TE OGH 1950/3/15 1Ob81/50

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Veröffentlicht am 15.03.1950
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Norm

Landarbeitsgesetz vom 2. Juni 1948, BGBl. Nr. 140 §75
Mutterschutzgesetz vom 17. Mai 1942. DRGBl. I S. 321 §6
ZPO §228

Kopf

SZ 23/64

Spruch

Kündigungen entgegen § 6 Mutterschutzgesetz sind wirkungslos. Feststellungsklagen auf Feststellung der Unwirksamkeit einer Kündigung sind unzulässig, wohl aber kann auf Feststellung des Fortbestandes eines Dienstverhältnisses geklagt werden, auch wenn im Zeitpunkt der Urteilsfällung erster Instanz bereits ein periodischer Gehaltsbezug mit Leistungsklage geltend gemacht werden kann.

Entscheidung vom 15. März 1950, 1 Ob 81/50.

I. Instanz: Bezirksgericht Schwaz; II. Instanz: Landesgericht Innsbruck.

Text

Nach ihrem Vorbringen ist die Klägerin seit 1. August 1943 als kaufmännische Angestellte bei der beklagten Partei beschäftigt und wurde am 30. März 1949 zum 30. Juni 1949 entgegen der Vorschrift des § 6 MutterschutzG. gekundigt, obwohl sie am 7. Dezember 1948 entbunden hat. Ihr Klagebegehren geht dahin, es werde zwischen den Streitteilen festgestellt, daß die am 30. März 1949 zum 30. Juni 1949 ausgesprochene Kündigung rechtsunwirksam sei und daß das Dienstverhältnis aufrecht weiterbestehe; sie begrundet die Zulässigkeit der Feststellungsklage damit, daß zur Zeit der Klagserhebung eine Leistungsklage mangels Fälligkeit des nächsten Monatsgehaltes noch nicht zulässig war.

Das Erstgericht gab der Klage statt.

Das Berufungsgericht hielt zwar die Kündigung für unzulässig, verneinte jedoch das Vorliegen eines rechtlichen Interesses der Klägerin an der alsbaldigen Feststellung, da zwar am 27. Mai 1949, dem Tage der Klagseinbringung, eine Leistungsklage noch nicht erhoben werden konnte, dies jedoch schon ab Juli 1949 möglich gewesen wäre, und wies daher das Klagebegehren ab.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision teilweise Folge und stellte das Weiterbestehen des Dienstverhältnisses nach dem 30. Juni 1949 fest, im übrigen gab er der Revision nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Wohl ist dem Berufungsgerichte darin beizustimmen, daß ein Interesse im Sinne des § 228 ZPO. in der Regel dann zu verneinen sein wird, wenn die aus dem festzustellenden Rechtsverhältnis oder Recht entspringende vollständige Leistung oder eine periodische Leistung zur Zeit der Klagserhebung oder bald nachher geltend gemacht und die angestrebte Feststellung auch durch einen Zwischenantrag auf Feststellung im Zuge dieses Leistungsprozesses erreicht werden kann. Dies gilt aber nicht ausnahmslos, vielmehr kann auch in solchen Fällen ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung gegeben sein, wobei allerdings die klagende Partei die besonderen Umstände anzuführen hat, aus denen sich das Vorliegen des Feststellungsinteresses ergibt (vgl. Klein, Vorlesungen, S. 194, 196, Pollak, Zivilprozeßrecht, 2. Aufl., S. 13, Neumann, Kommentar zur ZPO., II., S. 883 ff.). Im gegenständlichen Falle hat die klagende Partei in der Klage für das Bestehen dieses Interesse bloß auf die damalige Unmöglichkeit, eine Leistungsklage zu erheben, hingewiesen. Die Feststellungsklage wurde am 27. Mai 1949 eingebracht und hätte eine Leistungsklage offenbar nicht vor dem 30. Juni 1949 erhoben werden können. Hier handelt es sich jedoch um die Feststellung, daß das Dienstverhältnis trotz der für 30. Juni 1949 ausgesprochenen Kündigung auch nach diesem Tage fortbesteht. Die möglichst rasche Feststellung dieses Weiterbestehens ist für den Dienstnehmer vor allem deshalb von größter Wichtigkeit, weil er wissen muß, ob er noch zur Erfüllung seiner ihm nach dem Dienstvertrag obliegenden Leistungen verpflichtet ist und ob er sich deshalb zur Dienstleistung bereithalten muß, um sich nicht etwa der Gefahr einer Entlassung auszusetzen. Daher wurde für einen derartigen Fall das Vorliegen eines rechtlichen Interesses im Sinne des § 228 ZPO. in der Entscheidung vom 22. September 1908, GlUNF. 4326, mit Recht bejaht, welche Meinung auch von Neumann (a. a. O., S. 885) geteilt wird. Für den Dienstnehmer ist die Gewißheit über das Fortbestehen des Dienstverhältnisses aber auch für die Frage seiner sozialrechtlichen Ansprüche von Bedeutung. Es handelt sich hiebei um ein rechtliches Interesse; denn ein solches wird dann vorliegen, wenn infolge des Verhaltens der beklagten Partei nach vernünftiger Beurteilung der Situation eine erhebliche objektive Ungewißheit über den Bestand, Umfang oder die Möglichkeit der Betätigung des Rechtsverhältnisses oder des Anspruches entstanden ist, und wenn diese Ungewißheit durch die Rechtskraftwirkung des Feststellungsurteiles beseitigt werden kann. Für den Dienstnehmer wird in einem solchen Falle möglichst rasche Klärung der Rechtslage um so mehr dringend notwendig sein, weil er zumeist auf die Leistungen des Dienstgebers oder die Erfüllung etwaiger sozialrechtlicher Ansprüche angewiesen sein wird und daher eine Verzögerung der Entscheidung auch nur um einen Monat für ihn schwerwiegende Folgen nach sich ziehen kann. Die ungünstige Lage der Klägerin ergibt sich nun schon daraus, daß ihr das Armenrecht bewilligt wurde. Aus diesen Erwägungen, deren Grundlagen sich aus der Klage ergeben, muß im gegenständlichen Falle das Vorliegen eines Interesses der klagenden Partei im Sinne des § 228 ZPO. bejaht werden.

Gleichwohl ist das Feststellungsbegehren zum Teil unzulässig, nämlich soweit es auch auf die Feststellung, daß die ausgesprochene Kündigung rechtsunwirksam sei, gerichtet ist. Denn hiebei handelt es sich nicht um die Feststellung eine Rechtes oder Rechtsverhältnisses, sondern um jene der Zulässigkeit und Wirksamkeit einer Rechtshandlung. Insoweit ist daher die Abweisung des Klagebegehrens nach § 228 ZPO. gerechtfertigt. Im übrigen führt der Umstand, daß das Berufungsgericht das Vorliegen eines Feststellungsinteresses verneint hat, nicht zur Aufhebung des angefochtenen Urteiles und Zurückverweisung der Rechtssache, da alle maßgebenden Tatsachen außer Streit gestellt sind, und überdies das Berufungsgericht auch schon zur Frage der Unwirksamkeit der Kündigung nach § 6 MutterschutzG. im gleichen Sinne wie das Erstgericht Stellung genommen hat. Die Ansicht der Untergerichte, daß nach § 6 MutterschutzG. eine während der Schwangerschaft und innerhalb von vier Monaten nach der Niederkunft ausgesprochene Kündigung einer Arbeitnehmerin ohne Rücksicht darauf, zu welchem Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis enden soll, unzulässig und unwirksam ist, wird vom Obersten Gerichtshof geteilt. Es entspricht dies nicht nur dem Wortlaut des § 6 MutterschutzG., sondern, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, auch dem Sinn dieser Regelung. Der Zweck des § 6 besteht ja offensichtlich auch darin, die werdende Mutter vor der Beunruhigung einer Kündigung zu bewahren. Deshalb kann eine Kündigung in der Zeit vom Beginn der Schwangerschaft bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Niederkunft, gleichgültig wann das Dienstverhältnis endigen soll, überhaupt nicht wirksam ausgesprochen werden (vgl. H. Backendorf, Mutterschutzgesetz, S. 83 f.). Die Untergerichte haben auch zutreffend darauf hingewiesen, daß diese Regelung, wie sich aus § 75 Abs. 7 des Landarbeitsgesetzes vom 2. Juni 1948, BGBl. Nr. 140, ergibt, auch der Tendenz der österreichischen Gesetzgebung der jüngsten Zeit entspricht.

Anmerkung

Z23064

Schlagworte

Dienstverhältnis, Klage auf Feststellung des Fortbestandes, Feststellungsklage trotz Möglichkeit der Leistungsklage, Feststellungsklage Unwirksamkeit einer Kündigung, Kündigung entgegen Mutterschutzgesetz, Kündigung Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit, Mutterschutzgesetz, Kündigung entgegen -

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1950:0010OB00081.5.0315.000

Dokumentnummer

JJT_19500315_OGH0002_0010OB00081_5000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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