Norm
ABGB §233Kopf
SZ 23/103
Spruch
Ein Verzicht auf Rechtsmittel kann namens eines Minderjährigen nur vom ehelichen Vater oder Vormund mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes, vom Armenvertreter nur mit Genehmigung des ehelichen Vaters oder Vormundes und des Vormundschaftsgerichtes gültig abgegeben werden.
Entscheidung vom 19. April 1950, 3 Ob 194/50.
I. Instanz: Bezirksgericht Laa a. d. Thaya; II. Instanz:
Kreisgericht Korneuburg.
Text
In der von der mj. Theresia D., vertreten durch das Bezirksjugendamt Völkermarkt, gegen Johann D. eingebrachten Klage auf Feststellung der Vaterschaft wurde um Bewilligung des Armenrechtes und Bestellung des Bezirksjugendamtes Mistelbach zum Armenvertreter ersucht.
Das Erstgericht gab diesen Anträgen statt. Bei der am 16. Februar 1950 durchgeführten Verhandlung erklärte die für die klagende Partei erschienene Fürsorgerin des Bezirksjugendamtes Mistelbach nach der Urteilsverkundung, auf Rechtsmittel zu verzichten. Die trotz dieser Erklärung durch den vom Bezirksjugendamt Völkermarkt als Vormund der mj. Theresia D. bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebrachte Berufung wies das Bezirksgericht Laa a. d. Thaya im Hinblick auf den erklärten Rechtsmittelverzicht als unzulässig zurück.
Das Rekursgericht gab dem Rekurse der klagenden Partei Folge, hob den Beschluß des Erstgerichtes auf und trug ihm die Einleitung des Berufungsverfahrens auf.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Begründung:
Gemäß § 472 ZPO. ist die Berufung unzulässig, wenn sie von einer Person eingebracht wurde, welche auf die Berufung gültig Verzicht geleistet hat.
Wenngleich es, wie das Rekursgericht richtig sagt, einer Bestellung des Bezirksjugendamtes Mistelbach zum Armenvertreter der Minderjährigen nicht bedurft hätte, vielmehr das Bezirksjugendamt Völkermarkt das Bezirksjugendamt Mistelbach mit seiner Vertretung in dem Rechtsstreite der Minderjährigen hätte betrauen können, ist doch im Hinblick auf die erfolgte Bestellung das Bezirksjugendamt Mistelbach in diesem Rechtsstreite als Armenvertreter aufgetreten und als solcher zu behandeln. In der Bestellung eines Bezirksjugendamtes zum Armenvertreter kann eine Verletzung der Bestimmung des § 64 Z. 4 letzter Satz ZPO. nicht erblickt werden, da von Gesetzes wegen den Jugendämtern die Vertretung Minderjähriger obliegt.
Die Frage aber, ob die Fürsorgerin als Vertreterin des Bezirksjugendamtes Mistelbach ohne ausdrückliche Zustimmung des Bezirksjugendamtes Völkermarkt als des gemäß § 29 JWV. berufenen Vormundes und ohne vormundschaftsbehördliche Genehmigung eine Rechtsmittelverzichtserklärung gültig abgeben konnte, ist zu verneinen.
Da, wie der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 8. Mai 1907, GlUNF. 3771, ausgesprochen hat, nicht einmal der Vater eines Minderjährigen auf Einbringung der Berufung namens des Kindes ohne Genehmigung der Vormundschaftsbehörde gültig verzichten kann, da er damit eine Rechtshandlung vornähme, durch die er sich eines dem Minderjährigen zustehenden Rechtes entäußerte, steht dieses Recht um so weniger dem Vormund und auf keinen Fall dem Armenvertreter des Minderjährigen zu (§§ 233 und 244 ABGB.).
Anmerkung
Z23103Schlagworte
Armenvertreter, Rechtsmittelverzicht namens eines Minderjährigen, Genehmigung vormundschaftsbehördliche, für Rechtsmittelverzicht namens, eines Minderjährigen, Minderjähriger Rechtsmittelverzicht durch Armenvertreter, Pflegebefohlene, Rechtsmittelverzicht durch Armenvertreter, Rechtsmittelverzicht eines Minderjährigen, Vater ehelicher, Rechtsmittelverzicht namens des Kindes, Verzicht auf Rechtsmittel namens eines Minderjährigen, Vormund RechtsmittelverzichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1950:0030OB00194.5.0419.000Dokumentnummer
JJT_19500419_OGH0002_0030OB00194_5000000_000