TE OGH 1950/3/21 2Ob26/50

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Veröffentlicht am 21.03.1950
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Waitusch als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofs Dr. Singer, Dr. Ullrich, Dr. Sommer und Dr. Bistritschan als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach Ludwig Karl P*****, infolge Revisionsrekurses der Marie K*****, vertreten durch Dr. Hildegarde Krieger, Rechtsanwältin in Wien 18, Martinstraße 83, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 8. Dezember 1949, AZ 43 R 2183/49, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Döbling vom 4. Juni 1948, GZ 6 A 599/43-22 abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Der Erstrichter erließ am 4. 6. 1948 den Beschluss, dass der überschuldete Nachlass nach Ludwig P***** der erblasserischen Lebensgefährtin Marie K***** an Zahlungsstatt überlassen und deren Eigentumsrecht an den dem Erblasser gehörigen Grundstücken aufgrund der Abhandlungsergebnisse im Grundbuch einzuverleiben sei. Aus dem Bericht des mit der Abhandlung betrauten Gerichtskommissärs Notar Dr. H***** vom 11. 2. 1944 geht hervor, dass Ludwig P***** eine damals noch mj Tochter aus einer vom Gericht in Sopron im Jahre 1927 für aufgelöst erklärte Ehe hatte, bezüglich deren Ausforschung des Aufenthalts und die Bestellung eines Kurators in Vorschlag gebracht wurde.

Aus Anlass des Rekurses des Stefan F*****, eines Onkels der erblasserischen Tochter, gegen den Beschluss vom 4. 6. 1948 verfügte das Rekursgericht die Bestellung eines Kurators für die erblasserische Tochter, dem auch der Beschluss vom 4. 6. 1948 zuzustellen sei und dem die Aufnahme der Verbindung mit der Genannten aufzutragen wäre.

Am 23. 2. 1949 wurde Notar Dr. O***** zum Kurator der abwesenden Erbin bestellt und aufgefordert binnen 14 Tagen bei Gericht zu erscheinen, um die Pflichtenangelobung zu leisten und in den Akt Einsicht zu nehmen. Am 24. 2. 1949 erschien Dr. O*****, leistete die Angelobung und erhielt laut eines Aktenvermerks vom 25. 2. 1949 den Akt zwecks Studium ausgefolgt. Er stellte schon am 24. 2. 1949 den Antrag, die von Marie K***** beantragte bücherliche Einverleibung ihres Eigentumsrechts nicht zu bewilligen, wobei er mitteilte, dass er die Verbindung mit der erblasserischen Tochter, verehelichte T*****, aufgenommen habe. Mit Eingabe ON 47 bat der Kurator am 27. 7. 1949 um seine Enthebung, da Eva T*****, deren Anschrift er bekannt gab, ihrem Onkel Stefan F***** Abhandlungsvollmacht erteilt habe. Das Erstgericht nahm diese Bevollmächtigung aufgrund der vorgelegten Urkunden zur Kenntnis und enthob Dr. O***** als Kurator. Am 8. 11. 1949 verfügte das Abhandlungsgericht über Antrag der Marie K***** die Erteilung der Rechtskraftbestätigung am Beschluss ON 22 vom 4. 6. 1948, da inzwischen der Rekurs des Stefan F***** gegen diesen Beschluss mangels Parteistellung in diesem Verfahren am 8. 3. 1949 zurückgewiesen worden war.

Mit Eingabe ON 50 gab Eva T*****, vertreten durch Stefan F*****, dieser vertreten durch Dr. B*****, die bedingte Erbserklärung ab, die mit Beschluss ON 54 zur Kenntnis genommen wurde, wobei es Dr. B***** anheim gestellt wurde, beim Bezirksgericht Eisenstadt als dem Grundbuchsgericht mit Rücksicht auf die inzwischen vollzogene Einverleibung Anträge nach § 61 GBG bzw § 7 Vdg vom 19. 1. 1942 dRGBl I/37 zu stellen.

Inzwischen hat Dr. B***** namens der Eva T***** Rekurs gegen den Beschluss ON 22 vom 4. 6. 1948 erhoben, aus einem Aktenvermerk auf dieser Rekurseingabe ON 51 ist ersichtlich, dass dem Notar Dr. O***** der Beschluss vom 4. 6. 1948 ON 22 nicht zugestellt wurde. Das Rekursgericht gab diesem Rekurs Folge, hob den angefochtenen Beschluss in dem in Betracht kommenden Punkten 1 und 4 auf, wies den Antrag der Marie K***** auf Überlassung des Nachlasses an Zahlungsstatt ab und trug dem Erstgericht auf, das Verlassenschaftsverfahren durchzuführen. In den Gründen der Entscheidung wurde darauf hingewiesen, dass schon längst ein Kurator hätte bestellt werden müssen, um den Beschluss ON 22 zuzustellen, was aber auch gegenüber Dr. O***** nicht geschehen sei. Es wurde daher mangels Zustellung ausgesprochen, dass der Beschluss noch nicht in Rechtskraft erwachsen wäre und dass daher der Rekurs als rechtzeitig anzusehen sei. In rechtlicher Beziehung erachtete das Rekursgericht, dass die Überlassung des Nachlasses an Zahlungsstatt unzulässig war, da in demselben nicht unbedeutende Werte, nämlich Liegenschaften gehören (§§ 72/2, 73/3 AbhP).

Der Revisionsrekurs der Marie K***** behauptet dagegen Rechtskraft des Beschlusses ON 22, da der Kurator den Akt eingesehen habe, die Eingabe ON 40 vom 24. 2. 1949 gemacht und nur auf die Erhebung des Rekurses offenbar vergessen habe, weshalb der Rekurs der Eva T***** als verspätet anzusehen und der Beschluss ON 22 in Rechtskraft erwachsen sei. Im Übrigen wird die Auffassung des Rekursgerichts betreffend die Unzulässigkeit der jure crediti Überlassung bei Vorhandensein von Liegenschaften bestritten, zumal es sich hier um wenig wertvolle Grundstücke handelt, sodass eine Erbenzustimmung gar nicht erforderlich sei. Schließlich wird noch darauf hingewiesen, dass Eva T***** dem Stefan F***** keine Abhandlungsvollmacht sondern nur eine Vertretungsvollmacht in dem beim Bezirksgericht Döbling bzw Eisenstadt anhängigen Prozess erteilt habe, weshalb dieser weder zur Abgabe einer Erbserklärung noch zur Erhebung eines Rekurses berechtigt wäre. Außerdem sei die Vollmacht nicht im Original vorgelegt und bedürfe sie auch der notariellen Beglaubigung der Abschrift des Originals, nicht aber bloß der Bestätigung der Richtigkeit der Übersetzung durch den ungarischen Dolmetsch.

Rechtliche Beurteilung

Dem Revisionsrekurs kann in keinem Punkt gefolgt werden. Der Beschluss ON 22 ist lediglich dem damals nicht bevollmächtigt gewesenen Stefan F***** zugestellt worden, der daher zur Ergreifung eines Rechtsmittels nicht befugt war (1. 10. 1948). Die Zustellung an ihn konnte daher keinerlei Rechtsfolgen für Eva T***** nach sich ziehen.

Das Rekursgericht hat Zustellung des Beschlusses an den zu bestellenden Kurator der Eva T***** aufgetragen. Dieser Beschluss konnte bis zur Zustellung keinesfalls in Rechtskraft erwachsen, sobald eine gesetzliche Erbin, deren Name und vorherige Anschrift bekannt war, vorhanden gewesen ist. Dem Auftrag des Rekursgerichts auf Zustellung an den Kurator wurde nicht entsprochen; die bloße Akteneinsicht ersetzt nicht die Zustellung eines Beschlusses, diese erfolgt nur nach den Vorschriften der §§ 87 bis 122 ZPO (§ 6 VerfaSt). Mag auch der Kurator berechtigt gewesen sein, Rekurs aufgrund der Akteneinsicht zu erheben, wie dies nunmehr seitens des Bevollmächtigten geschah, erfolgt daraus aber nicht, dass er die Rekursfrist versäumt hat, wenn ihm der Beschluss nicht zugestellt worden ist. Die Rekursfrist beginnt erst mit der Zustellung des Beschlusses zu laufen. Da somit der Beschluss ON 22 nicht ordnungsgemäß zugestellt wurde, dem nunmehr bevollmächtigten Stefan F***** seit der Erlangung der Vollmacht aber auch nicht zugestellt wurde, war derselbe mangels Rechtskraft des Beschlusses berechtigt, Rekurs zu erheben, der somit als rechtzeitig anzusehen ist. Wenn der Revisionsrekurs meint, dass Stefan F***** nur eine Vertretungsvollmacht in dem beim Bezirksgericht Döbling bzw Eisenstadt anhängigen Prozess, nicht aber für das Abhandlungsverfahren und für eine Rekursergreifung habe, so ist dies teils aktenwidrig, teils unrichtig. Denn die übrigens im ungarischen Original vorliegende Vollmacht lautet dahin, dass Stefan F***** die Eva T***** in der Verlassenschaftsangelegenheit nach ihrem Vater beim Bezirksgericht Döbling bzw in dem beim Bezirksgericht Eisenstadt anhängigen Prozess mit voller Rechtswirksamkeit vertrete und in ihrem Namen vorgehe. Stefan F***** war daher berechtigt, im Abhandlungsakt die Eva T***** zu vertreten und selbstverständlich auch in Wahrung ihrer Interessen dort Rekurs zu erheben.

Ob die Vollmacht formal in Ordnung ist oder nicht und etwaige Mängel zu beseitigen sein werden, wird das Erstgericht zu beurteilen haben, keinesfalls aber konnte ein formaler Mangel die Entscheidung des Rekursgerichts in einem der Eva T***** ungünstigen Sinne beeinflussen, sondern hätte es allenfalls, wenn es solche Mängel vorfand, diese durch das Erstgericht beseitigen lassen müssen. Auch der letzte Rekursgrund versagt, da sich der Oberste Gerichtshof der vom Rekursgericht vertretenen Auffassung anschließt, dass entsprechend der Fassung der §§ 72 und 73 AbhP bei Vorhandensein von Liegenschaften eine jure crediti Einantwortung nicht Platz zu greifen hatte. Hiezu kommt noch, dass ungeachtet des vorliegenden Antrags auf Inventierung gemäß § 92/Z 1 AbhP von Amts wegen unter Bedachtnahme auf die §§ 95, 97 und 102/3 eine Schätzung am Platz gewesen wäre, weil der Einheitswert nicht dem wahren Verkehrswert der Liegenschaften entspricht und die auf den Grundstücken (stillgelegte Weingärten) angepflanzten Kirschenbäume bei den bekannten Kirschenpreisen in der verflossenen Zeit jedenfalls mehr Ertrag liefern konnten, als die aufgelassenen Weingärten, was für den wahren Wert von Bedeutung und den Einheitswert übersteigen konnte. Überdies bemängelte der Rekurs der Eva T***** auch mit Recht, dass die Forderungen der K***** nicht nachgewiesen wurden.

Die Rekursentscheidung entsprach daher der Sach- und Rechtslage weshalb dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen war.

Anmerkung

E918412Ob26.50

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1950:0020OB00026.5.0321.000

Zuletzt aktualisiert am

21.10.2009
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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