Norm
Mietengesetz §19 Abs1Kopf
SZ 23/173
Spruch
Eine empfindliche Beeinträchtigung des Vermieters in seinem Erwerbe und Fortkommen durch das Verhalten des Mieters gegenüber Gästen des Vermieters, der eine Gastwirtschaft betreibt, bildet einen wichtigen Kündigungsgrund im Sinne des § 19 Abs. 1 MietG.
Entscheidung vom 24. Mai 1950, 3 Ob 268/50.
I. Instanz: Bezirksgericht Liezen; II. Instanz: Kreisgericht Leoben.
Text
Die Klägerin kundigte den Beklagten die diesen in ihrem Hause im ersten Stock gelegene, aus zwei Zimmern, Küche und Nebenräumen bestehende Wohnung unter Geltendmachung der Kündigungsgrunde des § 19 Abs. 1 u. Abs. 2 Z. 3 MietG. mit der Begründung auf, daß die Beklagten den im gleichen Hause gelegenen Gasthausbetrieb der Beklagten stören, indem sie sich gegen die Gäste der Kegelbahn derart benehmen, daß diese erklärten, nicht mehr wiederkommen zu wollen.
Das Prozeßgericht erklärte die Kündigung für rechtswirksam. Es stellte fest, daß die Beklagten Kegelklubabende im Lokale der Klägerin seit dem Jahre 1947 zu wiederholten Malen empfindlich störten, so daß das Spiel abgebrochen werden mußte, und daß die Zweitbeklagte auch einmal sich mit einem Brett quer über die Kegel setzte, hiedurch das Kegelspiel unterband und die Spieler mit dem Wort "Lausbuben" beschimpfte, weshalb ein Teil der Spieler davon Abstand nahm, das Lokal der Klägerin weiter aufzusuchen. Das Prozeßgericht erblickte in diesem Verhalten der Beklagten eine empfindliche Beeinträchtigung des Erwerbes der Klägerin, für die die Kegelabende eine große Einnahmsquelle waren, da ihre Kegelbahn die einzige im Orte ist, und beurteilte dieses Verhalten der Beklagten als wichtigen Kündigungsgrund im Sinne des § 19 Abs. 1 MietG.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und erklärte die Revision für zulässig. Es beurteilte das vom Erstgericht festgestellte Verhalten der Beklagten als grob ungehörig und rücksichtslos gegenüber der Klägerin, deren Gewerbebetrieb dadurch gestört wurde, weshalb der Kündigungsgrund nach § 19 Abs. 2 Z. 3 MieG. gegeben sei.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Soweit die Revision Mangelhaftigkeit des Verfahrens und Aktenwidrigkeit geltend macht, können ihre Ausführungen keine Beachtung finden, weil gemäß § 502 Abs. 4 ZPO. in Kündigungsstreitigkeiten aus Mietverhältnissen, auf welche die Bestimmungen über den Schutz der Mieter Anwendung finden, auch dann, wenn das Berufungsgericht gemäß § 500 Abs. 3 ZPO. die Revision für zulässig erklärt hat, diese nur aus dem in § 503 Z. 4 ZPO. angeführten Gründe erhoben werden kann. Das gleiche gilt bezüglich der Ausführungen der Revision, die eine Nichtigkeit des Urteiles im Sinne des § 477 Z. 9 ZPO. behaupten, weil das Berufungsgericht eine Feststellung darüber, ob durch das Kegelspiel kein ungebührlicher Lärm erregt wurde, unterlassen hat. Mit diesen Ausführungen macht die Revision lediglich einen Verfahrensmangel geltend; der Nichtigkeitsgrund nach § 477 Z. 9 ZPO. ist nur dann gegeben, wenn das Urteil überhaupt keine Gründe enthält oder sein Spruch mit sich selbst in Widerspruch steht. Im übrigen bestand zu der von der Revision vermißten Feststellung kein Grund, weil die Beklagten selbst nicht behauptet haben, die Kegelspieler hätten einen ungebührlichen Lärm verursacht, der Erstbeklagte vielmehr bei der Parteienvernehmung angegeben hat, der Lärm entstehe dadurch, daß sich unter den Mitgliedern des Kegelklubs gute Spieler befinden, so daß bei jedem Schub viele Kegel durcheinanderpoltern. Ein derartiger Lärm ist aber mit einem Kegelspiel naturnotwendigerweise verbunden und geht daher nicht über das von der Bezirkshauptmannschaft gestattete Ausmaß hinaus.
Aus dem Revisionsgrunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung richtet sich die Revision zunächst gegen die Annahme des Berufungsgerichtes, daß der Kündigungsgrund des § 19 Abs. 2 Z. 3 MietG. gegeben sei, mit der Behauptung, dieser Kündigungstatbestand setze voraus, daß sich das Verhalten gegen die Mitbewohner gerichtet habe, die Kegelspieler aber keine Mitbewohner seien, und daß im Verhalten der Beklagten keine grobe Ungehörigkeit erblickt werden könne.
Die Revision übersieht bei ihren Ausführungen, daß sich nach den Feststellungen der Untergerichte das Verhalten der Beklagten mittelbar gegen die Klägerin gerichtet hat und daß die Klägerin durch dieses Verhalten in ihrem gewerblichen Betriebe und daher auch in ihrem Erwerbe und Fortkommen empfindlich beeinträchtigt wurde. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob das von den Vorinstanzen festgestellte Verhalten der Beklagten als rücksichtslos oder sonst grob ungehörig bezeichnet werden kann, soweit von der Beschimpfung mit dem Wort "Lausbuben" abgesehen wird. Jedenfalls stellt die Beeinträchtigung des Erwerbes und Fortkommens des Vermieters einen wichtigen Kündigungsgrund im Sinne des § 19 Abs. 1 MietG. dar. Wenn die Beklagten eine Wohnung in einem Gasthaus gemietet haben, in welchem sich auch eine Kegelbahn befindet, so mußten sie mit einer bis zur Sperrstunde anhaltenden Lärmentwicklung rechnen, die über das in einem Privathaushalt übliche Maß hinausgeht. Es handelt sich auch gar nicht darum, ob die Beklagten auf ihre Nachtruhe verzichten müssen, weil andere Leute sich mit Kegelspielen unterhalten wollen, wie dies die Revision vermeint, sondern nur darum, daß die Vermieterin durch das Verhalten der beklagten Mieter in ihrem Erwerb und Fortkommen empfindlich beeinträchtigt wird. Selbst wenn es richtig sein sollte, daß die Beklagten durch die Gemeinde an die Klägerin gewiesen wurden, so wäre es ihre Sache gewesen, diese Zuweisung unter Hinweis auf den leidenden Zustand der Zweitbeklagten abzulehnen und um die Zuweisung einer anderen Wohnung zu ersuchen.
Da somit jedenfalls der Kündigungsgrund des § 19 Abs. 1 MietG. gegeben ist, mußte der Revision der Erfolg versagt bleiben.
Anmerkung
Z23173Schlagworte
Erwerb des Vermieters, Beeinträchtigung durch Mieter, Gasthaus Vertreiben der Gäste durch Mieter, Kündigung, Kündigung wegen Beeinträchtigung des Erwerbes des Vermieters, Verhalten unleidliches Vertreiben der GasthausbesucherEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1950:0030OB00268.5.0524.000Dokumentnummer
JJT_19500524_OGH0002_0030OB00268_5000000_000