TE OGH 1950/9/20 2Ob171/50

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Veröffentlicht am 20.09.1950
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Norm

EO §256
Straßenpolizeiordnung vom 27. März 1947, BGBl. Nr. 59 §6
Straßenpolizeiordnung vom 27. März 1947, BGBl. Nr. 59 §81
Straßenpolizeiordnung vom 27. März 1947, BGBl. Nr. 59 §83

Kopf

SZ 23/258

Spruch

Sofern nicht besondere behördliche Anordnungen bestehen, genügt es, die Gehsteige innerhalb der Zeit von 7 bis 22 Uhr zu reinigen und bei Glatteis zu bestreuen.

Entscheidung vom 20. September 1950, 2 Ob 171/50.

I. Instanz: Landesgericht Feldkirch; II. Instanz: Oberlandesgericht Innsbruck.

Text

Der Kläger begehrt Schadenersatz von der geklagten Partei als Eigentümerin eines Kaufhauses in Dornbirn mit der Behauptung, er habe am 23. Februar 1948 den Gehsteig vor dem Hause der Geklagten um etwa 3/4 7 Uhr früh benutzt. Da der Gehsteig trotz Neuschnee und Glatteis weder gesäubert noch bestreut war, sei er ausgerutscht und habe sich einen Schienbein- und Wadenbeinbruch zugezogen.

Der Erstrichter schränkte das Verfahren auf den Grund des Anspruches ein; beide Untergerichte erkannten den Anspruch als nicht zu Recht bestehend, wobei sie folgenden Sachverhalt feststellten: Am 23. Februar 1948, etwa zehn Minuten vor 7 Uhr morgens, glitt der Kläger, als er sich auf dem Wege zur Arbeitsstätte befand und in rascher Gangart mit gummibesohlten Schuhen auf dem Gehsteig vor dem Kaufhaus der geklagten Partei dahinschritt, beim Übergang von der Gehbahn zum Randstein aus und kam zu Fall, wodurch er sich einen Bruch des linken Unterschenkels zuzog. Am Abend vorher hatte es geregnet. Während der Nacht setzte leichter Schneefall ein. Der Weg war an diesem Morgen mit einer etwa 2 cm starken Schneedecke bedeckt. Zur Zeit des Unfalles schneite es nicht mehr. Im Gegensatz zum Erstgerichte stellte das Berufungsgericht, ohne daß dies gerügt worden wäre, fest, daß eine eigentliche Glatteisbildung zur Zeit des Unfalles nicht eingetreten war. Da der Gehsteig nach Wegstreifen der Schneeschicht an der Unfallstelle eine schwarze Farbe zeigte, wird angenommen, daß unter der Schneeschicht die Gehbahn zumindest leicht schlüpfrig und feucht war.

Der Oberste Gerichtshof hat der Revision des Klägers nicht Folge gegeben.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

§ 83 StPolO. ist gemäß § 81 StPolO. nur in jenen Gebieten anzuwenden, in welchen dies durch Kundmachung der Landesregierung nach § 6 StPolO. bestimmt wird. Eine solche Kundmachung ist für Dornbirn nicht erfolgt. Allein dies ist belanglos, da durch ortspolizeiliche Vorschrift diese Anordnung für Dornbirn in Kraft gesetzt wurde. Diese Anordnung verpflichtet die Hauseigentümer, nach jedem Schneefall die Gehwege zu säubern und ausgiebig zu bestreuen. Bei Glatteisbildung sind die zu reinigenden Flächen ehestens zu bestreuen. Eine bestimmte Zeit, in der diese Reinigung vorgenommen werden muß, ist nicht vorgesehen. Diese Vorschrift ist aber dem Verkehrsbedürfnis und dem Gebote der Billigkeit gemäß auszulegen. Es kann von jenen Personen, die zur Gehsteigreinigung verpflichtet sind, nicht verlangt werden, daß sie Nachtwache halten oder eine solche bestellen, um im Falle von Glatteisbildung sofort mit dem Streuen zu beginnen. In Anerkennung dieser Tatsache haben die Straßenpolizeivorschriften für Wien aus den Jahren 1930 und 1936 vorgeschrieben, daß die Gehsteige in der Zeit von 7 bis 22 Uhr vom Schnee zu säubern und sofort zu bestreuen sind, die nach 22 Uhr entstandenen Schneedecken oder Eiskrusten bis 7 Uhr vollständig zu beseitigen und die Gehwege ordnungsgemäß zu bestreuen sind. Wie der Oberste Gerichtshof in SSt. XVI/45 ausgesprochen hat, ist im allgemeinen für Wien den gesetzlichen Anordnungen Genüge geleistet, wenn der mit der Glatteisbildung verbundenen Gefahr in der Zeit von 7 bis 22 Uhr durch Bestreuung der Gehwege vorgebeugt wird, sofern nicht im einzelnen Fall infolge der Größe der Gefahr von den Behörden besondere Maßnahmen angeordnet werden. Wenn auch diesen für Wien erlassenen Bestimmungen keine Allgemeingültigkeit beigemessen werden kann, so kann doch gesagt werden, daß auch in anderen Städten keine wesentlich anderen Verkehrsbedürfnisse bestehen werden, vielmehr anzunehmen sein wird, daß die Verkehrsdichte vor 7 Uhr früh in Wien erheblich stärker sein wird, als etwa in Dornbirn. Sofern nicht besondere behördliche Anordnungen bestehen - die hier gar nicht behauptet wurden -, wird es daher in der Regel genügen, daß auch in anderen Städten die Gehsteige innerhalb der Zeit von 7 bis 22 Uhr gereinigt werden und in dieser Zeit bei Glatteisbildung sofort gestreut wird. Daß gerade in Dornbirn eine andere Ortsübung bestunde, wurde nicht bewiesen. Es wurde auch gar nicht behauptet, daß zur Zeit des Unfalles alle übrigen Gehsteige gereinigt und bestreut waren, der Kläger sich daher darauf verlassen durfte, daß auch der Gehsteig vor dem Hause der geklagten Partei gereinigt und bestreut ist. Mit Recht hat daher das Berufungsgericht angenommen, daß die geklagte Partei mit der Reinigung des Gehsteiges nicht in Verzug war, dies um so mehr, als nach den getroffenen Feststellungen die Wetterlage am Tage vorher eine Glatteisbildung nicht voraussehen ließ und der Schneefall erst kurz vor dem Unfalle aufgehört hat und nach § 83 StPolO. bei einem derart geringen Schneefall erst nach dem Schneefall zu säubern ist.

Die geklagte Partei hat somit den dem Kläger widerfahrenen Zufall nicht verschuldet, vielmehr hat dieser, wie das Berufungsgericht bereits ausführt, durch sein hastiges Gehen und eine nach den Straßenverhältnissen ungeeignete Schuhbesohlung den Unfall mitbedingt.

Anmerkung

Z23258

Schlagworte

Aufstreuen bei Glatteis, Gehsteig, Aufstreuen bei Glatteis, Glatteis, Streupflicht, Körperverletzung durch Glatteis, Reinigung des Gehsteiges, Glatteis, Schadenersatz Unfall durch Glatteis, Straße, Aufstreuen bei Glatteis, Streupflicht bei Glatteis, Unfall durch Glatteis, Verletzung durch Glatteis

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1950:0020OB00171.5.0920.000

Dokumentnummer

JJT_19500920_OGH0002_0020OB00171_5000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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