TE OGH 1950/6/30 2Ob427/50

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Veröffentlicht am 30.06.1950
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Norm

Mietengesetz §19 Abs1
Mietengesetz §19 Abs2 Z13
Wohnungsanforderungsgesetz §5

Kopf

SZ 23/214

Spruch

Zur Auslegung des Kündigungsgrundes nach § 19 Abs. 2 Z. 13 MietG.

Entscheidung vom 30. Juni 1950, 2 Ob 427/50.

I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Das Prozeßgericht erkannte die auf § 19 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 13 MietG. gestützte Aufkündigung für wirksam.

Das Berufungsgericht hob die Kündigung auf.

Der Oberste Gerichtshof bestätigte das Urteil des Berufungsgerichtes.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die seinerzeitige Einführung des Kündigungsgrundes des § 19 Abs. 2 Z. 13 MietG. stand mit der damaligen Aufhebung des Wohnungsanforderungsgesetzes im Zusammenhang. Der neu geschaffene Kündigungsgrund sollte im allgemeinen Interesse zu einer ausreichenden Ausnützung der vorhandenen Räume beitragen.

Dem Kündigungsgrund des § 19 Abs. 2 Z. 13 MietG. liegt der Gedanke zugrunde, daß ein Schutz gegen eine Aufkündigung nur dort zu gewähren ist, wo ein schutzwürdiges Interesse besteht. Dabei ist es gleichgültig, wer in der Wohnung wohnt oder wer im Geschäft tätig ist. Es muß dies nicht gerade der Mieter selbst sein. Vom Standpunkt der erwähnten Gesetzesstelle genügt Bewohntsein oder geschäftliches Benütztwerden des Mietgegenstandes überhaupt (vgl. Ausschußbericht 1929, bei Hesse, Mietengesetz, S. 138, Swoboda, Kommentar zum Mietengesetz, 2. Aufl., S. 241, SZ. XII/30, E. v. 5. Oktober 1949, 1 Ob 473/49, E. v. 8. März 1950, 1 Ob 57/50 u. a. m.). Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall gegeben, denn die aufgekundigte Wohnung dient der Befriedigung eines regelmäßigen Wohnungsbedürfnisses des dem Mittelschulstudium obliegenden Sohnes der Beklagten, die selbst ein- bis zweimal wöchentlich in die Wohnung kommt. Der Umstand, daß die aus zwei Zimmern, einem Kabinett und Nebenräumen bestehende Wohnung durch den Sohn allein nicht ausreichend ausgenützt ist, ist unerheblich. Bei der Auslegung der Bestimmung des § 19 Abs. 2 Z. 13 MietG. kommt es nicht darauf an, daß die Wohnung im Hinblick auf ihre Größe nicht ausreichend benützt (unterbelegt) ist, maßgebend ist vielmehr, ob ein schutzbedürftiges Interesse völlig mangelt. Das ist aber nur anzunehmen, wenn die Wohnung als solche entweder überhaupt nicht bewohnt wird (leersteht) oder nur unzulänglich benützt wird, d. h. zeitweilig leersteht, so daß hieraus der Schluß gerechtfertigt ist, daß ein regelmäßiges Wohnungsbedürfnis nicht mehr besteht. Wenn die Revision in Übereinstimmung mit dem erstinstanzlichen Urteil darauf hinweist, daß es bei der heutigen Wohnungsnot eine Ungeheuerlichkeit bedeute, wenn ein Student eine Zweieinhalb-Zimmer-Wohnung, die im übrigen sonst nur als Absteigquartier benützt wird, allein bewohne, so greift dieser Einwand nicht durch. Wenn ein vordringliches öffentliches Interesse an der ausreichenden Wohnraumausnützung gegeben ist, dann hat es gemäß § 5 Z. 13 WAG. die Verwaltungsbehörde in der Hand, die überzähligen Räume einer unterbelegten Wohnung anzufordern. Bei der Geltung des Wohnungsanforderungsgesetzes kann eine Wohnung wegen ihres Unterbelages nicht mit dem Kündigungsgrund des § 19 Abs. 2 Z. 13 MietG., sondern gegebenenfalls nur aus den Kündigungsgrunden des Eigenbedarfes aufgekundigt werden.

Ausgehend von dieser Rechtslage ist es daher unentscheidend, ob der Sohn bei den Schwiegereltern der Beklagten untergebracht werden könnte, oder ob die Beklagte, bzw. ihr Ehegatte in der Lage wären, den Sohn in einem Internat erziehen zu lassen. Es ist auch belanglos, ob die Beklagte dauernd oder auch nur vorübergehend ihren Wohnsitz nach V. verlegt hat. § 19 Abs. 2 Z. 13 MietG. muß vom Blickfeld des Schutzes und nicht von jenem der Schutzlosigkeit beurteilt werden (E. v. 20. Jänner 1933, 3 Ob 27/33, bei Sternberg, Neueste Rechtsprechung zum Mietengesetz, II, Nr. 1268). Schutzbedürftig ist aber in erster Linie der Sohn der Beklagten, der die Wohnung tatsächlich benützt. Daß sein Wohnungsbedürfnis ein dringendes sei, ist nicht erforderlich, es genügt ein Schutzbedürfnis.

Ist aber ein Schutzbedürfnis gegeben, dann fällt auch der Kündigungsgrund des § 19 Abs. 1 MietG., der von der klagenden Partei nur aus dem Gesichtspunkt eines mangelnden schutzwürdigen Interesses geltend gemacht wurde, in sich zusammen.

Anmerkung

Z23214

Schlagworte

Abwesenheit des Mieters, Kündigung, Kündigung wegen mangelnden Wohnbedürfnisses, Mangel eines Wohnbedürfnisses, Kündigung, Lohnbedürfnis, mangelndes, Kündigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1950:0020OB00427.5.0630.000

Dokumentnummer

JJT_19500630_OGH0002_0020OB00427_5000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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