TE OGH 1950/7/5 1Ob257/50

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Veröffentlicht am 05.07.1950
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Norm

Todeserklärungsgesetz vom 16. Februar 1883. RGBl. Nr. 20 §10a
Todeserklärungsgesetz 1950 §23
Verschollenheitsgesetz §3-7

Kopf

SZ 23/215

Spruch

Wenn die Voraussetzungen für eine Todeserklärung weder zur Zeit der Todeserklärung noch im Zeitpunkt der Entscheidung über den Aufhebungsantrag gegeben waren, so ist die Todeserklärung als ungerechtfertigt aufzuheben, ohne daß es eines Beweises bedarf, daß der Verschollene noch am Leben ist.

Entscheidung vom 5. Juli 1950, 1 Ob 257/50.

I. Instanz: Landesgericht Salzburg; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.

Text

Das Landesgericht Salzburg hat mit Beschluß vom 15. Dezember 1948 Karl H. gemäß § 4 VerschollenheitsG. für tot erklärt und den 2. Jänner 1945 als jenen Tag bestimmt, den Karl H. nicht überlebt hat. Seine Mutter Theresia H. hat nun am 1. August 1949 den Antrag auf Aufhebung dieser Todeserklärung gemäß § 10a TodeserklärungsG. mit der Begründung gestellt, daß ihr Sohn jedenfalls den 2. Jänner 1945 überlebt habe und daß die größte Wahrscheinlichkeit bestehe, daß er heute noch lebe.

Das Erstgericht hat daraufhin nach Vernehmung der angegebenen Auskunftspersonen mit Beschluß vom 24. November 1949 die Todeserklärung mit der Begründung aufgehoben, daß zwar weder erwiesen sei, daß Karl H. noch lebe, noch daß er schon gestorben sei, daß aber jedenfalls feststehe, daß er den 2. Jänner 1945 überlebt habe und daß er erst in Kriegsgefangenschaft verschollen sei, daher § 4 VerschollenheitsG. nicht angewendet und Karl H. deshalb derzeit überhaupt nicht für tot erklärt werden könne, weshalb der seinerzeitige Todeserklärungsbeschluß wegen vollständig geänderter Sachlage aufgehoben werden müsse.

Das Rekursgericht wies mit dem angefochtenen Beschluß in Abänderung der erstgerichtlichen Entscheidung den Antrag auf Aufhebung der Todeserklärung mit der Begründung ab, daß diese nur dann aufzuheben sei, wenn nachgewiesen sei, daß der für tot Zeit des Aufhebungsbeschlusses noch lebe, daß schon aus den Anträgen hervorgehe, daß die Mutter Theresia H. diesen Beweis nicht erbringen könne und daß sie auch durch Zeugen lediglich nachgewiesen habe, daß ihr Sohn in den ersten Monaten des Jahres 1944 im Kriegsgefangenenlager D. gewesen und nach einem mißglückten Fluchtversuch wieder eingeliefert worden sei.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurse der Theresia H. Folge und stellte in Abänderung des Beschlusses des Rekursgerichtes die Entscheidung des Erstgerichtes wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Nach § 10a des Gesetzes vom 16. Februar 1883, RGBl. Nr. 20, kann die Aufhebung der Todeserklärung beantragt werden, wenn der Abwesende nach der Todeserklärung noch am Leben ist. Bisher hat sich die Lehre nur mit der Frage befaßt, in welchem Zeitpunkt der für tot Erklärte im Sinne des § 10a des Gesetzes vom 10. Februar 1883 nachgewiesenermaßen noch gelebt haben muß. Während Pisko (Klang, 1. Aufl., I/1, S. 255) es für genügend erachtet, daß der für tot Erklärte nach der Todeserklärung noch am Leben war, ist nach der herrschenden Lehre der Nachweis erforderlich, daß er zur Zeit der Antragstellung, ja der Entscheidung über den Aufhebungsantrag noch lebt (Strobele, Todeserklärung und Beweisführung des Todes, S. 80, Robert Bartsch, Vorschriften über die Todeserklärung und die Beweisführung des Todes, S. 85, Sabaditsch, Gesetzgebung über Verschollenheit, Todeserklärung und Beweisführung des Todes, S. 98, Wolff in Klangs Komm., 2. Aufl., I, S. 160). Dieser auch im Revisionsrekurs aufgeworfenen Frage kommt aber im vorliegenden Falle gar keine entscheidende Bedeutung zu, da die Antragstellerin bloß den Beweis erbracht hat, daß Karl H. in den ersten Monaten des Jahres 1947 im Kriegsgefangenenlager gelebt hat und im März 1947 nach einem mißglückten Fluchtversuch dorthin zurückgebracht wurde. Der von der Antragstellerin erst im Revisionsrekurse angeführte Walter H. hat bloß in einer in der Rechtsanwaltskanzlei der Dr. Maria H. abgegegebenen eidesstättigen Erklärung bestätigt, daß er mit Karl H. vom März 1948 bis 26. oder 27. Juli 1949 in einem russischen Straflager beisammen war. Walter H. konnte vor Gericht nicht vernommen werden, da er von St. G. weggezogen ist und sein Aufenthalt nicht zu ermitteln war. Daher kann bloß davon gesprochen werden, daß Karl H. nach den Beweisergebnissen im März 1947 in einem Kriegsgefangenenlager gelebt hat. Demnach ist auch der Beweis dafür nicht erbracht, daß er nach der am 15. Dezember 1948 ausgesprochenen Todeserklärung noch gelebt hat, wohl aber, daß er den dort angegebenen Todestag, den 2. Jänner 1945 überlebt hat und daß er sich in einem Kriegsgefangenenlager befunden hat und daher die Voraussetzungen für eine Todeserklärung nach § 4 VerschollenheitsG. überhaupt nicht vorliegen (vgl. E. d. OGH. ÖJZ. 1949, EvBl. Nr. 201). Der Sinn der Bestimmung des § 10a TodeserklärungsG., bei dessen Auslegung auf die heute geltende Regelung der Voraussetzungen für eine Todeserklärung Bedacht zu nehmen ist, ist nun offenbar der, die Beseitigung von Todeserklärungen zu ermöglichen, bei denen sich durch neue Beweise ergeben hat, daß überhaupt die Voraussetzungen für eine Todeserklärung nicht vorliegen; denn handelt es sich bloß darum, daß etwa zur Zeit der Todeserklärung die Voraussetzungen für eine solche überhaupt nicht vorlagen, wohl aber daß dies später der Fall war, so geht es nur um eine Änderung des in der Todeserklärung angenommenen Todestages. In diesem Falle kommt daher nur eine Berichtigung der Todeserklärung in Frage. Ergibt sich dagegen aus den neuen Beweisen, daß die Voraussetzungen für eine Todeserklärung nach dem VerschollenheitsG. überhaupt nicht, nicht nur für die angenommene Art, u. zw. nicht bloß zur Zeit der ausgesprochenen Todeserklärung nicht gegeben waren, sondern dies auch noch im Zeitpunkt der Entscheidung über den Aufhebungsantrag zutrifft, so erweist sich damit die Todeserklärung überhaupt als ungerechtfertigt und muß deshalb im Sinne des § 10a beseitigt werden. Im vorliegenden Falle steht fest, daß Karl H. im Frühjahr 1947 in einem russischen Kriegsgefangenenlager gelebt hat, demnach wäre eine Todeserklärung nach § 4 VerschollenheitsG. ausgeschlossen (vgl. ÖJZ. 1949, EvBl. Nr. 201). Eine Todeserklärung nach § 7 VerschollenheitsG. ist schon deshalb ausgeschlossen, weil die Frist des § 7 erst mit dem Ende der Gefangenschaft beginnen würde, letzteres aber derzeit noch nicht eingetreten ist. Von einem Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 3, 5 und 6 VerschollenheitsG. kann überhaupt keine Rede sein.

Auf Grund der vom Antragsteller bewiesenen, neuen Tatsachen zeigte sich somit die ausgesprochene Todeserklärung als ungerechtfertigt und war sie daher nach § 10a TodeserklärungsG. aufzuheben.

Daher war dem Revisionsrekurse Folge zu geben und in Abänderung der zweitinstanzlichen Entscheidung der erstgerichtliche Beschluß wiederherzustellen.

Anmerkung

Z23215

Schlagworte

Aufhebung der Todeserklärung, Beweis zwecks Aufhebung der Todeserklärung, Todeserklärung, Aufhebung mangels Voraussetzungen, Verschollenheit, Aufhebung der Todeserklärung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1950:0010OB00257.5.0705.000

Dokumentnummer

JJT_19500705_OGH0002_0010OB00257_5000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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