Norm
ABGB §811Kopf
SZ 23/390
Spruch
Zur Stellung eines Verlassenschaftsgläubigers im Abhandlungsverfahren, insbesondere bei jure-crediti-Einantwortung.
Hat das Rekursgericht zu Unrecht einen Rekurs zurückgewiesen, der nach dem vorliegenden Sachverhalt sachlich hätte abgewiesen werden sollen, so kann der Oberste Gerichtshof eine mit der Rekursentscheidung inhaltlich übereinstimmende Sachentscheidung fällen.
Entscheidung vom 20. Dezember 1950, 2 Ob 823/50.
I. Instanz: Bezirksgericht Baden; II. Instanz: Kreisgericht Wr. Neustadt.
Text
Das Abhandlungsgericht hat den Nachlaß der Helene P. nach Gläubigerrecht eingeantwortet, der erbl. Mutter die Möbel der Verstorbenen auf Abschlag ihrer Begräbniskostenforderung und den beiden Nachlaßgläubigern X und Y eine Rentenforderung der Verstorbenen gegen die Angestelltenversicherungsanstalt in der Höhe von 673.50 S quotativ an Zahlungs Statt überlassen; gleichzeitig hat es einen Antrag der Gläubigerin Y, einen bei Gericht erliegenden Barbetrag von 1900 S in die Verlassenschaft einzubeziehen, abgewiesen.
Das Rekursgericht hat den von der Gläubigerin Y erhobenen Rekurs mangels Legitimation der Rekurswerberin zurückgewiesen.
Der Oberste Gerichtshof hat dem Revisionsrekurs der Gläubigerin Y keine Folge gegeben.
Rechtliche Beurteilung
Begründung:
Soweit der gegen den erstinstanzlichen Beschluß erhobene Rekurs die Nichteinbeziehung des bei Gericht erliegenden Betrages von 1900 S zum Inhalt hat, ist die Formalentscheidung des Rekursgerichtes zutreffend. Ein Verlassenschaftsgläubiger hat im Verlassenschaftsverfahren nicht die Berechtigung, als Beteiligter einzuschreiten. § 811 ABGB. zeigt, daß für Ansprüche eines Gläubigers nur insoweit verfahrensrechtlich vorgesorgt ist, als dem Gläubiger das Recht auf Absonderung eingeräumt ist. Bestimmungen, die es dem Nachlaßgericht auch ohne einen Antrag nach § 812 ABGB. zur Aufgabe machen, die volle oder quotative Befriedigung der angemeldeten Forderung zu überwachen oder zu erzwingen, bestehen nicht (vgl. 4 Ob 514/34, ZBl. 1935 Nr. 117, und 1 Ob 1132/37, ZBl. 1938, Nr. 153).
Das Rekursgericht hat aber bei seiner negativen Formalentscheidung übersehen, daß die Rekurswerberin auch die jurecrediti-Verteilung des zum Nachlaß gehörigen Guthabens der Verstorbenen bei der Angestelltenversicherungsanstalt bekämpft. Insofern kann der Rekurswerberin die Legitimation nicht abgesprochen werden, was sich schon daraus ergibt, daß § 73 AußstrG. vor der jure-crediti-Einantwortung die Einvernahme der betroffenen Gläubiger vorsieht (vgl. SZ. XIX/333 und GlUNF. 6892). Das Rekursgericht hätte daher insoweit, als Y diesen Teil des erstinstanzlichen Beschlusses angefochten hat, eine Sachentscheidung treffen sollen. Die dem Rekursgericht in dieser Hinsicht unterlaufene Unterlassung hat aber keineswegs zur Folge, daß der Oberste Gerichtshof dem Revisionsrekurs der Y schlechthin Folge geben und dem Rekursgericht eine neue Entscheidung auftragen muß. Der Oberste Gerichtshof hat bereits in der Entscheidung SZ. XV/176 ausgeführt, daß er berechtigt ist, falls eine aufhebende Entscheidung des Rekursgerichtes bekämpft wird, selbst die für richtig gehaltene Entscheidung zu fällen und daß er nicht gehalten ist, dem Rekursgericht eine neue Entscheidung auf Grund einer bindend ausgesprochenen Rechtsansicht aufzutragen. Das muß aber auch dann gelten, wenn das Rekursgericht zu Unrecht einen Rekurs zurückgewiesen hat, nach dem vorliegenden Sachverhalt aber der Rekurs hätte sachlich abgewiesen werden sollen. Auch hier verlangt es der Grundsatz richtig verstandener Prozeßökonomie, daß der Oberste Gerichtshof sofort seine mit der Rekursentscheidung inhaltlich übereinstimmenden Sachentscheidung an Stelle der rekursgerichtlichen Formalentscheidung setzt (E. v. 5. April 1950, 1 Ob 175/50 (Nr. 87)).
In der Sache kann der Oberste Gerichtshof die vom Revisionsrekurs und beispielsweise auch von Ehrenzweig, 2. Aufl., II/2, S. 522, vertretene Ansicht nicht teilen, daß die Zustimmung der betroffenen Nachlaßgläubiger unbedingtes Erfordernis für die Zulässigkeit einer jure-crediti-Einantwortung sei. Die Überlassung der Nachlaßaktiven nach Gläubigerrecht ist nicht einfach eine der abhandlungsbehördlichen Genehmigung bedürftige Übereinkunft, sondern eine auf geringfügige Nachlässe zugeschnittene, von Amts wegen getroffene Maßnahme des Verlassenschaftsgerichtes, die den Zweck verfolgt, bei Überschuldung des Nachlasses ein der Abwicklung eines Konkurses entsprechendes Ergebnis zu erzielen. Der Mangel des Einverständnisses eines Nachlaßgläubigers, dem Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden ist, macht daher nicht schlechthin die jurecrediti-Einantwortung hinfällig, sondern nur die Verweigerung des Einverständnisses aus triftigen Gründen. Ob solche Gründe vorliegen, ist vom Rekursgericht zu prüfen. Der Bestand der zweiten Nachlaßforderung wird von der Rekurswerberin nicht in Zweifel gezogen. Eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes kann sie nicht geltend machen, weil keine der beiden Forderungen, die auf das Guthaben verwiesen sind, gegenüber der anderen einen Vorrang hat. Die Rekurswerberin macht nur geltend, daß ihre Forderung bereits exekutionsfähig sei, während die andere Forderung der Exequierbarkeit ermangelt. Das vermag aber ebensowenig wie bei einem Konkurs bei der jure-crediti-Einantwortung der mit dem Exekutionstitel ausgestatteten Forderung ein Vorrecht zu verschaffen. Eine Aufhebung des Beschlusses des Erstgerichtes zum Zwecke der Bestellung eines Nachlaßkurators und Eröffnung eines Nachlaßkonkurses würde, selbst wenn, was sehr zweifelhaft ist, die Kosten eines Konkursverfahrens überhaupt gedeckt werden könnten, keinem Beteiligten zum Vorteil gereichen, weil die geringen Nachlaßaktiven sicherlich durch einen Konkurs aller Voraussicht nach aufgezehrt würden.
Die vom Abhandlungsgericht angenommene Überschuldung kann von der Rekurswerberin aber, weil ihr gegen die Inventur kein Rechtsmittel zustunde, nicht in Zweifel gezogen werden.
Aus diesen Gründen konnte dem Revisionsrekurs nicht Folge gegeben werden.
Anmerkung
Z23390Schlagworte
Abhandlungsverfahren Stellung der Gläubiger, Einantwortung an Gläubiger nach Gläubigerrecht, Stellung der Gläubiger, Gläubiger Stellung im Abhandlungsverfahren und bei, jure-crediti- Einantwortung, Jure-crediti-Einantwortung Stellung der Gläubiger, Nachlaß Stellung der Gläubiger, Rekurs unrichtige Zurückweisung, Entscheidung durch OGH., Verlassenschaft Stellung der Gläubiger, Zahlungs Statt Überlassung des Nachlasses an - Stellung der Gläubiger, Zurückweisung unberechtigte, eines Rekurses, Entscheidung des OGH.European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1950:0020OB00823.5.1220.000Dokumentnummer
JJT_19501220_OGH0002_0020OB00823_5000000_000