansprüche lediglich mit einem Betrage von 3600 S, den sie unter Zugrundelegung einer Dienstzeit von mehr als 25 Jahren als Abfertigung begehrt hatte, für berechtigt erkannt.
Das Berufungsgericht, das beide Parteien angerufen hatten, hat der Berufung der Klägerin insoweit Folge gegeben, als es ihr noch zusätzlich die Differenz zwischen den vollen Dienstbezügen, die ihr in der Zeit vom 1. März bis 30. September 1946 zugestanden wären, und den vom Beklagten geleisteten Zahlungen (2100 S weniger 1050 S, somit restliche 1050 S), ferner die Kündigungsentschädigung für fünf Monate (1500 S) und die Weihnachtsremuneration 1945 (300 S) zugesprochen hat; der Berufung des Beklagten ist ein Erfolg versagt geblieben, wenngleich dies im Urteil nicht ausdrücklich erklärt worden ist.
Der Oberste Gerichtshof hat auf Grund der Berufung des Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichtes wiederhergestellt.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Bei der Prüfung, ob die Ansprüche der Klägerin, über die das Berufungsgericht im abändernden Sinne entschieden hat, zunächst dem Gründe nach berechtigt sind, ist davon auszugehen, daß dem Beklagten nach den Feststellungen der Vorgerichte die Zugehörigkeit der Klägerin zur NSDAP. bekannt gewesen ist und er sie in den Dienst genommen hat, ohne eine Zustimmung des Arbeitsamtes im Sinn des § 13 des Wirtschaftssäuberungsgesetzes vom 12. September 1945, StGBl. Nr. 160, einzuholen. Da jedoch nur bei Dienstnehmern, auf die § 17 des Verbotsgesetzes 1945 Anwendung zu finden hatte, der Mangel einer solchen Zustimmung die Rechtsunwirksamkeit des Dienstvertrages zur Folge hatte, der Beklagte aber lediglich behauptet hat, daß die Klägerin dem Kreis der in § 4 VerbG. 1945 bezeichneten Personen angehört hat, ist die Wirksamkeit des Vertrages der Klägerin durch den Verstoß des Beklagten gegen die gesetzliche Vorschrift nicht berührt worden. Da demnach der Dienstvertrag zu Recht bestand, kommt es nur mehr - und dies ist die entscheidende Frage in dem gegenständlichen Rechtsstreit - darauf an, ob bei den Ansprüchen der Klägerin ihre Vordienstzeit zu berücksichtigen ist oder nicht. Das Berufungsgericht hat der Rechtsauffassung des Arbeitsgerichtes beigepflichtet, daß der Beklagte, wenn er die Klägerin ohne Anrechnung der Vordienstzeit in seine Dienste nehmen wollte, dies ausdrücklich hätte erklären müssen, und daß in ihrer Übernahme "unter den gleichen Bedingungen" zumindest eine stillschweigende Fortsetzung ihres bisherigen Dienstverhältnisses gelegen gewesen sei. Das Revisionsgericht vermag sich dieser Ansicht im gegebenen, infolge der Stellung des Beklagten besonders gelagerten Fall nicht anzuschließen. Der Beklagte hatte lediglich als Substitut die Führung der Geschäfte des Notariats übernommen; seine Tätigkeit war daher, sofern er nicht im Anschluß an die Substitution zum Notar in X. ernannt worden wäre, von vornherein auf unbestimmte, jedenfalls nicht allzu lange Zeit, befristet. Mochte er vielleicht auch mit seiner Ernennung gerechnet haben, wozu allerdings nach der Zeugenaussage des Präsidenten der Notariatskammer nicht der geringste Anlaß gegeben war, so mußte er doch anderseits in Kauf nehmen, daß seine Erwartungen nicht erfüllt würden. Die Aufnahme der Klägerin ist daher in einem Zeitpunkt erfolgt, in dem er nur vorübergehend mit den Notariatsgeschäften betraut gewesen ist. Wenn ihm die Übernahme einer so weitgehenden Verpflichtung zugemutet werden soll, die mit der Anerkennung der Vordienstzeit der Klägerin auf den mit ihr geschlossenen Dienstvertrag verbunden ist und ihn möglicherweise, falls seine Substitution nur von ganz kurzer Dauer gewesen wäre, mit einer sein Reineinkommen übersteigenden Zahlung belasten konnte, hätte es nach der Ansicht des Revisionsgerichtes entweder einer ausdrücklichen oder doch beiden Teilen klar erkennbaren stillschweigenden Erklärung bedurft. In der Übernahme der Klägerin zu den bisherigen Bedingungen kann eine stillschweigende Erklärung, ihr auch die Vordienstzeit in Anrechnung zu bringen, nicht erblickt werden. Daraus, daß in der schriftlichen Fixierung des Übereinkommens der bisherige Monatsbezug sowie die Weihnachtsremuneration besonders hervorgehoben sind, ist vielmehr klar zu erkennen, daß an andere Bedingungen in diesem Zeitpunkte nicht gedacht war. Die vom Revisionsgerichte vertretene Rechtsansicht findet auch in der Bestimmung des § 23 Abs. 3 AngG. eine Bestätigung, nach der es für die Verwirkung des Anspruches eines Dienstnehmers auf Abfertigung, wenn das Unternehmen an einen anderen übertragen wird, nicht ausreicht, daß der Erwerber ihm die Fortsetzung des Dienstverhältnisses unter den bisherigen Bedingungen angeboten hat, sondern auch verlangt ist, daß sich der Erwerber verpflichtet hat, die bei seinem Vorgänger geleistete Dienstzeit als bei ihm selbst verbracht zu betrachten. Da demnach die Vordienstzeit der Klägerin bei der Beurteilung ihrer Ansprüche gegen den Beklagten nicht berücksichtigt werden kann, ist ihren Ansprüchen bloß die beim Beklagten verbrachte Dienstzeit zugrunde zu legen.
Wird aber davon ausgegangen, daß die Klägerin nicht einmal durch ein Jahr Angestellte des Beklagten gewesen ist, erübrigt sich ein Eingehen darauf, ob und in welcher Höhe ihre Ansprüche auf Gehaltsnachzahlung, Kündigungsentschädigung und Zahlung von Weihnachtsremunerationen begrundet sind; denn die von ihr hiefür begehrten Beträge sind in ihrer Gesamtheit geringer als der ihr vom Arbeitsgericht rechtskräftig zuerkannte Betrag von 3600 S, der das gesetzliche Höchstmaß der Abfertigung darstellt, während der Klägerin nach § 23 AngG. ein Anspruch auf Abfertigung gegen den Beklagten überhaupt nicht zugestanden ist.
Anmerkung
Z23052Schlagworte
Angestellte, Anrechnung der Vordienstzeit, Anrechnung der Vordienstzeit bei Angestellten, Dienstnehmer, Anrechnung der Vordienstzeit, Notariatsangestellte, Anrechnung der Vordienstzeit, Vordienstzeit, Anrechnung bei AngestelltenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1950:0040OB00003.5.0306.000Dokumentnummer
JJT_19500306_OGH0002_0040OB00003_5000000_000