TE OGH 1950/10/18 1Ob586/50

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Veröffentlicht am 18.10.1950
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Norm

ABGB §372
ABGB §863
ABGB §870
ABGB §877
ABGB §879
ZPO §236

Kopf

SZ 23/294

Spruch

Ein vom Kläger erhobener Zwischenantrag auf Feststellung kann nur auf die Feststellung des Bestehens eines Rechtes oder Rechtsverhältnisses, aus dem der Klagsanspruch unmittelbar oder mittelbar hervorgeht, oder des Nichtbestehens eines solchen, von dem der Beklagte ein geltend gemachtes Gegenrecht ableitet, gerichtet sein.

Entscheidung vom 18. Oktober 1950, 1 Ob 586/50.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Das Erstgericht hat das auf Verurteilung der Beklagten zur Übertragung der Hauptmietrechte an der Wohnung Tür Nr. 5 in Wien I., E.-Straße 8, und Übergabe der Wohnung im geräumten Zustande an die klagende Partei gerichtete Klagebegehren wegen Unschlüssigkeit der Klage abgewiesen.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil mit der Begründung, daß sich aus den widerspruchsvollen Behauptungen des Klägers, die sich wechselseitig aus den Angeln heben, ergebe, daß der Kläger sich selbst nicht schlüssig sei; denn in der Klage und noch im Schriftsatz vom 6. Februar 1950 habe der Kläger sein in diesem Schriftsatz in der Richtung der Räumung erweitertes Begehren ausschließlich auf die Anfechtung der Mietrechtübertragung oder des Mietrechtverzichtes des Klägers zugunsten der Beklagten gemäß § 879 ABGB. gestützt, während er in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung am 22. Februar 1950 behauptet habe, niemals eine ausdrückliche Verzichtserklärung bezüglich seiner Hauptmietrechte, sei es der Hausinnehabung, sei es der Beklagten gegenüber abgegeben zu haben, auch weder gekundigt zu haben, noch gekundigt worden zu sein, so daß seine Hauptmietrechte nach wie vor zu Recht bestunden, weshalb er einen Zwischenantrag auf Feststellung des Bestandes seiner Hauptmietrechte gestellt habe; der Kläger habe diese widerspruchsvolle Stellungnahme auch nicht einmal im Berufungsverfahren aufgegeben und wolle sich offenbar beide Möglichkeiten offenhalten; diese Art der Prozeßführung sei aber unstatthaft.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Kläger führt in der Revision aus, das Klagebegehren werde auf den Rechtsgrund der §§ 870 und 879 Abs. 2 Z. 4 ABGB. gestützt; die Annahme des angefochtenen Urteils, daß Kläger in der Klage den Standpunkt eingenommen habe, eine erzwungene Verzichtserklärung abgegeben zu haben, sei geradezu aktenwidrig, da er in der Klage nur behauptet habe, daß er von der Beklagten genötigt worden sei, aus der Wohnung auszuziehen; es liege daher kein Widerspruch zwischen dem Vorbringen in Klage und Schriftsatz vor, es sei zu beurteilen, ob in der erzwungenen faktischen Überlassung der Wohnung im Sinne des § 863 ABGB. ein Überlassen der Mietrechte zu erblicken und bejahendenfalls, ob diese nichtig sei, verneinendenfalls wäre aber das erweiterte Klagebegehren zwar abzuweisen, dafür jedoch dem Zwischenantrag auf Feststellung stattzugeben.

Die Revision ist nicht begrundet.

In der Klage spricht der Kläger ausdrücklich von einem erzwungenen Verzicht auf seine Hauptmietrechte und erklärt, es handle sich um ein im Sinne des § 879 Abs. 2 Z. 4 ABGB. nichtiges Rechtsgeschäft, da die Beklagte die Zwangslage des Klägers benützt habe, um ihn zur Aufgabe seiner Mietrechte zu nötigen. Im Schriftsatz ONr. 4 behauptet der Kläger wieder, er habe dem Vorschlag der Beklagten, daß er ihr seine Wohnung überlasse, bzw. daß sie seine Wohnung übernehme, die erzwungene Zustimmung erteilt, er habe sich aber aus Angst vor Schwierigkeiten weder mit dem Hauseigentümer noch sonst mit jemandem wegen Aufgabe oder Übertragung der Mietrechte in Verbindung gesetzt, auch keinerlei Erklärung abgegeben und keine Kündigung oder sonst ein Schriftstück unterfertigt, sondern sei einfach mit seiner Frau weggezogen. In der mündlichen Verhandlung vom 22. Februar 1950 behauptete er schließlich noch, daß er niemals eine ausdrückliche Verzichtserklärung bezüglich seiner Hauptmietrechte der Hausinnehabung oder der Beklagten gegenüber abgegeben hat, daß auch keine Kündigung seitens des Klägers oder der Hausinnehabung erfolgt sei, sondern daß der Kläger nur durch die Beklagte gezwungen worden sei, die Wohnung zu verlassen, und daß die Beklagte auf Grund dieser faktischen Räumung der Wohnung durch den Kläger einen Hauptmietvertrag mit der Hausinnehabung abgeschlossen habe. Im Anschluß an dieses Vorbringen stellte der Kläger den Zwischenantrag auf Feststellung, es werde der beklagten Partei gegenüber festgestellt, daß die Hauptmietrechte des Klägers an der gegenständlichen Wohnung zu Recht bestehen. Dieses letzte Vorbringen kann insbesondere in Verbindung mit dem Zwischenantrag nur so verstanden werden, daß der Kläger nie eine ausdrückliche oder stillschweigende Verzichts- oder Abtretungserklärung hinsichtlich seines Mietrechtes abgegeben habe, während Kläger früher behauptete, eine erzwungene Erklärung, auf das Mietrecht zu verzichten, bzw. der Beklagten seine Wohnung zu überlassen, abgegeben zu haben. Demnach hat der Kläger in seinem letzten Vorbringen die Unrichtigkeit der Klagsbehauptungen über die Abgabe einer solchen Erklärung zugestanden und damit der Klage den Boden entzogen. Daß er das Klagebegehren nunmehr auf das Weiterbestehen seines Mietrechtes zufolge Fehlens einer Verzichts- oder Übertragungserklärung stützen, also den Klagegrund ändern wollte, geht aus seinem Vorbringen nicht hervor, das offensichtlich, wie übrigens der Kläger in seiner Revision ausdrücklich zugibt, lediglich zur Begründung des Zwischenantrages dienen sollte. Nach seinen Revisionsausführungen hat sich der Kläger nämlich den Vorgang so vorgestellt, daß das Gericht zunächst zu prüfen habe, ob der Kläger eine Verzichts- oder Übertragungserklärung abgegeben habe, und bejahendenfalls, ob diese gemäß § 870 oder § 879 Abs. 2 Z. 4 ABGB. nichtig sei, und dann der Klage stattgeben müsse, während es im Falle festgestellten Fehlens einer solchen Erklärung das Klagebegehren abzuweisen, jedoch dem Zwischenantrag auf Feststellung stattzugeben habe. Hat der Kläger sein Klagebegehren lediglich auf die Nichtigkeit dieser Erklärung gestützt, so macht er einen Anspruch im Sinne des § 877 ABGB. geltend, während der Räumungsanspruch des Mieters ein solcher im Sinne des § 372 ABGB. ist. Hat der Kläger auch durch sein Vorbringen in der mündlichen Verhandlung keine Klagsänderung vornehmen wollen, so hat er damit eben bloß die Unrichtigkeit seines früheren Vorbringens, auf die er sein Klagebegehren ausschließlich stützte, zugegeben, so daß die Klage ohne Aufnahme von Beweisen abzuweisen war.

Einen Zwischenantrag auf Feststellung für den Fall der Abweisung seiner Klage konnte aber der Kläger im Sinne des § 236 Abs. 1 ZPO. gar nicht stellen; denn ein solcher Feststellungsantrag muß im Sinne des § 236 ZPO. auf die Feststellung eines im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnisses oder Rechtes, von dem die Entscheidung im Rechtsstreite ganz oder teilweise abhängt, gerichtet sein. Das Feststellungsbegehren muß somit mit dem Klagsanspruch im Einklang stehen und müßte es sich also um die Feststellung des Bestehens eines Rechtes oder Rechtsverhältnisses handeln, aus dem der Klagsanspruch unmittelbar oder mittelbar hervorgeht, oder es muß um die Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtes oder Rechtsverhältnisses gehen, von dem der Beklagte ein geltend gemachtes Gegenrecht abgeleitet hat. Keineswegs kann aber das Begehren des Zwischenantrages in einer Richtung gehen, daß eine stattgebende Erledigung notwendig mit einer Abweisung der Klage verbunden wäre. Der Zwischenantrag soll ja keinen neuen Prozeßstoff zuführen, sondern nur der Ausdehnung der Rechtskraft der Entscheidung über die durch die Klage gegebenen Grenzen dienen (vgl. E. v. 8. Juli 1924, ZBl. 1924, Nr. 276, und v. 26. März 1929, ZBl. 1929, Nr. 223). Diese Voraussetzungen sind jedoch im vorliegenden Falle nicht erfüllt, wenn eine stattgebende Erledigung des Zwischenantrages nach den Ausführungen in der Revision nur im Falle der Klagsabweisung in Frage kommt. Daher war der Zwischenantrag auf Feststellung überhaupt unzulässig. Allerdings hätte der Antrag nicht bloß in den Urteilsgrunden erledigt werden sollen. Dieser Umstand allein kann aber nicht eine Aufhebung der Urteile der Untergerichte rechtfertigen, da das Erstgericht im Spruch seiner Entscheidung nur die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht dieses Urteil bestätigt und der Kläger in der Revision nicht gerügt hat, daß über den Zwischenantrag überhaupt nicht formell entschieden worden ist.

Demnach sind die geltend gemachten Revisionsgrunde nicht gegeben und war daher der Revision ein Erfolg zu versagen.

Anmerkung

Z23294

Schlagworte

Feststellung, Zwischenantrag auf -, Voraussetzungen, Zwischenantrag auf Feststellung, Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1950:0010OB00586.5.1018.000

Dokumentnummer

JJT_19501018_OGH0002_0010OB00586_5000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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