TE OGH 1950/10/25 1Ob604/50

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Veröffentlicht am 25.10.1950
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Norm

ABGB §810
ABGB §833
Außerstreitgesetz §145

Kopf

SZ 23/300

Spruch

Wurde die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses mehreren Erben überlassen, so kann einem einzelnen Miterben gegen den Widerspruch auch nur eines anderen Miterben die Verwaltung des Nachlasses oder einer bestimmten Nachlaßsache, z. B. eines Unternehmens, nicht übertragen werden.

Die Vertretungsbefugnis des Nachlasses kann auf einzelne Miterben beschränkt werden; im Innenverhältnis kann dagegen ein Miterbe nur dann ausgeschlossen werden, wenn er sich Verfehlungen in der Geschäftsführung oder gegen einzelne Miterben zu Schulden kommen läßt.

Entscheidung vom 25. Oktober 1950, 1 Ob 604/50.

I. Instanz: Bezirksgericht Favoriten; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Das von Johann C. jun. derzeit unter der Firma "Joh. C. Autoschlosserei" geführte Unternehmen gehört zu je einem Sechstel den Geschwistern Johann C., Rosa C. und Karoline Z., während die zweite Hälfte in den Substitutionsnachlaß Johann C. gehört, zu dem die drei Genannten zu je einem Drittel die Erbserklärung aus dem Testament abgegeben haben. Den drei Substitutionsmiterben wurde am 12. Mai 1949 die Besorgung und Verwaltung des Substitutionsnachlasses überlassen.

Unter Hinweis auf diesen Beschluß beantragte Rosa C., ihrem Bruder Johann C. aufzutragen, ihr die Mitführung und Mitleitung des Betriebes, insbesondere den Zutritt zum Unternehmen sowie die Einsicht und Mitführung der Geschäftsbücher zu gestatten, also sie als gleichberechtigte Erbin an der Führung und Leitung des Betriebes teilnehmen zu lassen.

Das Erstgericht bewilligte diesen Antrag.

Das Rekursgericht hat den Beschluß im Ausspruch über das Recht der Antragstellerin auf Zutritt zum Unternehmen und Bucheinsicht aufgehoben, im übrigen den Antrag abgewiesen.

Es sei davon auszugehen, daß das Unternehmen ein handwerksmäßiges sei und daß nur Johann C. jun. die handwerkliche Fähigkeit und die gewerbliche Befugnis zur Führung des Unternehmens besitze, nicht aber Rosa C. Überdies habe die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses nicht zur Folge, daß allen Miterben das Recht zustehe, ein in den Nachlaß gehörendes Unternehmen in gleicher Weise zu leiten (SZ. V/87). Das wäre auch äußerst unzweckmäßig, weil eine derartige Kollektivvertretungsbefugnis erfahrungsgemäß zu ständigen Reibungen zu führen drohe. Dazu komme noch, daß Rosa C. gar nicht über ein Anrecht auf die Mehrheit der Erbquoten verfüge und daher bei sinngemäßer Anwendung des § 833 ABGB. kein Anrecht auf die Verwaltung des Nachlaßunternehmens hätte. Übrigens sei § 833 ABGB. in den Verlassenschaftsabhandlungen überhaupt nicht anwendbar, vielmehr habe das Verlassenschaftsgericht Streitigkeiten über die gemeinsame Verwaltung des Nachlasses durch die Erben von sich aus zu entscheiden. Angesichts dieses Sachverhaltes sei der Antragstellerin nur das Recht zuzubilligen, Rechnungslegung und Büchereinsicht zu fordern, aber auch das nicht zu jedem beliebigen Zeitpunkt, sondern nur nach Maßgabe einer ordentlichen Wirtschaftsführung, mindestens aber am Schluß eines jeden Rechnungsjahres. Zur Feststellung der erforderlichen näheren Anordnungen sei die Aufhebung des erstrichterlichen Beschlusses erforderlich.

Der weitergehende Antrag sei schon jetzt abzuweisen, zumal kein Anlaß bestehe, an den eingelebten Führungsverhältnissen des Betriebes etwas zu ändern, und eine weitgehende Einflußnahme der mit dem Betriebsführer verfeindeten und betriebsunkundigen Antragstellerin nach aller wirtschaftlichen Erfahrung die Rentabilität des Betriebes ungünstig beeinflussen und zu weiteren unliebsamen Vorfällen führen könnte.

Dieser Beschluß wurde von Rosa C. mit Revisionsrekurs angefochten.

Der Oberste Gerichtshof stellte den erstrichterlichen Beschluß wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Das Recht der Nachlaßverwaltung steht allen Erben, denen die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses überlassen wurde, zu. Einem einzelnen Miterben kann gegen den Widerspruch auch nur eines anderen Miterben die Verwaltung des Nachlasses oder einer bestimmten Nachlaßsache, z. B. eines Unternehmens, nicht übertragen werden. Damit steht auch nicht die Entscheidung SZ. V/87 in Widerspruch, da es sich dort um die Regelung der Vertretung nach außen gehandelt hat, aber nicht um die Geschäftsführung, also um gemeinsame Beratung und Entscheidung der Miterben, welche Maßnahmen getroffen und welche unterlassen werden sollen. Die Vertretungsbefugnis kann auf einzelne Miterben beschränkt werden, weil bei einer gewissen Anzahl von Miterben eine Kollektivvertretung aller Miterben undurchführbar wäre. Die Regelung der Abhandlungsprovisorien in der Weise, daß nur bestimmte Miterben oder auch alte Angestellte oder sonstige Vertrauensmänner mit der Vertretungsbefugnis nach außen betraut werden, entspricht altösterreichischer, noch auf die Zeit vor der Erlassung des AHGB. zurückgehender Tradition. Im Innenverhältnis kann dagegen ein Miterbe von der Mitwirkung an der Geschäftsführung nur dann ausgeschlossen werden, wenn er sich Verfehlungen in der Geschäftsführung oder gegen einzelne Miterben zu Schulden kommen läßt (vgl. E. v. 20. Oktober 1937, RZ. 1938, S. 13).

Daß sich Rosa C. Verfehlungen hat zu Schulden kommen lassen, ist gar nicht behauptet worden; es liegt nur die nicht überprüfte Behauptung der Revisionsrekurswerberin vor, daß der Antragsgegner sie am Betreten der Büroräume gewaltsam gehindert und sie sogar körperlich verletzt habe. Dieser Vorfall kann entgegen der Auffassung des Rekursgerichtes nicht dazu führen, daß die Antragstellerin von dem ihr nach dem Gesetz zustehenden Recht der Mitverwaltung und Geschäftsführung des Nachlaßunternehmens ausgeschlossen wird. Auch der Umstand, daß Johann C. bereits zu Lebzeiten seiner Mutter das Unternehmen, an dem alle drei Kinder gleichmäßig beteiligt sind, faktisch allein geführt hat, kann nicht dazu führen, daß nunmehr nach dem Tode der Mutter, in deren Rechte die drei Geschwister als Substitutionserben eingetreten sind, die Antragstellerin von der Mitverwaltung ausgeschlossen wäre, weil sie ihre Rechtsstellung nicht von der Mutter, sondern vom verstorbenen Vater ableite, daher das Verhalten ihrer Mutter ihren Rechten nicht präzidieren kann, die sie als Substitutionsmiterbin - und nur darüber hat der Oberste Gerichtshof zu entscheiden - geltend macht.

Bedeutungslos ist auch, daß sie nur mit einem Bruchteil unter 50% am Substitutionsnachlaß beteiligt ist, weil sie gar nicht die Alleinverwaltung, sondern nur die Mitverwaltung begehrt, auf die sie nach § 810 ABGB. ein gesetzliches Recht hat.

Keine Bedeutung kommt endlich auch der Tatsache zu, daß nach den Vorschriften des Gewerberechtes und des Handwerksrechtes der Antragsteller allein den Betrieb zu leiten hat; denn die Leitung des Betriebes betrifft nur das Außenverhältnis, während die Antragstellerin aber nur die interne Mitwirkung an der Geschäftsführung verlangt. Der Oberste Gerichtshof hat bereits in den in dieser Sache ergangenen Vorentscheidungen ausgeführt, daß die Gewerbeberechtigungsfrage mit dem Eigentum am Unternehmen überhaupt nichts zu tun hat. Daran hält der Oberste Gerichtshof fest. Unbeschadet der nur das Außenverhältnis regelnden gewerberechtlichen Vorschriften ist der Antragsgegner im Innenverhältnis - und nur dieses ist Gegenstand der Entscheidung, da eine Mitwirkung bei der Vertretung nach außen gar nicht verlangt wurde - an die Mitwirkung seiner Mitgesellschafter (Miterben) gebunden. Daß das Gewerberecht ihm allein zusteht, wirkt nur insofern auf das Innenverhältnis zurück, als er nicht durch Mehrheitsbeschluß zu Handlungen gezwungen werden kann, die ihn mit der Gewerbebehörde in Konflikt bringen könnten. Soweit das aber nicht der Fall ist, hat er im Innenverhältnis keine Sonderstellung.

Das Recht des jederzeitigen Zutrittes zum Unternehmen, die Einsicht und Mitführung der Geschäftsbücher sowie überhaupt die Mitführung und Mitleitung des Betriebes kann daher der Antragstellerin nicht verwehrt werden.

Es mußte demnach dem Revisionsrekurs Folge gegeben und der erstrichterliche Beschluß wieder hergestellt werden.

Anmerkung

Z23300

Schlagworte

Besorgung des Nachlasses bei mehreren Miterben, Miterben, mehrere, Nachlaßverwaltung, Nachlaßverwaltung bei mehreren Miterben, Verlassenschaft Verwaltung bei mehreren Miterben, Vertretung des Nachlasses bei mehreren Miterben, Verwaltung des Nachlasses bei mehreren Miterben

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1950:0010OB00604.5.1025.000

Dokumentnummer

JJT_19501025_OGH0002_0010OB00604_5000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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