TE OGH 1950/9/27 2Ob603/50

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Veröffentlicht am 27.09.1950
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof als Revisionsgericht hat durch den Senatspräsidenten Dr.Etz als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr.Ullrich, Dr.Kuch und Dr.Sommer und den Rat des Oberlandesgerichtes Dr.Kisser als Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) M. F***** & Söhne, 2) Friedrich G*****, 3) L*****handel Gesellschaft m.b.H., 4) Otto P*****, 5) P***** Handels- und Kommissions Gesellschaft m.b.H., 6) Dr. H. & H. P*****, 7) S***** & Co, 8) Dr. K. S***** & Söhne 9) Internationale G***** Handels AG, sämtliche vertreten durch Dr.Otto Reimer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Franz König, Kunstmühle *****, vertreten durch Dr.Gustav Kaniat, Rechtsanwalt in Wien, wegen 10.244 S 46 s.A. infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 15. Juni 1950, GZ 1 R 209/50-20, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 9. Jänner 1950, GZ 2 Cg 520/47-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte ist schuldig, den Klägern die mit 870 S 15 bestimmten Revisionskosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Dem auf Zahlung eines aus Getreidelieferungen während des Krieges entstandenen Saldos von 10.244 S 46 g s.A. gerichteten Klagebegehren gab das Erstgericht Folge, wobei es die vom Beklagten erhobenen prozeßhindernden Einreden, insbesonders die aus der Behauptung der Unterwerfung unter ein Schiedsgericht abgeleitete Einwendung der "Unzulässigkeit des Rechtsweges bzw der Unzuständigkeit" zwar nicht im Urteilsspruch, aber in den Entscheidungsgründen verwarf. Die auf die Berufungsgründe der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtigen Beweiswürdigung und unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Berufung des Beklagten wurde vom Berufungsgericht, insoweit sie "sachliche Unzuständigkeit bzw. Unzulässigkeit des Rechtsweges" geltend machte, mit Beschluß verworfen. Im übrigen wurde ihr nicht Folge gegeben.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Revision des Beklagten, welche ihre Aufhebung wegen Nichtigkeit nach § 477 Z 6 ZPO sowie Aufhebung des erstgerichtlichen Urteils oder Abänderung im Sinn kostenpflichtiger Klagsabweisung, allenfalls Aufhebung und Rückverweisung der Streitsache an das Berufungsgericht oder an das Prozeßgericht I. Instanz zu neuerlicher Verhandlung und Entscheidung begehrt.

Das Berufungsgericht hat die im Berufungsstadium allein aufrecht erhaltene prozeßhindernde Einrede der "Unzulässigkeit des Rechtsweges bzw. sachlichen Unzuständigkeit" wegen Zuständigkeit eines Schiedsgerichtes, welche der Beklagte aus § 1 der sog. Einheitsbedingungen im deutschen Getreidehandel (Blge 2) ableitete mit Beschluß verworfen. Gegen diesen Beschluß findet im Hinblick auf § 519 ZPO, welcher die mit Rekurs anfechtbaren Beschlüsse des Berufungsgerichtes namentlich aufzählt, ein weiterer Rechtszug nicht statt, da es sich um eine Entscheidung über das Nichtvorliegen eines behaupteten Nichtigkeitsgrundes handelt (ÖRZ 1933, S. 148, ZBl. 1927, Nr. 261, ZBl. 1921, Nr. 176). Die Entscheidung des Berufungsgerichtes über den behaupteten Nichtigkeitsgrund ist demnach rechtskräftig und für den Obersten Gerichtshof bindend.

Es bedeutet darum eine Umgehung dieser Bestimmungen, wenn die Revision sich mit dieser Entscheidung nicht zufriedengibt, sondern sie sowohl mit dem Revisionsgrund des § 503 Z 1 wegen Nichtigkeit, als auch mit dem des § 503 Z 4 ZPO wegen unrichtiger Beurteilung auch weiterhin bekämpft.

Rechtliche Beurteilung

Beides ist verfehlt und unzulässig. Denn das behauptete Vorliegen einer Schiedsgerichtsvereinbarung müßte nach ständiger Lehre (Neumann S 99, 1475, 1479) und Rechtsprechung (GLUNF 4758, ZBl. 1928, Nr. 211, SZ VI/122, J.Buch 26) nicht mit der Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges, sondern mit jener der sachlichen Unzuständigkeit geltend gemacht werden. Unzulässigkeit des Rechtsweges liegt deswegen nicht vor, weil die Parteien auf das vertragsmäßige Recht, ihre Streitsache durch ein Schiedsgericht entscheiden zu lassen, ausdrücklich oder stillschweigend verzichten können und die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges die Aufgabe hat, die Grenzen des Verwaltungsverfahrens der Verwaltungsgerichtsbarkeit und des außerstreitigen Verfahrens zu wahren. Die Einhaltung eines Schiedsvertrages ist nicht eine von amtswegen (§ 240 al 2 ZPO) zu wahrende Angelegenheit. Es kommt somit der Nichtigkeitsgrund nach § 477 Z 6 ZPO nicht in Frage, aber auch nicht der des § 477 Z 3 ZPO, weil die Schiedsvertragsvereinbarung jederzeit ausdrücklich oder stillschweigend von den Parteien aufgehoben werden kann und es ihnen überlassen ist, sich auf den Schiedsvertrag durch Erhebung der Unzuständigkeitseinrede zu berufen oder nicht. Es liegt demnach keine unheilbare, sondern eine sog. verzichtbare, durch Präklusion zu beseitigende Unzuständigkeit vor. Diese bildet aber niemals einen Anlaß zu einem Einschreiten von amtswegen im Sinn des § 240 al 2 ZPO und begründet keine Nichtigkeit im Sinn des § 477 Z 3 ZPO. Damit erledigt sich auch die Mängelrüge, soweit sie die Ablehnung des Beweisantrages durch den Zg. Ernst R***** über den Umstand bemängelt, daß die Einheitsbedingungen (Blge. 2) für jedes einzelne Rechtsgeschäft zu dem jeweils in der Faktura genannten Kontrakt gegolten haben.

Aber auch im übrigen ist Mängelrüge unbegründet.

Der Oberste Gerichtshof hat in einer Reihe von Entscheidungen (ZBl 1921, Nr 52, 1 Ob 313/49, 1 Ob 283/50, 2 Ob 145/50, 2 Ob 158/50) ausgesprochen, daß Verfahrensmängel die vom Berufungsgericht nicht als solche anerkannt wurden, nicht mehr mit dem Revisionsgrund nach § 503 Z 2 ZPO geltend gemacht werden können, weil dies dem Grundsatz widersprechen würden, daß nur einmal - in der nächsthöheren Instanz - überprüft werden kann, ob ein Verfahrensmangel vorliegt. Der Beklagte hat aber die Ablehnung der von ihm im Verfahren I. Instanz gestellten Beweisanträge auf Vernehmung der Zg. Ernst R***** und Franz R*****, sowie auf Vorlage des Kontraktes bzw Schlußbriefes zwischen den Klägern und der Reichsstelle Berlin und Anfrage bei der Innung der Müller über die Lieferung von Getreide durch diese Reichsstelle, endlich auf P. V. schon in der Berufung erfolglos als Verfahrensmängel geltend gemacht.

Die Ablehnung dieser Beweisanträge wäre aber auch dann begründet, wenn man der in den erwähnten oberstgerichtlichen Entscheidungen ausgesprochenen Rechtsansicht nicht beitreten wollte. Die Vernehmung des Zg. R***** über die in der Revision genannten Umstände war unerheblich, weil sie nicht prozeßentscheidend sind. Wer immer Eigentümer des Getreides war, von wem immer die Kriebeg es gekauft haben mag, zu wessen Gunsten immer ein Eigentumsvorbehalt bis zur gänzlichen Abstattung des Kaufpreises begründet worden ist, als Verkäufer ist nach den Feststellungen der Untergerichte jedenfalls die Kriebeg aufgetreten. Es ist darum auch ganz unerheblich, ob aus dem Kontrakt zwischen den Klägern und der Reichsstelle Berlin sich ergeben würde, ob die Kläger bei dieser Getreide gekauft haben oder nicht. Ganz belanglos ist auch, woher das von der Reichsstelle nach den untergerichtlichen Feststellungen beschaffte und im Wege des Getreidewirtschaftsverbandes den Großverteilern überwiesene Getreide stammt, ob es aus Ostpreußen oder anderswoher aufgebracht wurde, wie Zg. R***** angeben sollte. Daß aber die Kläger nicht Verkäufer und Lieferer, sondern nur Fakturenersteller gewesen wären, wie der Beklagte behauptet hat, steht in offenem Widerspruch mit den untergerichtlichen Feststellungen. Ob die Kläger endlich über die bei der Länderbank auf das Konto der Landwarenhandel Ges. m.b.H. erlegten Beträge verfügen konnten oder nicht, ist für die Prozeßentscheidung ganz belanglos, weil selbst eine stille oder offene Zession, die übrigens durch die in Blge D dargetane Rückzession längst unwirksam geworden wäre, die Eigenschaft der Kläger als Verkäufer der Ware nicht tangiert hätte.

Mit der Rechtsrüge bekämpft die Revision sowohl die Entscheidung des Berufungsgerichtes über die vom Beklagten bestrittene Aktivlegitimation der Kläger als auch jene über die Gefahrtragung. In ersterer Hinsicht ist das Wesentliche schon zum Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens gesagt worden und es genügt darüber hinaus auf die zutreffende, von der Revision nicht widerlegte Begründung des angefochtenen Urteils hinzuweisen. Die Behauptung der Revision, die in Blge C genannte Kriegsbetriebsgemeinschaft unter der Anschrift L*****handel Ges.m.b.H. ***** sei nicht identisch mit der Kriegsbetriebsgemeinschaft des Getreidegroßhandels Alpen-Donau, ist willkürlich und findet keine Unterlage in der Aktenlage. Die 9 klg. Firmen haben sich aus was immer für Gründen zu einem Konsortium in der Form einer Gesellschaft nach bürgerlichem Recht zusammengeschlossen und zur Durchführung ihrer Geschäfte eine von ihnen, nämlich die Landwaren Donauland Ges.m.b.H. als "federführende Firma" bestellt. Diese Bezeichnung soll nur besagen, daß dieser Firma, also der Drittklägerin, die Geschäftsführung (§ 1190 ABGB) übertragen und im Sinn des § 1198 ABGB die Verwaltung anvertraut wurde, worin im Zweifel auch die Bevollmächtigung nach außen gelegen ist. Darum erfolgten auch Einzahlungen auf ihr Konto, und da die Kriebeg als bürgerlich-rechtliche Gesellschaft keine Firma besaß, zeichnete die Drittklägerin in wechselnder Form als "Landwaren Handel Donauland Ges.m.b.H. im Auftrag der Kriebeg (ZB Blge 3) oder als "Kriegsbetriebsgemeinschaft des Getreidegroßhandels Alpen-Donau, i.A der Gesellschaft federführend L*****handel Ges.m.b.H." (Blge 8) Vertragspartner des Beklagten war also niemals die Drittklägerin allein und im eigenen Namen, sondern immer nur als Bevollmächtigte der Kriebeg, deren Mitglied sie war. Die Aktivlegitimation der Kläger ist also von den Untergerichten zutreffend festgestellt worden. Wenn die Revision schließlich unter Wiederholung ihrer diesbezüglichen Berufungsausführungen und unter Berufung auf Zeillers Kommentar (Bd III.1. S 342 ff) den Standpunkt vertritt, die als zufälliger Untergang anzusehende Beschlagnahme des Getreides durch die Besetzungsmacht treffe als Zufall, der sich in ihrem Vermögen ereignete, die Kläger, so kann auf die zutreffenden Gründe der untergerichtlichen Entscheidungen und auf die in der hg Entscheidung 1 Ob 890/47 gegebene Begründung der gegenteiligen Meinung verwiesen werden, von der abzugehen der Oberste Gerichtshof sich nicht veranlaßt findet.

Es mag der Revision zugegeben werden, daß der von ihr vertretene Standpunkt zwar nicht von Zeiller, der diese Frage gar nicht behandelt, aber von einzelnen Schriftstellern wie Lenhoff, JBL 1929, 365, Oertmann, Dernburg II § 171 und Planck Komm. II.2 S 688 vertreten wird und auch vom Obersten Gerichtshof in dem Bestreben, die Kunden der Ratenhändler zu schützen, in früherer Zeit (SZ II/23, Amtl. Slg. 1519, JBl 1917 Nr 35, GLUNF 7214) gebilligt worden ist. Der Oberste Gerichtshof ist jedoch längst von dieser Judikatur abgegangen und hat sich der von Klang II.2 S 1005, Ehrenzweig II.1 S 413, Mayr 197. ua vertretenen Lehre angeschlossen, daß nach dem ABGB der Übergang der Gefahr weder mit der Vertragsschließung noch mit dem Eigentumsübergang zusammenfällt, sondern daß es nur auf die wirkliche Übergabe ankommt, ohne Rücksicht darauf, ob sie im besonderen Fall das Eigentum überträgt oder nicht. Das Gesetz will vielmehr, daß derjenige die Gefahr trage, dem die Nutzungen zufallen (§ 1050 ABGB), soweit nicht die Parteien etwas anderes bedungen haben. Es sei diesbezüglich auf die Entscheidungen JBl. 1937, Nr 256 und JBl 1934, S. 39 verwiesen, in denen diese Ansicht näher begründet und dahin ausgeführt wird, daß "die Gefahr deswegen beim Käufer liegt, weil er allein im Stande ist, sie durch schlechte Verwahrung Gefahren auszusetzen, die der Verkäufer weder voraussehen noch abzuwehren vermag. Bei Zugrundelegung der hier abgelehnten Rechtsanschauung wäre der Verkäufer oft geradezu dem Käufer ausgeliefert und die Gefahr würde ihn umsomehr belasten, je länger der Käufer mit der Zahlung säumt. Wäre das Eigentum nicht vorbehalten worden, so hätte der Käufer die Gefahr tragen müssen. Es besteht kein Grund für die Annahme, daß durch die Vereinbarung des Eigentumsvorbehaltes, die doch nur zugunsten des Verkäufers geschah, die Rechtslage sich in ihr Gegenteil verkehren sollte. Auch § 1311 ABGB führt zu keinem anderen Ergebnis, weil durch den zufälligen Untergang der Sache der Käufer die Benützungsmöglichkeit und die Anwartschaft auf das Eigentum, der Verkäufer aber letzteres selbst verliert, zugleich mit der Sicherheit, die ihm der Vorbehalt geboten hat. An dem obligatorischen Verhältnis zwischen Käufer und Verkäufer hat sich nichts geändert. Der Käufer ist darum trotz Verlustes der Sache zur Bezahlung des Kaufpreises verbunden."

Es braucht darum auf die Erörterung der Frage, ob ein Eigentumsvorbehalt an Getreide als einer verbrauchbaren Sache wirksam begründet werden konnte, und überhaupt rechtswirksam war und ob die Frage der Gefahrtragung, die je nur für bestimmte, nicht für Gattungssachen gilt (Klang II/2, S. 951), hier überhaupt von Bedeutung ist, nicht eingegangen zu werden.

Der unbegründeten Revision war daher der Erfolg zu verweigern. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E73411 2Ob603.50

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1950:0020OB00603.5.0927.000

Dokumentnummer

JJT_19500927_OGH0002_0020OB00603_5000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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