TE OGH 1950/10/25 3Ob535/50

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Veröffentlicht am 25.10.1950
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Norm

ABGB §881
ABGB §1269
ABGB §1284
Strafgesetz §411

Kopf

SZ 23/305

Spruch

Ist der Ausgedingsberechtigte entsprechend einer im Übergabsvertrag enthaltenen Bestimmung vom Hofe weggezogen, weil ihm das weitere Verbleiben verleidet wurde, und begehrt er an Stelle der Ausgedingsleistung eine Geldrente, so kommt es bei deren Berechnung nur auf den gegenwärtigen Wert des vertraglich bedungenen Ausgedinges an, nicht aber auf die Leistungsfähigkeit des Hofes oder auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Ausgedingsverpflichteten.

Entscheidung vom 25. Oktober 1950, 3 Ob 535/50.

I. Instanz: Bezirksgericht Knittelfeld; II. Instanz: Kreisgericht Leoben.

Text

Das Prozeßgericht hat den Beklagten zur Zahlung einer Ausgedingsrente von 300 S monatlich ab 1. Mai 1949 verurteilt und das Mehrbegehren auf Zahlung einer weiteren Rente von 200 S monatlich abgewiesen.

Das Berufungsgericht hat über Berufung beider Prozeßparteien dieses Urteil bestätigt.

Der Oberste Gerichtshof gab den Revisionen beider Streitteile Folge, hob die Urteile der Untergerichte auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsfällung an das Prozeßgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanzen haben die Prozeßparteien am 27. August 1941 einen notariellen Übergabsvertrag geschlossen, in welchem die Klägerin ihre Liegenschaft EZ. 24 Kat.Gem. P. dem Beklagten gegen einen Übergabspreis von 12.000 RM übertragen und sich ein Ausgedingsrecht ausbedungen hat. Dieses Ausgedingsrecht sollte aus der Benützung des Häuschens Nr. 7 in Pr., Beheizung, Beleuchtung und Reinigung der Wohnung, Reinigung und Ausbesserung der Bett- und Leibwäsche, der Kleider und Schuhe, der bisher gewohnten Kost am gemeinsamen Tisch, einem monatlichen Brauchgeld von 25 RM, im Krankheitsfalle Wartung und Pflege, Arzt und Arzneien und im Ablebensfalle in der Bestreitung der Kosten des ortsüblichen, standesgemäßen Begräbnisses bestehen. Der Wert dieses Ausgedingsrechtes im Betrage von 4320 RM wurde in den Kaufpreis eingerechnet. Überdies wurde vereinbart, daß die Klägerin "im Unvergleiche", d. h. wenn es ihr unerträglich gemacht würde, am übergebenen Anwesen zu verbleiben, berechtigt sein sollte, wegzuziehen und an Stelle des Ausgedinges eine angemessene Geldentschädigung zu begehren.

Die Klägerin bat nun behauptet, daß der im Notariatsakte vom 27. August 1941 vereinbarte Fall des "Unvergleiches" eingetreten sei, und begehrt an Stelle des Ausgedinges eine Geldrente von 300 S ab 1. Mai 1949 und eine Erhöhung dieser Rente auf monatlich 500 S ab 1. August 1949.

Das Prozeßgericht hat festgestellt, daß der Beklagte mit Urteil des Bezirksgerichtes Knittelfeld vom 17. Dezember 1948, U 463/47, rechtskräftig der Übertretung des § 411 StG. schuldig erkannt wurde, weil er die Klägerin am 2. Oktober 1947 körperlich leicht beschädigt hat. Es hat weiters festgestellt, daß bei den Streitverhandlungen vor dem Prozeßgericht die Feindschaft zwischen den Prozeßparteien offen zutage getreten ist. Auf Grund dieses Sachverhaltes haben die Vorinstanzen angenommen, daß der im Notariatsakte erwähnte Fall des "Unvergleiches" eingetreten und die Klägerin daher berechtigt ist, von dem Anwesen wegzuziehen und an Stelle des Ausgedinges eine angemessene Geldrente zu begehren. Dieser zutreffenden Rechtsauffassung schließt sich der Oberste Gerichtshof an. Es kann demnach dahingestellt bleiben, ob der Beklagte dadurch, daß er sich im Vergleichswege verpflichtet hat, der Klägerin an Stelle des Ausgedinges eine Geldrente zu bezahlen, und daß er später diese Geldrente freiwillig erhöht hat, seine Verpflichtung zur Zahlung der Ausgedingsrente anerkannt hat. Die in der Revision des Beklagten vertretene Auffassung, daß der Fall des "Unvergleiches" nur dann gegeben wäre, wenn es der Klägerin unerträglich gemacht worden wäre, am Anwesen zu verbleiben, daß ein einziger Vorfall hiezu nicht ausreiche, sondern daß ein grob ungehöriges Verhalten und eine lieblose Behandlung eine gewisse Zeit angedauert haben müsse, kann nicht geteilt werden, vielmehr muß wohl eine strafgerichtliche Verurteilung des Beklagten wegen leichter körperlicher Beschädigung der Klägerin als ein für die Klägerin hinreichender Grund, vom Anwesen fortzuziehen, anerkannt werden. Es ist auch unentscheidend, ob der Beklagte bei dem Vorfall, der zu seiner strafgerichtlichen Verurteilung führte, von der Klägerin provoziert worden ist oder nicht. Es kann daher keinen Verfahrensmangel bilden, wenn die Vorinstanzen die vom Beklagten über das provozierende Verhalten der Klägerin angebotenen Beweise nicht durchgeführt und die Gründe des strafgerichtlichen Urteiles, aus denen hervorgehe, daß die Klägerin eine streitsüchtige Person sei und den Beklagten provoziert habe, nicht berücksichtigt haben.

Die Entscheidung des Rechtsstreites hängt demnach nur mehr davon ab, welche Rente der Klägerin als Ersatz für die im Vertrage vom 27. August 1941 bedungenen Ausgedingsrechte gebührt. Das Prozeßgericht ist von der Rechtsansicht ausgegangen, daß das Ausmaß dieser Rente von der Leistungsfähigkeit der vom Beklagten übernommenen Wirtschaft, ferner von der Leistungsfähigkeit des Beklagten und von dem Wert des Ausgedingsrechtes selbst abhänge. Es hat demgemäß bei der Feststellung der Höhe der Rente der Klägerin auf die im Gutachten des Sachverständigen festgestellte Ertragsfähigkeit der übergebenen Liegenschaft sowie auf die persönlichen Einkommensverhältnisse des Beklagten Rücksicht genommen. Das Berufungsgericht hat diese Rechtsansicht geteilt, denn es hat ausgesprochen, daß für die Höhe der Rente der Klägerin der Wert der durch den Übergabsvertrag bedingten Naturalleistungen unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Tragbarkeit für den Beklagten maßgebend sei, und hat auf die Ertragsfähigkeit der übergebenen Liegenschaft und das Einkommen des Beklagten Bedacht genommen.

Diese Rechtsansicht der Vorinstanzen wird von beiden Prozeßparteien mit Recht bekämpft. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung ist für die Höhe der der Klägerin gebührenden Ausgedingsrente nur der gegenwärtige Wert des im Vertrage vom 27. August 1941 für die Klägerin bedungenen Ausgedinges maßgebend, weil die Klägerin nach dem Inhalte dieses Vertrages im Falle des "Unvergleiches" an Stelle des bedungenen Ausgedinges eine angemessene Geldrente begehren darf. Für die Angemessenheit dieser Geldrenten ist weder die Ertragsfähigkeit des übernommenen Gutes noch die persönliche Zahlungsfähigkeit des Beklagten, sondern nur der gegenwärtige Wert des Ausgedinges maßgebend. Es handelt sich um eine vertragliche Schuldverpflichtung des Beklagten, so daß seine übrigen Einkommens- und Vermögensverhältnisse außer Betracht bleiben müssen. Wenn der Beklagte zufolge der Vertragsvereinbarung mehr leisten müßte, als den normalen Wirtschaftserträgnissen der übergebenen Liegenschaft entspricht, so kann auch dieser Umstand nicht berücksichtigt werden, weil der Übergabsvertrag vom 27. August 1941 im Hinblick auf das bedungene Ausgedingsrecht der Klägerin auch Elemente eines Glücksvertrages aufweist (§ 1269 ABGB.).

Da die Urteile der Vorinstanzen keine Feststellungen darüber enthalten, welche Geldrente gegenwärtig dem im Vertrage vom 27. August 1941 für die Klägerin ausbedungenen Ausgedinge entspricht, waren die Urteile beider Vorinstanzen aufzuheben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Prozeßgericht zurückzuverweisen.

Anmerkung

Z23305

Schlagworte

Ausgedinge, Verleiden des Zusammenlebens, Geldrente statt Ausgedingsleistung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1950:0030OB00535.5.1025.000

Dokumentnummer

JJT_19501025_OGH0002_0030OB00535_5000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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