TE OGH 1950/6/17 2Ob406/50

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Veröffentlicht am 17.06.1950
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Norm

ABGB §1096
EO §354
EO §379
EO §381
Gast- und Schankgewerbegesetz vom 3. März 1948, BGBl. Nr. 89 ArtI
Gast- und Schankgewerbegesetz vom 3. März 1948, BGBl. Nr. 89 ArtIV Gewerbeordnung §15
Gewerbeordnung §16
Gewerbeordnung §19
Gewerbeordnung §55
Kündigungsschutz-Ausführungsverordnung vom 5. September 1939. DRGBl. I S. 1671 §7

Kopf

SZ 23/203

Spruch

Der Rechtssatz, daß eine einstweilige Verfügung der endgültigen Entscheidung nicht vorgreifen und durch sie nicht das bewilligt werden darf, was die gefährdete Partei erst seinerzeit im Weg der Exekution erzwingen könnte, gilt nur für einstweilige Verfügungen nach den §§ 379 und 381 Z. 1 EO., nicht aber auch für solche nach Z. 2 des § 381 EO.

Rechtshistorischer Überblick über das Gast- und Schankgewerbewesen in Österreich.

Entscheidung vom 17. Juni 1950, 2 Ob 406/50.

I. Instanz: Bezirksgericht Paternion; II. Instanz: Landesgericht Klagenfurt.

Text

Die Klägerin, die das Gasthaus des Beklagten gepachtet hatte, begehrte in der Klage seine Verurteilung, sie zu seinem gewerberechtlichen Stellvertreter zu bestellen, und beantragte gleichzeitig die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, mit der dem Beklagten aufgetragen werden sollte, seine Gast- und Schankgewerbekonzession der Klägerin zur Verfügung zu stellen, und zwar derart, daß er sie bei der zuständigen Gewerbebehörde zum gewerberechtlichen Stellvertreter bestelle.

Das Erstgericht wies den Antrag ab.

Das Rekursgericht gab ihm statt.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Revisionsrekurs ist unbegrundet und die angefochtene Entscheidung, wiewohl sich der Oberste Gerichtshof nicht in allen Punkten der in ihr, bzw. in der Klage vertretenen Rechtsansicht anschließen kann, gerechtfertigt.

Die Vorfrage, ob die Existenz eines Pachtvertrages über das Gastgewerbeunternehmen, welcher auch die zu dessen Ausübung erforderliche Konzession (§§ 15 Abs. 1 Z. 15, 16, 19 GewO.) umfaßt, hinreichend bescheinigt ist, wie das Rekursgericht annimmt, kann deswegen bejaht werden, weil auch der Revisionsrekurs von der Voraussetzung ausgeht, daß der nach Ansicht des Beklagten befristet gewesene Pachtvertrag kraft der gesetzlichen Zwangsbestimmungen auf unbestimmte Zeit verlängert worden sei. Betrachtet doch der Revisionsrekurs (wiewohl durchaus irrig) die Bestimmung des Artikels IV Abs. 3 des Gesetzes BGBl. Nr. 89/1948 als eine Auflockerung dieser Schutzbestimmungen. Es geht demnach die Klägerin davon aus, daß der Pachtvertrag zufolge Unwirksamerklärung der seinerzeitigen Aufkündigung durch das Bezirksgericht Paternion aufrecht, der Beklagte davon, daß er zufolge der Bestimmung des § 7 der sogenannten Kündigungsschutz-Ausführungsverordnung vom 5. September 1939, DRGBl. I S. 1671, im Zusammenhalt mit § 23 MietG. auf unbestimmte Zeit verlängert sei. Es kann also als bescheinigt gelten, daß das Pachtverhältnis betreffend das Gastgewerbe des Beklagten zwischen den Parteien aufrecht besteht.

Gewerberechtlich ist entgegen den gänzlich abwegigen Ausführungen des Revisionsrekurses die Lage folgendermaßen zu beurteilen.

Zur Zeit der Errichtung des Pachtvertrages galt das deutsche Gaststättengesetz vom 28. April 1930, DRGBl. I S. 146, eingeführt in Österreich mit verschiedenen, aus den besonderen Verhältnissen in den damals sogenannten Alpen- und Donaugauen sich ergebenden Abänderungen durch die Verordnung vom 20. April 1942, DRGBl. I S.

187.

Das deutsche Recht kannte keine Gastgewerbekonzession im Sinne der §§ 15, 16 GewO., sondern nur polizeiliche Erlaubnisse zum Gewerbebetrieb einer Gast- oder Schankwirtschaft und ordnete in § 6 an, daß die Gewerbeausübung durch Stellvertreter nur mit besonderer Erlaubnis (Stellvertretungserlaubnis) an den Gewerbeinhaber unter den in § 6 Abs. 3 näher bezeichneten Voraussetzungen zulässig sei. Erlaubnislose Fuhrung des Betriebes durch einen Stellvertreter führte zur Zurücknahme der Betriebserlaubnis (§ 12 Abs. 2 Z. 4 zit. Ges.). Diese Erlaubnis erlosch auch, wenn der Gewerbeinhaber seinen Betrieb seit einem Jahre nicht mehr ausübte (§ 4 Abs. 2 zit. Ges.) oder auf sie verzichtete. Verpachtung konnte als Verzicht gelten. Das Gesetz verstand unter "Stellvertreter" im Sinne des § 6 eine Person, welche auf Grund vertraglicher Vollmacht den Betrieb im Namen und für Rechnung des Inhabers, im übrigen aber unter eigener Verantwortung selbständig führt und die sich einerseits von dem Gehilfen und Geschäftsführer, der das Gewerbe unter Aufsicht und Leitung des Inhabers verwaltet, anderseits vom Pächter der Gewerbeeinrichtung unterscheidet, der das Gewerbe im eigenen Namen und auf eigene Rechnung ausübt (vgl. Michel, Kommentar zum Gaststättengesetz, S. 110, 111). Pächter und Stellvertreter sind daher zwei ganz verschiedene Begriffe, wozu noch kommt, daß das deutsche Recht, anders als das österreichische, nur eine Pachtung der Gewerbeeinrichtung, nicht aber des Gewerberechtes kannte. Eben dieser Umstand machte den § 3 der Verordnung vom 20. April 1942 erforderlich, wonach dann, wenn eine nach bisherigem Recht (österreichische Gewerbeordnung) erworbene Gewerbeberechtigung mit behördlicher Genehmigung (§ 19 GewO.) durch den Pächter ausgeübt wird, für die Dauer des gegenwärtigen Pachtverhältnisses, längstens jedoch für die Dauer der gewerbebehördlichen Genehmigung darin eine Nichtausübung des Betriebes nicht erblickt werden kann.

Es ist unbestritten, daß die Klägerin seit 1942 Pächterin des Gewerbebetriebes samt Konzession ist und daß diese Verpachtung vom Landrat Villach genehmigt wurde.

Infolge der Außerkraftsetzung des deutschen Gaststättengesetzes samt Einführungsverordnung durch das Bundesgesetz Nr. 89/1948 und der Wiedereinführung des früheren, nur unwesentlich modifizierten österreichischen Gewerberechtes in Art. I und II dieses Gesetzes ergab sich die Notwendigkeit von Übergangsvorschriften, die der Art. IV enthält (vgl. Erläuternde Bemerkungen 535 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates). Die bisher nach reichsdeutschem Recht erteilten "Erlaubnisse" nach § 1 Gaststättengesetz, in welche auch zufolge § 2 der Einführungsverordnung vom 20. April 1942, DRGBl. I S. 187, die ehemaligen österreichischen Gastgewerbekonzessionen umgewandelt worden waren, gelten nunmehr wieder als Konzessionen nach § 16 österreichische Gewerbeordnung (Art. IV Abs. 1). Bei Vorliegen eines Pachtvertrages gilt der Verpächter als Inhaber der Gewerbeberechtigung, das heißt als Konzessionär. Die Ausübung der Gewerbeberechtigung durch Verpachtung ist aber nunmehr nur nach Maßgabe des § 19 Abs. 3, § 55 Abs. 3 GewO. zulässig, d. h. nur dann, wenn wichtige Gründe hiefür vorliegen und die Gewerbebehörde erster Instanz die Verpachtung genehmigt hat. Dies bedeutet, daß alle nach den bisherigen Bestimmungen durch Pächter betriebenen Gastgewerbeunternehmungen diesbezüglich von der Gewerbebehörde zu überprüfen waren und die weitere Betriebsausübung durch einen Pächter nur unter den Voraussetzungen des § 19 Abs. 3 von ihr weiterhin zu genehmigen war. Um diese Genehmigung hatte der Inhaber der Konzession anzusuchen (Art. IV Abs. 3). Da nun während der Anhängigkeit des verwaltungsbehördlichen Verfahrens der Weiterbetrieb der verpachteten Gastwirtschaft nach Aufhebung der deutschen Vorschriften eines Rechtstitels entbehrt hätte, sah das Gesetz als weitere Übergangsbestimmung vor, daß die weitere Betriebsführung bis zur Rechtskraft der verwaltungsbehördlichen Entscheidung trotz Fehlens einer gewerbebehördlichen Erlaubnis zunächst zulässig sei, wenn der Inhaber der Konzession binnen vier Wochen nach Inkrafttreten des Gesetzes um die Genehmigung der Verpachtung im Sinne des § 19 Abs. 3 GewO. ansuchte.

Im vorliegenden Fall steht nun außer Streit, daß der Beklagte nicht nur kein derartiges Ansuchen gestellt, sondern (Beilage 1) darüber hinaus sogar bei der Gewerbebehörde erster Instanz ausdrücklich beantragt hat, der Klägerin in Ermangelung eines Rechtstitels die weitere Ausübung des Pachtbetriebes zu untersagen, sowohl wegen behaupteten Ablaufes der Pachtdauer, als auch wegen Eigenbedarfes des Verpächters. Er gibt in seinem Antrage ausdrücklich zu, daß er eben aus dieser Absicht die Stellung eines Antrages auf Genehmigung der Verpachtung im Sinne des Art. IV Abs. 3 unterlassen habe.

Damit hat aber der Beklagte seinen aus § 1096 ABGB. abzuleitenden Verpflichtungen zuwidergehandelt. Denn als Verpächter oblag es ihm, den Bestandnehmer in dem bedungenen Gebrauche des Bestandobjektes nicht zu stören und es in brauchbarem Zustand zu erhalten. Für den vorliegenden Fall ergab sich aus § 1096 ABGB. seine vertragliche Pflicht gegenüber dem Pächter, jene nach der neuen gewerberechtlichen Rechtslage notwendig gewordenen Schritte vorzunehmen, die dazu dienen sollten, dem Pächter den weiteren Betrieb des Pachtunternehmens zu ermöglichen, das heißt, das in Art. IV Abs. 3 gemäß § 19 Abs. 3 GewO vorgeschriebene neue Ansuchen um Genehmigung der Verpachtung zu stellen. Wenn er diese Neuanmeldung der Pächterin (und um eine solche, nicht um die Bestellung eines "Stellvertreters" in dem oben erörterten Sinn handelt es sich hier) geflissentlich unterließ, um ihr die Weiterführung der Pachtung unmöglich zu machen und sich, wie er ja gar nicht bestreitet, auf "kaltem Wege" wie es der Rekurs der Klägerin nennt, seiner Pachtverpflichtungen zu entledigen, deren Auflösung zufolge der Bestimmungen des Mietengesetzes derzeit mangels eines wichtigen Kündigungsgrundes möglicherweise nicht erfolgen kann, hat er seine Vertragspflichten gröblich verletzt. Da ein nicht genehmigter Pachtbetrieb unzulässig und am Gewerbeinhaber wie am Pächter sogar strafbar ist (§ 19 Abs. 4), hätte die Gewerbebehörde voraussichtlich auch ohne das ausdrückliche Ersuchen des Beklagten die weitere Betriebsführung der Pächterin untersagt. Auch wenn also die Behauptung der Klägerin, die Gewerbebehörde habe inzwischen mit Bescheid vom 2. Mai 1950 diese Untersagung vorgenommen gleichwie die Vorlage des betreffenden Bescheides an das Rekursgericht als Neuerung unzulässig und darum auch unbeachtlich ist so kann doch schon das unbestrittene Vorgehen des Beklagten gar nicht anders als Herbeiführung einer Gefahr eines drohenden unwiederbringlichen Schadens im Sinne des § 381 Z. 2 EO. gewertet werden. Denn durch das Vorgehen des Beklagten wurde der Betrieb der Klägerin in die Rechtsstellung eines ungesetzlichen Betriebes gedrängt und die eminente Gefahr seiner Untersagung durch die Gewerbebehörde herbeigeführt, mag diese nun inzwischen erfolgt sein oder nicht. Da die Klägerin ihre Existenzgrundlage in diesem Pachtbetrieb hat und die Untersagung einesteils mit erheblichen Vermögensnachteilen für sie verbunden sein muß, anderseits schon die drohende Untersagung einen weiteren geordneten, auf längere Sicht disponierenden Betrieb, Wareneinkauf u. dgl. unmöglich macht, sind alle Voraussetzungen einer einstweiligen Verfügung nach § 381 Z. 2 EO., sowohl die Bescheinigung des Anspruches als auch die der Gefahr, gegeben.

Die Ansicht des Revisionsrekurses, das Rekursgericht greife unzulässigerweise in die Kompetenz der Verwaltungsbehörde ein, ist abwegig. Offenkundig liegt ein Schreibfehler vor, wenn die Entscheidung von einem Antrage des Klägers vom 20. März 1950 spricht, dem die politische Behörde auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen werde stattgeben müssen. Denn nach der Aktenlage hat ja nicht die Klägerin, sondern der Beklagte einen Antrag auf Untersagung der weiteren Ausübung des Pachtbetriebes gestellt, dem die Behörde bereits stattgegeben haben soll.

Ebenso verfehlt ist die Auslegung des Art. IV Abs. 3 durch den Beklagten. Daß es sich um eine Übergangsbestimmung handelt und welchen Zweck diese verfolgt, wurde bereits dargelegt. Gewiß ist der Konzessionär nicht gewerberechtlich durch diese Vorschriften verpflichtet, einen Genehmigungsantrag zu stellen. Er ist es nur auf Grund der aus dem Pachtvertrag ableitbaren zivilrechtlichen Vorschriften des § 1096 ABGB. gegenüber seinem Vertragspartner, dem Pächter. Ebensowenig bildet der Ablauf der in Art. IV Abs. 3 vorgesehenen vierwöchigen Frist ein Hindernis für die Erlassung der begehrten einstweiligen Verfügung. Denn es wurde der Sinn dieser Frist schon oben erörtert. Sie stellt keine Fallfrist dar, nach deren Ablauf etwa der Konzessionär einen Antrag auf Genehmigung der Verpachtung nicht mehr stellen dürfte, sondern erleichtert nur die vorläufige, genehmigungslose Weiterführung eines schon bestehenden Pachtbetriebes und schützt Pächter und Verpächter vor den in § 19 Abs. 4 angedrohten, im VIII. Hauptstück der Gewerbeordnung vorgesehenen Straffolgen. Diese Begünstigung wird nicht gewährt, wenn die Frist des Art. IV BGBl. Nr. 89/1948 nicht eingehalten wird. Allein desungeachtet kann der Konzessionär jederzeit den Antrag auf Neugenehmigung einer Verpachtung stellen.

Da § 382 EO. bekanntlich die Art der zur Sicherung von nicht in Geld bestehenden Ansprüchen zulässigen einstweiligen Verfügungen nicht näher begrenzt, erscheint die im vorliegenden Fall beantragte zulässig.

Zu prüfen war nur, ob sie nicht im Widerspruche mit dem von Lehre und Rechtsprechung (Neumann - Lichtblau, S. 1164, GlUNF. 3484, 6827, ZBl. 1922, Nr. 200, Rspr. 1925, Nr. 63, JBl. 1918, S. 237) angenommenen Rechtssatze steht, daß eine einstweilige Verfügung der endgültigen Entscheidung nicht vorgreifen und insbesondere im Wege der einstweiligen Verfügung nicht alles das bewilligt werden darf, was die gefährdete Partei erst seinerzeit im Wege der Exekution auf Grund eines ihr günstigen Urteiles erzwingen könnte. Allein nach den zitierten Entscheidungen gilt dieser Rechtssatz nur für jene einstweiligen Verfügungen, welche der Sicherung der Prozeßführung oder des Exekutionsobjektes dienen, somit für einstweilige Verfügungen zur Sicherung von Geldforderungen (§ 379 EO.) und zur Sicherung anderer Ansprüche nach § 381 Z. 1 EO. Er gilt aber nicht für einstweilige Verfügungen zur Verhütung einer drohenden Gefahr oder zur Abwehr unwiderbringlichen Schadens. In solchen Fällen kann (Neumann - Lichtblau, S. 1164, 1183, Rspr. 1923, S. 235, ZBl. 1918, Nr. 172) auch im Wege der einstweiligen Verfügung das bewilligt werden, was die gefährdete Partei erst im Wege der Exekution eines ihr günstigen Urteiles erreichen kann. Es war darum zulässig, dem Antragsgegner unter der Sanktion des § 354 EO. aufzutragen, bei der zuständigen Gewerbebehörde die Genehmigung der Pacht gemäß § 19 GewO., Art. IV Abs. 3 des Gesetzes BGBl. Nr. 89/1948 zu beantragen.

Anmerkung

Z23203

Schlagworte

Einstweilige Verfügung Vorwegnahme der endgültigen Entscheidung, Gastgewerberecht, geschichtliche Entwicklung, Gewerberecht, geschichtliche Entwicklung des Gastgewerberechtes, Schankgewerberecht, geschichtliche Entwicklung, Verfügung einstweilige Vorwegnahme der endgültigen Entscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1950:0020OB00406.5.0617.000

Dokumentnummer

JJT_19500617_OGH0002_0020OB00406_5000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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