Norm
Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897. DRGBl. S. 219 §1 Abs2 Z5Kopf
SZ 23/175
Spruch
Die Ablehnung des Beweises durch Parteienvernehmung durch das Berufungsgericht wegen hinreichender Klärung des Sachverhaltes durch andere aufgenommene Beweise kann nicht mit Revision bekämpft werden.
Feststellungsmängel bilden nicht den Revisionsgrund des § 503 Z. 2 ZPO., sondern können nur mit dem Revisionsgrund nach § 503 Z. 4 ZPO. geltend gemacht werden.
Entscheidung vom 31. Mai 1950, 1 Ob 274/50.
I. Instanz: Bezirksgericht Eggenburg; II. Instanz: Kreisgericht Krems.
Text
Kläger wurde vom Pfarrer von B. mit der Anfertigung eines Kreuzes beauftragt. Zufolge Auftrages des Pfarrers erschienen Leute des Beklagten mit einem Lastkraftwagen beim Kläger, um das Kreuz abzuholen. Kläger übergab ihnen das Kreuz und ein Werkzeugkistchen, aber auch einen Handkoffer, in dem persönliche Wertutensilien verwahrt waren, da er am gleichen Tage mit einem gleichfalls dem Beklagten gehörigen Autoomnibus nach B. fahren wollte, um dort das Kreuz zu montieren. Als der Lastkraftwagen in B. ankam, mußte der Kläger den Verlust des Koffers feststellen. Er ist anscheinend beim Aufladen einer weiteren Fuhre auf den Lastkraftwagen gestohlen worden. Kläger begehrt Schadenersatz.
Das Erstgericht hat mit Zwischenurteil zu Recht erkannt, daß der Klagsanspruch nicht zu Recht bestehe. Es beurteilte die Frage der Haftung des Beklagten für den behaupteten Ersatzanspruch nach den Bestimmungen über das Frachtgeschäft der §§ 429 und 431 HGB., negierte diesen Ersatzanspruch, weil ein Frachtvertrag zwischen den Streitteilen über den gegenständlichen Koffer nicht zustande gekommen sei, das vom Kläger über Bestellung des Pfarrers E. verfertigte Kreuz im Auftrag des letzteren befördert worden sei, ein weiterer Auftrag zur Beförderung eines Koffers von diesem aber nicht gegeben worden sei und außerdem der Chauffeur sowie auch der Mitfahrer des Beklagten zur Übernahme von Gütern zur Beförderung nicht ermächtigt gewesen seien.
Das Berufungsgericht bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung.
In den Gründen wird ausgeführt, es sei dem erstgerichtlichen Urteil darin beizupflichten, daß weder der Chauffeur noch der Mitfahrer des Lastautos als ermächtigt gelten, Frachtgeschäfte namens ihres Dienstgebers abzuschließen. Es stehe auf Grund der Aussagen der vernommenen Zeugen fest, daß bei Beförderung von Gepäck im Personenautobus - den Kläger für seine Person benützte - ein bestimmter Vorgang, nämlich die Übergabe an den Chauffeur dieses Autobusses oder an die Firma Sch. gegen Aushändigung einer Bestätigung vorgesehen sei und daß weder der Chauffeur noch der Mitfahrer des Lastautos berechtigt waren, für ihren Dienstgeber Gepäck zur Beförderung selbst zu übernehmen, wenn nicht ein ausdrücklicher Auftrag vorgelegen sei. Es sei dies vom Standpunkt eines Transportunternehmens selbstverständlich, da sonst unermeßliche Haftungen entstehen würden. Es bestimme deshalb auch § 6 AÖSP, daß die Übergabe von Gütern an Arbeitnehmer des Spediteurs ausschließlich auf Gefahr des Auftraggebers erfolge, sofern nicht vorher mit dem Spediteur oder einem seiner bevollmächtigten Angestellten ausdrücklich oder stillschweigend eine bezügliche Vereinbarung zustande kam. Daß letzteres nicht der Fall sei, habe das Prozeßgericht festgestellt. Eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens durch Unterlassung der Parteienvernehmung über die Frage, wie der Transport des Koffers bezahlt werden sollte, wie der Vorgang bei der Übernahme des Gepäckes war, zu welchem Zeitpunkt die Übernahme erfolgte, weiters welche Stellung der Beklagte und seine Mutter nach dem Vorfall bezogen und welche Erklärung der Kläger bei der Gepäcksübernahme dem Chauffeur abgab, liege nicht vor, weil der für die Prozeßentscheidung wesentliche Sachverhalt, daß zwischen dem Kläger und dem Beklagten über den Koffertransport kein Frachtvertrag bestand, vom Prozeßgericht durch andere Beweismittel eindeutig festgestellt sei.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens wird zunächst darin erblickt, daß Kläger nicht als Partei vernommen worden sei. Bei Beurteilung der Frage, ob die Revision in diesem Punkte begrundet ist, mußte die in der Revisionsbeantwortung neu vorgebrachte Tatsache, die Parteienvernehmung sei nicht mehr möglich, weil Kläger im Laufe des Revisionsverfahrens gestorben sei, unbeachtet bleiben. Der in diesem Punkte dem Berufungsgericht gemachte Vorwurf ist nicht begrundet. Kläger wurde als Partei nur über solche Umstände geführt, über die bereits andere Personen als Zeugen geführt worden sind. Das Berufungsgericht hat den Sachverhalt auf Grund dieser Zeugenaussagen für genügend geklärt erachtet und daher die Parteienvernehmung nicht zugelassen. Da nach § 371 ZPO. der Beweis durch Parteienvernehmung nur ein subsidiäres Beweismittel ist, das nur dann abgeführt werden darf, wenn der Beweis über die strittigen Tatsachen durch die anderen durchgeführten Beweise nicht hergestellt worden ist, so durfte das Berufungsgericht die Parteienvernehmung gar nicht anordnen, sobald es zur Überzeugung kam, daß der Sachverhalt, über den Beweis durch Parteienvernehmung angeboten worden ist, bereits anderweitig klargestellt worden ist. An diese Feststellung ist aber der Oberste Gerichtshof gebunden, da er nicht berechtigt ist, die berufungsgerichtliche Beweiswürdigung zu überprüfen.
Ein weiterer Verfahrensmangel soll darin gelegen sein, daß das Berufungsgericht von der Revision vermißte Feststellungen nicht vorgenommen habe. Wie der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt ausgeführt hat, stellen Feststellungsmängel den Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens nicht dar; sie können nur mit dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung bekämpft werden.
Aber auch dieser ist nicht gegeben. Ob bereits früher Diebstähle an Transportgut vorgefallen sind, ist für die allein maßgebliche Frage, ob ein Frachtvertrag gültig abgeschlossen wurde, bedeutungslos; desgleichen die Frage, ob es richtig ist, daß die Leute des Beklagten den klägerischen Koffer schon am Vormittag auf das eigene Auto zum Transport übernahmen. Mit Unrecht vermißt die Revision ferner eine Feststellung darüber, daß die Leute des Beklagten berechtigt waren, Frachtgut aller Art jederzeit zu übernehmen, da das Berufungsgericht das Gegenteil ausdrücklich festgestellt hat.
Gleichgültig ist weiters, daß Feststellungen darüber fehlen, welche Richtlinien im Unternehmen dafür bestehen, welches Gepäck als Reisegepäck oder Frachtgut anzusehen sei und daß die Übernahme mehr oder weniger Ermessenssache der Chauffeure des Beklagten ist. Dieser Feststellungsmangel wäre vielleicht von Bedeutung, wenn Kläger anläßlich des Antrittes der Reise am Nachmittag den in Verlust geratenen Koffer im Personenkraftwagen hätte mitnehmen wollen und der Chauffeur des Personenkraftwagens ihn an den Lastkraftwagen verwiesen hätte, weil dann eindeutig vorliegen würde, daß Kläger den Koffer als Reisegepäck aufgeben wollte, und dann die Frage zu entscheiden wäre, ob eine Änderung in der rechtlichen Qualifikation dadurch eintritt, daß der Chauffeur ihn angewiesen hat, den Koffer auf den Lastkraftwagen zu stellen. Aber so hat sich der Sachverhalt nach den berufungsgerichtlichen Feststellungen gar nicht abgespielt. Vielmehr hat der Kläger seinen Handkoffer schon am Vormittag als Beigepäck dem Chauffeur des Lastkraftwagens übergeben, ohne daß der Chauffeur des Personenkraftwagens dabei überhaupt interveniert hat. Ein Reisegepäckvertrag kommt daher bei diesem Sachverhalt gar nicht in Frage, da dieser nur mit den beim Personenkraftwagen, aber nicht mit den beim Lastkraftwagen beschäftigten Leuten abgeschlossen werden konnte.
Ein Feststellungsmangel liegt auch nicht darin, daß die Art des Gewerbebetriebes des Beklagten nicht festgestellt worden ist. Der Beklagte betreibt einen Personenomnibusbetrieb zwischen Wien und Eggenburg, überdies übernimmt er, all das ist unbestritten, Frachten von Wien nach Eggenburg und hat zu diesem Zweck eine Vereinbarung mit der Wiener Firma Sch. abgeschlossen. Er betreibt also Frachtgeschäfte im Sinne des § 1 Abs. 2 Z. 5 HGB Ob seine Firma handelsgerichtlich registriert ist, spielt für das anwendbare Recht keine Rolle, weil Frachtführer als Istkaufleute auch dann Kaufleute sind, wenn sie nicht protokolliert und gar nicht registrierungspflichtig sind. Es kann daher kein Zweifel darüber bestehen, daß der gegenständliche Fall nach dem 6. Abschnitt des III. Buches des Handelsgesetzbuches zu beurteilen ist. Aber auch die Ausführungen zu § 503 Z. 4 ZPO. sind nicht geeignet, den Vorwurf der unrichtigen rechtlichen Beurteilung zu erhärten. Prozeßentscheidend ist allein die Frage, ob ein Frachtvertrag dadurch zustande gekommen ist, daß die Leute des Beklagten den Koffer übernommen haben. Die Entscheidung dieser Frage hängt von dem Umfang der gesetzlichen Vollmacht der Leute eines Frachtfuhrwerkes ab.
Hinsichtlich der Spediteure, die gleichzeitig Frachtgeschäfte betreiben (§ 2 lit. a AÖSP.), bestimmen die Allgemeinen Österreichischen Spediteurbedingungen (AÖSP.) in § 6 ausdrücklich, daß die Übergabe von Gütern und Schriftstücken irgendwelcher Art an Arbeitnehmer des Spediteurs ausschließlich auf Gefahr des Auftraggebers erfolgt, wenn sie nicht vorher mit dem Spediteur oder einem seiner bevollmächtigten Angestellten ausdrücklich oder stillschweigend vereinbart worden sind. Nach den Allgemeinen Österreichischen Spediteurbedingungen kam daher eine Haftung des Beklagten nicht in Frage, weil Kläger vorher mit dem Beklagten überhaupt keine Vereinbarung getroffen hat und der Auftrag des Pfarrers nur dahin lautete, das Kreuz beim Beklagten abzuholen, worin der Auftrag, auch sein privates Reisegepäck abzuholen, nicht inbegriffen ist.
Aber auch wenn der Beklagte nur Frachtführer und nicht auch Spediteur ist, ist nicht anders zu entscheiden, weil in der Mitgabe eines Gutes an den Kutscher, dem der Chauffeur gleichzustellen ist, ein Vertragsabschluß nicht zu erblicken ist. Da aber das Berufungsgericht auch ausdrücklich festgestellt hat, daß die Leute des Beklagten zur Übernahme von Frachtgut für den Lastkraftwagen nicht berechtigt waren, so folgt daraus, daß das Berufungsgericht die Sache auch rechtlich richtig beurteilt hat.
Anmerkung
Z23175Schlagworte
Berufungsgericht, Ablehnung der Parteienvernehmung, Beurteilung unrichtige rechtliche Feststellungsmängel, Beweisaufnahme durch Berufungsgericht, Ablehnung der Parteienvernehmung, Feststellungsmängel Revisionsgrund, Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, keine neuerliche, Parteienvernehmung, Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens nicht bei Feststellungsmängeln, Parteienvernehmung, Ablehnung durch Berufungsgericht, Rechtliche Beurteilung Feststellungsmängel, Revisionsgrund Feststellungsmängel, Unrichtige rechtliche Beurteilung Feststellungsmängel, Verfahrensmangel nicht bei Feststellungsmängeln, Verfahrensmangel unvollständige BeweiswiederholungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1950:0010OB00274.5.0531.000Dokumentnummer
JJT_19500531_OGH0002_0010OB00274_5000000_000