TE OGH 1950/11/15 1Ob358/50

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.11.1950
beobachten
merken

Norm

ABGB §1444
EO §35
ZPO §502 Abs1
ZPO §502 Abs2

Kopf

SZ 23/326

Spruch

Wenn der Unterhaltspflichtige Jahre hindurch geringere als die im Exekutionstitel festgelegten Leistungen erbringt und der Berechtigte es dabei bewenden läßt, so kann dies nur als Verzicht auf den nicht bezahlten Teil der bereits fällig gewordenen Unterhaltsbeträge, nicht aber als Zustimmung zu einer Herabsetzung des Unterhaltes in alle Zukunft angesehen werden.

Ein Rechtsstreit darüber, ob und inwieweit ein Unterhaltsvergleich durch spätere Abmachungen der Parteien abgeändert worden ist, ist kein Streit über die Bemessung des Unterhaltes.

Entscheidung vom 15. November 1950, 1 Ob 358/50.

I. Instanz: Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.

Text

Mit dem vom Rekursgericht abgeänderten Exekutionsbewilligungsbeschluß des Erstgerichtes ist der beklagten als betreibenden Partei gegen die klagende als verpflichtete Partei auf Grund eines gerichtlichen Vergleichs zur Hereinbringung der Unterhaltsraten von monatlich 450 S für die Zeit vom 1. Dezember 1945 bis 30. November 1948 (abzüglich bezahlter 9.100 S) die Fahrnisexekution bewilligt worden.

Dem Begehren der vorliegenden Oppositionsklage, der Anspruch aus dem Vergleich sei, soweit er 200 S monatlich übersteige, erloschen, hat das Erstgericht stattgegeben. Der Kläger habe, obgleich der Vergleich vom 4. Februar 1931 auf Bezahlung von 500 S monatlich gelautet habe, in der Folge nur mehr 400 S, dann 300 S, ab 1938 200 RM und ab 1947 wieder 300 S bezahlt. Die Beklagte habe dagegen keinen Einspruch erhoben und damit zu erkennen gegeben, daß sie in die entsprechende Herabsetzung des Unterhaltsbetrages willige. Durch die konkludent zustande gekommenen Vereinbarungen sei der ursprüngliche Unterhaltsvergleich abgeändert worden. Dabei geht das Erstgericht offensichtlich von der Annahme aus, daß die Erhöhung des Unterhaltsbetrages von 200 S auf 300 S im Jahre 1947 einen diesbezüglichen Anspruch der Beklagten nicht begrundet habe, weil dem Klagebegehren in voller Höhe (der Anspruch über 200 S sei erloschen) stattgegeben worden ist.

Infolge Berufung der beklagten Partei änderte das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß der Unterhaltsanspruch, soweit er 200 S übersteige, für die Zeit bis 30. April 1947, und soweit er 300 S übersteige, für die Zeit vom 1. Mai bis 31. Oktober 1947 erloschen sei. Das weitergehende Klagebegehren wurde abgewiesen. Das Berufungsgericht stellte auf Grund des wiederholten Beweisverfahrens fest, daß der Kläger trotz der vergleichsweise übernommenen Verpflichtung zur Bezahlung eines Unterhaltsbetrages von 500 S (333.33 S neu) monatlich später nur 400 S, dann 300 S und ab 1938 200 RM bezahlt habe. In der Zeit zwischen 1942 und 1945, als der Kläger in Haft gewesen sei, habe die Beklagte nichts bekommen, ab 1945 wieder 200 S und ab 1. Mai 1947 300 S. Es sei als erwiesen anzunehmen, daß sich die Beklagte für die Zeit bis 31. Oktober 1947 mit den verminderten Unterhaltsbeträgen zufrieden gegeben habe. Grund hiefür sei gewesen, daß die Beklagte auf die verschlechterten wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers und darauf, daß er von 1942 bis 1945 in Haft gewesen sei, habe Rücksicht nehmen wollen. Sie habe aber auf die im Vergleich vom 4. Februar 1931 enthaltenen restlichen Unterhaltsbeträge nicht auch für die weitere Zukunft verzichtet. Der Vergleich selbst sei nicht geändert worden. Da die Beklagte im Herbst 1947 (das sei ungefähr der 1. November) vom Kläger wieder die Erhöhung des Unterhaltsbetrages verlangt habe, sei dieser von diesem Zeitpunkt an wieder zur Bezahlung des ganzen Unterhaltsbetrages verpflichtet. Eine Abänderung des Vergleiches vom 4. Februar 1931 im Jahre 1933 sei nicht erwiesen worden.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Zu Unrecht vermeint die Revisionsgegnerin, daß der vorliegende Rechtsstreit nur die Bemessung des gesetzlichen Unterhaltes betreffe und daß deshalb gemäß § 502 Abs. 2 ZPO. die Revision nicht zulässig sei. Unter "Bemessung" ist nur die ziffernmäßige Festsetzung des Unterhaltes zu verstehen (E. v. 6. Mai 1950, 1 Ob 405/49 (Siehe Nr. 137). Im vorliegenden Fall ist der Unterhalt im Vergleich vom 4. Februar 1931 einvernehmlich bemessen worden und die vorliegende Oppositionsklage hat nicht die neuerliche Festsetzung des Alimentationsbetrages, sondern die Streitfrage zum Gegenstand, ob und inwieweit der Vergleich durch spätere Abmachungen der Parteien abgeändert worden ist. Nicht die Bemessung des Unterhaltes, sondern der teilweise Bestand der Unterhaltsforderung ist strittig. § 502 Abs. 2 ZPO. ist nicht anzuwenden, die Revision ist gemäß § 502 Abs. 1 ZPO. zulässig.

Unter dem Gesichtspunkt der unrichtigen rechtlichen Beurteilung macht der Revisionswerber geltend, daß bei Überlegung aller Umstände des Falles kein vernünftiger Grund zu einem Zweifel übrigbleibe, die Beklagte habe sich mit den geringeren Unterhaltsleistungen des Klägers endgültig zufriedengegeben. Denn was könne anderes angenommen werden, wenn jemand durch 15 Jahre auf Grund der Bitte des Schuldners um Nachlaß widerspruchslos geringere monatliche Zahlungen entgegennehme? Wenn sich die Beklagte auch etwas anderes gedacht haben möge, sei doch nur maßgebend, was der Kläger aus dem Verhalten des Beklagten habe entnehmen müssen. Demgegenüber ist darauf hinzuweisen, daß dem Revisionswerber insofern ein Irrtum unterläuft, als er mit der infolge des Ablaufes vieler Jahre gegen Treu und Glauben verstoßenden Geltendmachung der monatlichen Differenzbeträge operiert. Die Beklagte hat die Nachzahlung dieser Beträge für die zurückliegenden Jahre bis 31. Oktober 1947 gar nicht begehrt. Wenn sie dies getan hätte, hätte dies allerdings gegen Treu und Glauben und gegen die unzweifelhaft zustande gekommene Abmachung der Streitteile über die Herabsetzung der Unterhaltsbeträge bis dahin verstoßen. Hier ist aber nur die Frage von ausschlaggebender Bedeutung, ob im Verzicht auf Teilbeträge mehrerer Unterhaltsraten der Verzicht auf diese Teilbeträge auch für die Zukunft zu erblicken ist. Das Berufungsgericht hat die Gründe, warum es einen solchen weitergehenden Verzicht nicht annehme, ausgeführt. Auf Bitten des Klägers wollte die Beklagte der zeitweiligen Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers und dem Umstand Rechnung tragen, daß er in den Jahren 1942 bis 1945 in Haft war. Sie hatte aber sicherlich keinen Anlaß, für alle Zukunft auf den vereinbarten höheren Unterhaltsteil zu verzichten, weil die wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers besser werden und Verschlechterungen des Geldwertes eintreten konnten. Es wäre für die Parteien nahegelegen, dann, wenn sie den Vergleich vom 4. Februar 1931 als solchen teilweise außer Kraft setzen wollten, dies schriftlich zu tun. Das Berufungsgericht hat aber festgestellt, daß der vom Kläger behauptete schriftliche Vergleich vom Jahre 1935 nicht habe erwiesen werden können.

Im wesentlichen handelt es sich bei den angeführten Feststellungen des Berufungsgerichtes um die Würdigung der Beweise. Soweit aber darin auch Schlußfolgerungen rechtlicher Art erblickt werden, sind sie durchaus zutreffend. Der Kläger konnte mangels einer ausdrücklichen Vereinbarung der Streitteile aus der Tatsache, daß Unterhaltsteile von der Beklagten durch längere Zeit hindurch nicht in Anspruch genommen wurden, nur den Schluß ziehen, daß sie auf diese einzelnen Ratenteile verzichte, nicht aber, daß sie für die ganze weitere Zukunft mit der Herabsetzung des Unterhaltsbetrages und der Abänderung des Vergleiches vom 4. Februar 1931 einverstanden sei. Jede ausdrückliche oder stillschweigende Erklärung, einem Rechte zu entsagen, ist einschränkend auszulegen (§ 1444 ABGB.).

Der Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung liegt nicht vor.

Anmerkung

Z23326

Schlagworte

Alimente gesetzliche Zulässigkeit der Revision, Alimente Verzicht durch Unterlassen der Exekution, Bemessung des Unterhaltes, Exekution Verzicht durch Unterlassen der -, Revision Zulässigkeit in Unterhaltssachen, Unterhalt gesetzlicher Zulässigkeit der Revision, Unterhalt Verzicht durch Unterlassen der Exekution, Verzicht auf Unterhalt durch Unterlassen der Exekution

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1950:0010OB00358.5.1115.000

Dokumentnummer

JJT_19501115_OGH0002_0010OB00358_5000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten