Norm
ABGB §154Kopf
SZ 23/166
Spruch
Die Eltern können nicht Unterhalt in natura verlangen, auch nicht Beistellung einer Naturalwohnung.
Entscheidung vom 24. Mai 1950, 1 Ob 273/50.
I. Instanz: Bezirksgericht Klagenfurt; II. Instanz: Landesgericht Klagenfurt.
Text
Die Klägerin hat ihren Vater, den Beklagten, im Jahre 1946 in ihr Haus aufgenommen und ihm eine Wohnung, bestehend aus Zimmer und Küche, unentgeltlich, wie sie behauptet, gegen jederzeitigen Widerruf überlassen.
Dagegen behauptet Beklagter, daß ihm die Klägerin ausdrücklich zugesichert habe, er könne in der Wohnung bleiben, solange er wolle.
Das Erstgericht hat der Räumungsklage der Klägerin stattgegeben, weil kein Mietverhältnis vorliege, da der Beklagte keinen Zins zahle; es sei daher ein bloß prekaristisches Verhältnis anzunehmen und die Klägerin daher berechtigt, die Räumung zu verlangen.
Das Berufungsgericht hat der Berufung Folge gegeben; verfahrensrechtlich wird eine Mangelhaftigkeit - das Berufungsgericht spricht mit Unrecht von einer Nichtigkeit - darin erblickt, daß das Erstgericht über die zwischen den Streitpartnern abgeschlossenen Vereinbarungen nur die Klägerin, nicht aber auch den Beklagten als Partei vernommen habe. In rechtlicher Beziehung vermißte es Feststellungen darüber, ob die Klägerin ihrem Vater beim Einziehen tatsächlich zugesichert habe, er könne in der Wohnung bleiben, solange es ihm passe. Eine solche Vereinbarung sei, wenn sie auch nicht als Mietvertrag zu werten sei, verbindlich. Überdies ist das Berufungsgericht der Meinung, daß die Klägerin unter Umständen auch verpflichtet sein könnte, aus dem Titel der Alimentationspflicht ihrem Vater eine Naturalwohnung zur Verfügung zu stellen, wenn es richtig sei, daß der Verdienst des Vaters nicht ausreiche, den Zins für eine Aufbauwohnung zu zahlen. Es müsse daher sein Einkommen genau überprüft und insbesondere auch erhoben werden, ob die Gattin des Beklagten - dieser hat nach dem Tode der Mutter der Klägerin wieder geheiratet - nicht in der Lage sei, einem Nebenverdienst nachzugehen, so daß bei Zusammenrechnung der Einkommen beider Ehegatten die Kosten auch des hohen Mietzinses einer Aufbauwohnung bestritten werden könnten.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluß nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der als Revisionsrekurs bezeichnete Rekurs der Klägerin gegen den berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschluß ist nicht begrundet.
Die Auffassung der Rekurswerberin, es liege im Belieben des Gerichtes, nur einen der beiden Streitteile als Partei zu Beweiszwecken zu vernehmen, ist rechtsirrig. Nach der Vorschrift des § 376 Abs. 2 ZPO. ist die unbeeidete Vernehmung der Parteien regelmäßig eine beiderseitige, während die beeidete in bezug auf dieselbe Tatsache auf eine der Parteien beschränkt ist. Nur ausnahmsweise kann die doppelseitige unbeeidete Parteienvernehmung unterbleiben, so wenn die Abhörung einer Partei wegen vorliegender Ausschließungsgrunde (§ 372) unstatthaft und Beweis durch Parteienvernehmung trotzdem notwendig ist (§ 374) oder die eine Partei (Abwesende, Verlassenschaftsmasse) durch einen Kurator repräsentiert ist, der von den Streitverhältnissen nichts weiß. Wo es sich dagegen um Umstände handelt, die beiden Parteien bekannt sind, im vorliegenden Fall um den Inhalt einer von ihnen mündlich getroffenen Vereinbarung, ist die Vernehmung beider Parteien unerläßlich.
Das erstrichterliche Verfahren ist daher in der Tat mangelhaft. Ob die Aufhebung zu Recht erfolgt ist, hängt demnach davon ab, ob die vom Berufungsgericht vermißten Feststellungen rechtlich relevant sind.
Soweit das Berufungsgericht der Meinung ist, daß eine Tochter nach § 154 ABGB. verpflichtet sei, ihrem Vater im Falle der Bedürftigkeit den Unterhalt in Form der Beistellung einer Unterkunft zu gewähren, kann der Oberste Gerichtshof der Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes nicht beitreten, weil die Eltern nicht berechtigt sind, Unterhalt in natura zu verlangen; ist die Beklagte finanziell nicht in der Lage, den Zins für eine Ersatzwohnung zu zahlen, so kann er von der Klägerin einen entsprechenden Betrag in Geld zur Bezahlung des Mietzinses für eine standesgemäße Wohnung verlangen; ein Recht auf Beistellung einer Naturalwohnung steht ihm dagegen nach dem Gesetz nicht zu.
Wohl aber ist dem Berufungsgericht zuzustimmen, daß die Klägerin dem Beklagten die von ihm innegehabte Wohnung belassen muß, wenn sie sich verpflichtet haben sollte, ihm die Wohnung, solange es ihm paßt, unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. Da diesbezügliche Feststellungen fehlen, so war daher der Aufhebungsbeschluß gerechtfertigt.
Anmerkung
Z23166Schlagworte
Alimente der Eltern, § 154 ABGB., Eltern Unterhaltsanspruch nach § 154 ABGB., Unterhalt der Eltern, § 154 ABGB.European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1950:0010OB00273.5.0524.000Dokumentnummer
JJT_19500524_OGH0002_0010OB00273_5000000_000