Norm
EO §7Kopf
SZ 23/315
Spruch
Ein Anspruch auf Beseitigung eines Vorhängeschlosses und auf Entfernung von Gegenständen aus einem Zimmer auf Grund einer im Besitzstörungsverfahren erlassenen einstweiligen Verfügung ist nicht nach § 349 EO., sondern nach § 353 EO. durchzusetzen.
Entscheidung vom 3. November 1950, 3 Ob 600/50.
I. Instanz: Bezirksgericht Deutschlandsberg; II. Instanz:
Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.
Text
Auf Grund der im Besitzstörungsverfahren erlassenen einstweiligen Verfügung des Bezirksgerichtes Deutschlandsberg vom 30. August 1950, C 200/50-4, mit der a) dem Antragsgegner und nunmehrigen Verpflichteten verboten wurde, weitere Gegenstände in die rechts vom Bodeneingang gelegene Dachzimmerwohnung des Hauses zu bringen, b) das Verbot an den Verpflichteten gerichtet wurde, das an der Tür angebrachte Vorhängeschloß zu entfernen und die von ihm bereits eingebrachten Gegenstände aus dieser Wohnung zu entfernen, schließlich c) die Dachzimmerwohnung nicht mehr zu betreten, widrigenfalls im Falle des Zuwiderhandelns gegen das Verbot bzw. Gebot zu a) und c) über den Verpflichteten eine Ordnungsstrafe von 100 S verhängt werden würde, und bei Nichtentsprechen im Falle b) die betreibende Partei auf ihren Antrag ermächtigt werde, auf Kosten des Verpflichteten das Vorhängeschloß und die vom Verpflichteten eingebrachten Gegenstände aus der Dachzimmerwohnung zu entfernen, wurde die Exekution gemäß § 353 EO. durch die der betreibenden Partei erteilte Ermächtigung, auf Kosten des Verpflichteten das an der im Dachgeschoß des Hauses Deutschlandsberg Nr. 94 rechts vom Eingang gelegene Dachzimmerwohnung vom Verpflichteten angebrachte Vorhängeschloß und die von ihm in diese Wohnung eingebrachten Gegenstände zu entfernen bzw. entfernen zu lassen, vom Exekutionsgericht bewilligt.
Das Rekursgericht wies den Antrag auf Bewilligung der beantragten Exekution ab. Es vertrat die Rechtsmeinung, daß das, was in der einstweiligen Verfügung angeordnet wurde und von der betreibenden Partei in ihrem Exekutionsantrag begehrt werde, nichts anderes als ein Antrag auf Durchführung einer Räumungsexekution sei, die nicht nach den Bestimmungen des § 353 EO., sondern nur nach denen des § 349 EO. beantragt und bewilligt werden könne. Es könne daher nur das Vollstreckungsorgan die Entfernung des Schlosses und der Gegenstände vornehmen; die Vornahme der Exekution vor Verständigung des Verpflichteten sei unzulässig (die Zustellung sei nur an den im Exekutionsakt noch nicht ausgewiesenen Rechtsanwalt des Verpflichteten erfolgt), da hiedurch dem Verpflichteten die Möglichkeit genommen werde, einen Aufschiebungsantrag nach Art. 6 SchutzV. zu stellen. Überdies habe das Erstgericht nicht ausgesprochen, zur Erwirkung welcher Handlungen die Exekution bewilligt wurde, was zum Inhalt eines Exekutionsbewilligungsbeschlusses gehöre. Schließlich verwies das Rekursgericht darauf, daß, wenn auch im Exekutionsantrage nicht ausdrücklich die Räumung der ganzen Wohnung durch den Verpflichteten begehrt werde, sich dies aus dem Titel ergebe, in welchem praktisch dem Verpflichteten die Räumung der Wohnung aufgetragen wurde, was durch das Verbot des weiteren Betretens dieser Wohnung zum Ausdrucke komme. Das Wesen dieses Titels könne nicht dadurch geändert werden, daß die betreibende Partei in ihrem Antrag nur die Exekution zur Durchsetzung der im Punkt b) enthaltenen Gebote an den Verpflichteten beantragt habe; der Titel sei seinem Inhalte nach als eine Einheit, nämlich als Räumungsauftrag aufzufassen.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der betreibenden Partei Folge und stellte den Beschluß des Erstgerichtes mit der Maßgabe wieder her, daß die Exekution zur Erwirkung des Anspruches der betreibenden Partei auf Entfernung des Vorhängeschlosses und der vom Verpflichteten in die Dachzimmerwohnung eingebrachten Gegenstände bewilligt wird.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die Ansicht des Rekursgerichtes, der Exekutionsantrag stelle einen Antrag auf Durchführung einer Räumungsexekution im Sinne des § 349 EO. dar, muß als rechtsirrig bezeichnet werden. Der Exekutionstitel wurde im Zuge eines Besitzstörungsverfahrens erlassen, das die Wiederherstellung des Zustandes vor der Störung zum Gegenstande hat, während die Exekution nach § 349 EO. nur die Räumung einer Liegenschaft oder eines Teiles derselben von Sachen und Personen, in der Regel auf Grund eines Urteiles im Räumungs- oder Kündigungsprozesse, eines Auftrages auf Übergabe oder Übernahme des Bestandgegenstandes u. dgl. im Auge hat. Die im Titel unter Punkt a) und c) an den Verpflichteten gerichteten Verbote, bzw. Gebote können, da es sich um die Unterlassung von Handlungen handelt, überhaupt nur nach §§ 354 f. EO., keinesfalls aber nach § 349 EO. vollstreckt werden. Bei einstweiligen Verfügungen, die die im § 382 Z. 5 EO. erwähnten Verbote nachteiliger Handlungen zum Gegenstande haben, sind ebenso wie bei in einem Besitzstörungsverfahren ergangenen Erkenntnissen, die den Beklagten verpflichten, den vorigen Zustand wiederherzustellen, so eine Liegenschaft in den Zustand zu versetzen, in welchem sie sich vor der Störung befand, die Bestimmungen der §§ 353 bis 358 EO. im Exekutionsverfahren anzuwenden (GlUNF. 2092; RZ. 1933, S. 265, wo ausgesprochen wird, daß eine Entscheidung im Besitzstörungsverfahren, mit welcher die Entfernung eines an der Eingangstür angebrachten Schlosses aufgetragen wird, nur nach § 353 EO. vollstreckt werden kann; ZBl. 1922, Nr. 352, der ein Sachverhalt zugrunde liegt, nach welchem der Verpflichtete eigenmächtig bewegliche Sachen auf einem dem betreibenden Gläubiger gehörigen Lagerplatz eingebracht hat; Neumann - Lichtblau, Kommentar, II, S. 1101).
Das Rekursgericht hat aber auch übersehen, daß bereits im Exekutionstitel für den Fall des Zuwiderhandelns der betreibenden Partei die Ermächtigung erteilt wurde, auf Kosten des Verpflichteten das Vorhängeschloß und die vom Verpflichteten in die Wohnung eingebrachten Gegenstände aus dieser zu entfernen. An den Inhalt des Exekutionstitels ist aber das Exekutionsgericht bei der Beschlußfassung über den Exekutionsbewilligungsantrag gebunden und hat lediglich zu prüfen, ob die Voraussetzungen der §§ 7 und 9 EO. gegeben sind. Das Exekutionsgericht war daher schon aus diesem Gründe verpflichtet, die Exekution dem Titel gemäß zu bewilligen.
Es ist zwar dem Rekursgerichte beizupflichten, daß der Exekutionsbewilligungsbeschluß nicht dem Prozeßbevollmächtigten, sondern dem Verpflichteten selbst zuzustellen ist, da § 31 ZPO. keine Bestimmung über die Ermächtigung des Prozeßbevollmächtigten des Verpflichteten zur Entgegennahme des Exekutionsbewilligungsbeschlusses enthält; allein dieser Zustellmangel hat auf die Rechtsgültigkeit der Exekutionsbewilligung selbst - und nur um letztere handelt es sich im vorliegenden Falle, da es zu einem Vollzug der Exekutionsbewilligung durch das Exekutionsgericht im Hinblick auf die Bestimmung des § 355 Abs. 1 EO. gar nicht kommen konnte - keinen Einfluß, sondern ist nur für die Beurteilung, ob der Rekurs gegen den Exekutionsbewilligungsbeschluß vom Verpflichteten rechtzeitig erhoben wurde, von Bedeutung.
Es ist aber auch die Ansicht des Rekursgerichtes verfehlt, daß dem Verpflichteten die Möglichkeit zu einer Antragstellung nach Art. 6 SchutzV. durch den Beschluß des Exekutionsgerichtes unmöglich gemacht wurde, da einerseits die vorherige Vernehmung des Verpflichteten über den Antrag auf Exekutionsbewilligung nach § 353 EO. im § 358 EO. nicht zwingend vorgeschrieben ist und es anderseits dem Verpflichteten überlassen bleibt, auch derzeit noch einen bezüglichen Antrag zu stellen, zumal Anträge auf Aufschiebung oder Hemmung der Exekution nach Art. 6 SchutzV., welch letzterer sich keineswegs nur auf die Räumungsexekution bezieht, in der Regel erst nach der Bewilligung der Exekution gestellt werden können.
Das Rekursgericht ist schließlich auch nicht im Recht, wenn es eine Schwäche in der Formulierung des Exekutionsantrages erblickt, weil dieser die Ermächtigung verlangt, Vorhängeschloß und Gegenstände zu entfernen, bzw. entfernen zu lassen. Der betreibende Gläubiger kann trotz des Wortlautes des § 353 EO. ermächtigt werden, die Handlung selbst vorzunehmen (Neumann - Lichtblau, II, S. 1101); eine derartige Ermächtigung enthält bereits der Exekutionstitel. Dadurch, daß das Exekutionsgericht es dem Gläubiger überläßt, ob er die Handlung selbst ausführt oder durch einen Dritten vornehmen läßt, hat es die Bestimmungen des § 353 EO. nicht verletzt.
Wenn das Rekursgericht es endlich als einen Mangel findet, daß das Exekutionsgericht in seinem Bewilligungsbeschluß nicht ausgesprochen habe, "zur Erwirkung welcher Handlungen" die Exekution bewilligt wird, so wäre es verpflichtet gewesen, diesen Mangel durch eine Ergänzung des Bewilligungsbeschlusses zu beheben.
Da somit das Exekutionsgericht ohne Rechtsirrtum die Exekution gemäß § 353 EO. bewilligt hat, mußte dem Revisionsrekurs Folge gegeben und der erstrichterliche Beschluß mit der Maßgabe wiederhergestellt werden, daß auch der zu vollstreckende Anspruch gemäß § 63 Z. 2 EO. in den Exekutionsbewilligungsbeschluß aufgenommen wird.
Anmerkung
Z23315Schlagworte
Besitzstörungsverfahren, Beseitigung eines Vorhängeschlosses, Delogierung oder Exekution nach § 353 EO., Einstweilige Verfügung Beseitigung eines Vorhängeschlosses, Exekution nach § 353 EO. oder zwangsweise Räumung, Vorhängeschloß, Räumung zwangsweise oder Exekution nach § 353 EO., Schloß, Exekution auf Beseitigung, Verfügung einstweilige Beseitigung eines Vorhängeschlosses, Vorhängeschloß, Exekution auf Beseitigung, Zwangsweise Räumung oder Exekution nach § 353 EO.European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1950:0030OB00600.5.1103.000Dokumentnummer
JJT_19501103_OGH0002_0030OB00600_5000000_000