Norm
Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897. DRGBl. S. 219 §142Kopf
SZ 23/299
Spruch
Wer die Absonderung der Verlassenschaft beantragt, hat seine Besorgnis durch Angabe von Umständen zu begrunden, muß diese aber nicht bescheinigen.
Es ist Sache der Erben, zu beweisen, daß ein Grund zur Besorgnis nicht besteht.
Zur Begründung der Besorgnis genügen Umstände, die mit dem Tode des Erblassers und der Vermengung des Nachlasses mit dem Vermögen des Erben in keinem Zusammenhange stehen, nicht.
Entscheidung vom 25. Oktober 1950, 1 Ob 588/50.
I. Instanz: Bezirksgericht Hietzing; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Der Erblasser war Gesellschafter der OHG. Joh. A. & Söhne, welche eine Textilfabrik in K. betreibt. Er hinterließ zwei großjährige Söhne, Othmar und Erich, die die bedingte Erbserklärung abgegeben haben, welche sie später in eine unbedingte umwandelten. Die Verlassenschaft besteht im wesentlichen aus dem Geschäftsanteil des Erblassers. Die öffentlichen Gesellschafter der OHG. waren zuletzt der Erblasser und Hans A., beide kollektiv zeichnungsberechtigt. An der OHG. war als stiller Gesellschafter die Verlassenschaft nach Conrad A. sen., gestorben im Jahre 1933, vertreten durch zehn erbserklärte Erben, beteiligt, der auch auf Grund des ges vom 6. Oktober 1930 eine Forderung gegen die OHG. von damals 130.000 S Gold zusteht. Zur Hereinbringung dieser Forderung ist beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien ein Verfahren anhängig, das Margarethe H., eine Erbin nach Conrad A., im eigenen Namen und namens der Verlassenschaft nach Conrad A. gegen 1. Firma Joh. A. & Söhne, 2. Verlassenschaft nach Adolf A., 3. den erbserklärten Erben Othmar A., führt. Die Höhe der Forderung wird in diesem Rechtsstreit unter Berücksichtigung einer Goldwertklausel mit 135.531.23 S beziffert. Zur Sicherung dieser Forderung beantragte ein Teil der Erben nach Conrad A. die Vermögensabsonderung nach § 812 ABGB., die ihnen vom Erstgericht e unter Bestellung eines Separationskurators bewilligt wurde. Am 10. August 1948 beantragte der Erbe Othmar A. die Aufhebung der Nachlaßseparation.
Vom Erstgericht wurde diesem Antrag stattgegeben, da wohl eine Forderung bescheinigt sei, welche das Erstgericht mit 39.503.38 S errechnete, da es die Goldwertklausel nicht berücksichtigte. Dazu komme die Einlage des stillen Gesellschafters von ursprünglich 140.000 S Gold (nach der erstrichterlichen Rechtsansicht nunmehr wohl nur 93.333 S). Es sei aber keine subjektive Besorgnis für die Gläubiger gegeben.
Das Rekursgericht änderte den Beschluß dahin ab, daß der Antrag abgewiesen wurde, weil nach den mangelhaften erstgerichtlichen Feststellungen es durchaus nicht außer Zweifel stehe, daß die Ansprüche der Gläubiger volle Befriedigung finden werden, zumal die derzeitige Höhe der Forderung noch nicht feststehe. Erst wenn alle Ansprüche des Gläubigers feststunden, könnte beurteilt werden, ob eine Befriedigung des Gläubigers gewährleistet sei und damit die subjektive Besorgnis weggefallen sei.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des erbserklärten Erben Erich A. Folge und stellte den Beschluß des Erstgerichtes wieder her.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Im bisherigen Verfahren wurde noch nicht geklärt, welche Stellung die Verlassenschaft nach Adolf A. in der OHG. einzunehmen hat. Die beiderseitigen Behauptungen gehen diesbezüglich auseinander und sind auch widerspruchsvoll. Die beiden Erben behaupten, es stunde ihnen das Eintrittsrecht in die Gesellschaft auf Grund des Vertrages vom 27. Februar 1949 zu. Die antragstellenden Gläubiger hingegen wieder behaupten, auf Grund des Vertrages vom 6. Oktober 1930 wäre den Erben das Eintrittsrecht nur bis zum 1. Februar 1935 zugestanden. Sie seien daher nicht mehr berechtigt, in die Gesellschaft einzutreten. Es stunde ihnen nur der Auseinandersetzungsanspruch zu. Dem steht aber wieder entgegen, daß sie selbst einen zeichnungsberechtigten Separationskurator für den Nachlaß beantragten, der aber zur Voraussetzung hat, daß die Verlassenschaft die Gesellschaft mit den überlebenden Gesellschaftern fortsetzt. Diese Frage ist aber für die Entscheidung des vorliegenden Revisionsrekurses ohne wesentliche Bedeutung. Es handelt sich im Zeitpunkt des Todes des Erblassers um eine Zweimanngesellschaft, der ein stiller Gesellschafter angehört. Zwischen dem überlebenden Gesellschafter und dem stillen Gesellschafter und Gläubiger wurde im Jahre 1940 ein Übereinkommen getroffen, demzufolge der überlebende Gesellschafter Hans A. einen Teil seines Geschäfts- und Gewinnanteiles an den Gläubiger zur Abfindung seiner Forderung an ihn abtritt. Dieser Vereinbarung ist der Erblasser nicht beigetreten, sie hatte daher jedenfalls bis zum Tode des Erblassers nur Wirkung zwischen den Vertragsparteien. Inwieweit durch diese Vereinbarung, die gegen den Solidarschuldner, die Verlassenschaft nach Adolf A., erhobene Forderung betroffen wurde, ist hier nicht zu erörtern. In sämtlichen Gesellschaftsverträgen, die bisher dem Abhandlungsgerichte vorgelegt wurden, ist zwischen den Gesellschaftern vereinbart worden, daß die Gesellschaft durch den Tod eines Gesellschafters nicht aufgelöst werden soll. Bei einer Zweimanngesellschaft kann dies wohl nichts anderes bedeuten, als daß die Gesellschaft entweder mit den Erben fortgesetzt wird, oder daß der überlebende Gesellschafter berechtigt ist, den Gesellschaftsanteil des Verstorbenen zu übernehmen, daß also § 142 HGB. sinngemäß zur Anwendung zu kommen hätte. Welcher der beiden Fälle hier vorliegt, kann auf Grund der Urkundenabschriften, deren Übereinstimmung mit der Urschrift weder bestritten noch anerkannt wurde, mit Rücksicht auf die widersprechenden Behauptungen anläßlich der Rekurserledigung nicht entschieden werden. Wohl heißt es im Vertrag vom 6. Oktober 1930 - die Übereinstimmung mit dem Original vorausgesetzt -, daß durch diese Vereinbarung der Vertrag vom 27. Februar 1929 gerade auch hinsichtlich der Punkte über den Eintritt der Erben abgeändert sei, doch heißt es in dessen Abschnitt II wieder, daß für den Fall, als Conrad A. von seinem Rechte, mit seinem ganzen Guthaben als Gläubiger aufzutreten, Gebrauch macht, dieser Vertrag in seinem Abschnitt I nicht gelten soll, womit also für diesen Fall der ursprüngliche Vertrag vom 27. Februar 1929 über das Eintrittsrecht wieder Platz griffe. Doch kann die Entscheidung auch dieser Frage dahingestellt bleiben.
Wäre nämlich das Eintrittsrecht der Erben nach Adolf A. tatsächlich am 1. Februar 1935 erloschen - daß einer der Söhne des Adolf A. durch Anzeige vor dem 1. Februar 1935 sein Eintrittsrecht gewahrt hätte, kann hier unberücksichtigt bleiben, da dieser Eintritt dann nicht als Repräsentant des Verstorbenen, sondern kraft eigenen Rechtes erfolgt wäre -, so wäre der Geschäftsanteil des Verstorbenen dem überlebenden Gesellschafter zugewachsen (§ 142 HGB., Art. 7 Nr. 15 der 4. EVzHGB.). Den Erben stunde dann tatsächlich nur der Auseinandersetzungsanspruch zu, sie hätten also gegen die Gesellschaft nur den obligatorischen Anspruch auf Auszahlung einer Geldsumme, wobei die Gesellschaft verpflichtet wäre, sie von allen Gesellschaftsschulden zu befreien, sie allenfalls daher auch hinsichtlich der unbestrittenen Forderungen gegen die Gesellschaft sicherzustellen. Haben aber die Erben nur einen Anspruch auf Zahlung einer Geldsumme, so sind sie nicht berechtigt, sich namens der Verlassenschaft an der Geschäftsführung der oHG. zu beteiligen. Ein Vertreter dieser Verlassenschaft, sei es nun ein Kurator, seien es die Erben selbst oder ein Separationskurator, wäre keinesfalls zeichnungsberechtigt. Die Aufgabe eines Separationskurators könnte nur darin bestehen, diesen Auseinandersetzungsanspruch auf Grund einer Abschichtungsbilanz mit dem anderen Gesellschafter festzustellen, die Hereinbringung der Forderung zu überwachen und dafür zu sorgen, daß die eingehende Forderung mit dem Erbenvermögen nicht vermengt werde. Dies könnte aber auch ohne Separationskurator erreicht werden, so daß jedenfalls dieser Kurator entbehrlich wäre. Zur Begründung der subjektiven Besorgnis der Gläubiger müßten dann aber solche Umstände vorgebracht werden, aus denen sich ergibt, daß gerade die Vermengung des Nachlaßvermögens mit dem Erbenvermögen die subjektive Besorgnis der Gläubiger hervorruft. Dergleichen Umstände wurden aber gar nicht vorgebracht. Alle vorgebrachten Gründe bezogen sich lediglich auf die Geschäftsführung selbst. Aus diesen Gründen läßt sich aber die Vermögensabsonderung für diesen Fall nicht rechtfertigen.
Wären aber die Erben, so wie sie behaupten, eintrittsberechtigt, würde die Gesellschaft mit der Verlassenschaft und nach der Einantwortung mit den Erben fortzusetzen sein (Art. 7 Nr. 17 der 4. EVZHGB.). In diesem Falle stunde den Erben nach der Erbserklärung allenfalls die Verfügung über den Nachlaß zu. In diesem Falle wäre Raum für eine Vermögensabsonderung und Bestellung eines Separationskurators nach § 812 ABGB. Es genügt, daß der Gläubiger Befürchtungen für die Einbringlichkeit seiner Forderung hegt. Irgendeine Gefährdung ist nicht zu bescheinigen, es bleibt vielmehr den Erben überlassen zu beweisen, daß ein Grund zur Besorgnis nicht besteht. Allerdings müssen jene Umstände vom Gläubiger angegeben werden, welche die subjektive Besorgnis des Gläubigers begrunden. Die Besorgnis muß in dem durch den Tod des Erblassers entstandenen rechtlichen und tatsächlichen Gefahrenmoment ihre Ursache haben. Sie kann sich nicht auf Umstände grunden, die mit dem Tod des Erblassers und der Vermengung des Nachlasses mit dem Vermögen des Erben in keinem Zusammenhang stehen. Nun haben die Gläubiger die Umstände, auf die sie ihre subjektive Besorgnis zurückführen, bei ihrer Vernehmung zusammengefaßt. Diese Gründe sind, 1. daß die zur Firma gehörige Heumühle verkauft wurde, 2. daß Hans A. durch Nichtzahlung eines Betrages von 20.000 S Krankenkassengeldern die Zwangsverwaltung verschuldete, 3. daß durch Hans A. dem Finanzamt eine unrichtige Gewinnbeteiligung übermittelt wurde, 4. daß Hans A. eine Nichtigkeitsklage, betreffend das zwischen der Verlassenschaft nach Conrad A. sen. und ihm geschlossene Übereinkommen eingebracht habe, die abgewiesen wurde, 5. daß Hans A. gemeinsam mit dem verstorbenen Adolf A. einen falschen Offenbarungseid geleistet habe. Alle diese Umstände, die zur Begründung der subjektiven Besorgnis vorgebracht werden, stehen mit dem Tod des Erblassers und der dadurch geschaffenen Rechtslage in keinem wie immer gearteten Zusammenhange. Diese vorgebrachten Tatsachen haben sich zum Großteil bereits zu Lebzeiten des Erblassers ereignet und betreffen vor allem die Geschäftsführung des überlebenden Gesellschafters Hans A. Alle diese Umstände ergeben nicht den logischen Schluß, daß durch die Verfügungsgewalt der Erben über den Nachlaß die Gläubiger eine gerechtfertigte Besorgnis wegen Gefährdung ihrer Forderung haben könnten. Mangels solcher Umstände ist die Absonderung des Nachlaßvermögens nach § 812 ABGB., selbst wenn sie seinerzeit zu bewilligen gewesen wäre, nunmehr aufzuheben. Es war daher dem Rekurse stattzugeben und der erstgerichtliche Beschluß wiederherzustellen, ohne daß auf die Frage der Höhe der Forderung einzugehen war.
Anmerkung
Z23299Schlagworte
Absonderung der Verlassenschaft Besorgnis des Antragstellers, Besorgnis bei Nachlaßabsonderung, Beweis der Besorgnis wegen Nachlaßabsonderung, Nachlaßabsonderung Besorgnis des Antragstellers, Separatio Besorgnis des Antragstellers, Verlassenschaft Absonderung Besorgnis des AntragstellersEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1950:0010OB00588.5.1025.000Dokumentnummer
JJT_19501025_OGH0002_0010OB00588_5000000_000