Norm
ABGB §166Kopf
SZ 23/387
Spruch
Der Grundsatz des Judikates 245, daß durch einen Unterhaltsvergleich der notwendige Unterhalt des Kindes auf keinen Fall beeinträchtigt werden kann, gilt auch für den Abfindungsvergleich.
Durch den zwischen Vormund, Vater (oder dessen Nachlaß) und Mutter abgeschlossenen, gerichtlich genehmigten Vergleich kann die Unterhaltspflicht des unehelichen Vaters zu einer subsidiären und die der Mutter zu einer primären gemacht werden, so daß die Unterhaltspflicht des Vaters an die weitere Voraussetzung gebunden ist, daß die Mutter zur Erfüllung ihrer Verpflichtung nicht imstande ist.
Dem überlebenden Gatten gebührt nur der mangelnde anständige Unterhalt. Es gebührt ihm daher kein Unterhalt, wenn er durch einen gesetzlichen Erbteil oder durch letztwillige Verfügung ohnedies versorgt ist, sein Unterhalt durch eigenes Vermögen gedeckt ist oder er sich durch eine entsprechende Erwerbstätigkeit selbst zu erhalten vermag.
Entscheidung vom 20. Dezember 1950, 1 Ob 216/50.
I. Instanz: Bezirksgericht Schwanenstadt; II. Instanz: Kreisgericht Wels.
Text
Die klagende Partei begehrt von der beklagten Partei die Leistung eines monatlichen Unterhaltsbetrages von 100 S mit der Begründung, die beklagte Partei sei die Witwe des am 4. September 1939 verstorbenen außerehelichen Vaters der klagenden Partei Anton H., habe 5/8 des reinen Nachlasses ihres verstorbenen Gatten mit einem Schätzwert von 24.266.56 RM geerbt, der Unterhaltsanspruch der klagenden Partei sei im Jahre 1939 durch den zwischen dem Bezirksjugendamt W. als Vormund der Klägerin und der beklagten Partei als Erbin des außerehelichen Vaters abgeschlossenen Vergleich mit dem Betrag von 4000 RM abgefertigt worden, dieser Betrag sei nun, soweit er nicht aufgebraucht worden sei, durch die Währungsreform entwertet worden, der Anspruch der klagenden Partei auf Leistung des notwendigen Unterhaltes könne durch den Vergleich nicht beeinträchtigt werden und entspreche der begehrte Unterhaltsbetrag der Leistungsfähigkeit der beklagten Partei.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit der Begründung ab, durch den Abfindungsvergleich an sich sei zwar der Anspruch der klagenden Partei auf den anständigen Unterhalt trotz ausdrücklichen Ausschlusses der clausula rebus sic stantibus nicht beeinträchtigt worden; doch habe die Kindesmutter im Punkt 3 dieses Vergleiches, der vom Vormundschaftsgericht genehmigt worden sei, für den Fall, daß der Abfindungsvertrag zur Leistung des Unterhaltes aus irgendeinem Gründe nicht ausreichen könnte, die Verpflichtung übernommen, diesen Unterhalt aus eigenem zu leisten und die Erbin nach Anton H. gegen alle allfälligen Ansprüche der Klägerin klag- und schadlos zu halten, demnach habe die Kindesmutter die auf die Beklagte als Erbin nach dem a. e. Kindesvater gemäß § 171 ABGB. übergegangene Schuld im Sinne des § 1405 ABGB. mit befreiender Wirkung für den bisherigen Schuldner, also die Beklagte, übernommen und erübrige sich mangels der Behauptung der Unfähigkeit der Kindesmutter zur Gewährung des Unterhaltes, ja sogar der Bestreitung der gegenteiligen Behauptung der Beklagten eine Prüfung, inwieweit die Unterhaltspflicht der Beklagten für den Fall der Mittellosigkeit der Kindesmutter eintreten könnte, weiters betrage der reine Erbteil nach Abzug der darauf entfallenden Gebühren und Kosten sowie des geleisteten Abfindungsbetrages samt Vergleichskosten 18.662.22 S und entfalle, da seit dem Erbfall ungefähr zehn Jahre verstrichen seien, wenn die achtmonatige Dauer der zweiten Ehe der Beklagten abgezogen würde, bei Verteilung des Betrages von 18.662.22 S auf diesen Zeitraum auf einen Monat bloß die Summe von nicht einmal 180 RM, so daß angenommen werden könne, daß der Nachlaß durch den Unterhalt der Beklagten verbraucht sei, überdies seien von dem Abfindungsbetrage immerhin noch Bundesschuldverschreibungen im Nominale von 850 S vorhanden.
Das Berufungsgericht hob mit dem angefochtenen Beschluß unter Rechtskraftvorbehalt das erstgerichtliche Urteil unter Verweisung der Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht auf und führte in der Begründung aus, die vom Erstgericht angenommene Schuldübernahme durch die Kindesmutter sei im gegebenen Falle nicht angängig, da dem unehelichen Kind der notwendige Unterhalt unter allen Umständen gewahrt bleiben müsse, daran auch durch den Vergleich nichts geändert worden sei und durch die Haftungserklärung der Kindesmutter nicht an Stelle eines zahlungsfähigen Nachkommen die wirtschaftlich schwächere Mutter als Alleinschuldnerin gesetzt werden könne, der Vergleich nur bedeute, daß sich die außereheliche Mutter verpflichtet habe, vorerst für den Unterhalt der Klägerin, falls die Abfindung nicht ausreichen sollte, zu sorgen, so daß maßgebend und daher festzustellen sei, wieweit die außereheliche Kindesmutter den Unterhalt der Klägerin decke oder decken könne, wogegen verneinendenfalls die Beklagte als Erbin nach dem außerehelichen Vater zahlungspflichtig sei. Die Frage der Zahlungsfähigkeit der Kindesmutter hätte das Erstgericht gemäß den §§ 182, 183, 432 ZPO. zu klären; es sei auch nicht richtig, daß der Nachlaß durch den Unterhalt der Beklagten verbraucht sei, weil die Beklagte Erbin des außerehelichen Vaters sei und sich überdies am 27. Juli 1942 wieder verehelicht habe, so daß die Voraussetzungen des § 796 ABGB. nicht gegeben seien. Außerdem habe der Nachlaß Erträgnisse abgeworfen, von denen die Beklagte offenbar habe leben können, ohne die Substanz anzugreifen, in welcher Richtung allerdings ebenfalls das Verfahren zu ergänzen wäre. Da die Beklagte nur zu 5/8 des Nachlasses Erbin sei, werde auch zu klären sein, ob allenfalls auch gegen andere Erben ein gleichartiger Anspruch seitens der Klägerin geltend gemacht werde. Aus der Zuschrift des Magistrates der Stadt Linz vom 20. Oktober 1949 ergebe sich, daß die Bundesschuldverschreibungen im Nominale von 850 S und ein Barbetrag von 312 S dem Fürsorgeamt Linz zum teilweisen Rückersatz übergeben worden seien, so daß beim Jugendamt tatsächlich keinerlei Vermögen der Minderjährigen mehr erliege.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurse der beklagten Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Es muß davon ausgegangen werden, daß durch einen Unterhaltsvergleich der Anspruch eines außerehelichen Kindes auf den notwendigen Unterhalt auf keinen Fall beeinträchtigt werden kann (vgl. Judikat 245, amtl. Slg. NF. Nr. 1679). Dies gilt auch für einen Abfindungsvergleich, der ja nichts anderes bedeutet, als daß an Stelle einer laufenden Unterhaltsleistung ein entsprechender Kapitalsbetrag gegeben wird, der den Unterhalt für die Zukunft decken soll. Wie der Oberste Gerichtshof schon in seinen Entscheidungen vom 11. Dezember 1929, 3 Ob 992/29, JBl. 1930, S. 190, und vom 23. September 1930, 3 Ob 492/30, JBl. 1931, S. 240, ausgeführt hat, kann ein zwischen Vormund, Vater und Mutter abgeschlossener gerichtlich genehmigter Abfindungsvergleich zwar keinesfalls den Anspruch des Kindes auf den mangelnden notwendigen Unterhalt gegen den Vater endgültig aufheben, wohl aber kann ihm die Bedeutung zukommen, daß die Alimentationspflicht des Vaters in Abweichung von der gesetzlichen Reihenfolge zur subsidiären und jene der Mutter zu einer primären gemacht wurde und daher die Unterhaltspflicht des Vaters an die doppelte Voraussetzung gebunden ist, daß der Abfindungsbetrag zur Deckung dieses Unterhaltes nicht mehr ausreicht und daß die nach dem Vergleich in erster Linie zur Unterhaltsleistung verpflichtete Mutter zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeit nicht imstande ist. Dies gilt naturgemäß auch, wenn ein solcher Vergleich nicht vom Vater, sondern von dessen Nachlaß oder dem Erben nach der Einantwortung geschlossen worden ist. Um einen derartigen Vergleich handelt es sich nun im vorliegenden Falle. Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes und insbesondere dessen Ansicht, daß der Frage der Leistungsfähigkeit der Kindesmutter entscheidende Bedeutung zukomme, ist daher zutreffend. Wenn die beklagte Partei meint, mangels Behauptung der Leistungsfähigkeit der Kindesmutter durch die klagende Partei bzw. Bestreitung der gegenteiligen Behauptung der Beklagten, wäre das Klagebegehren einfach abzuweisen und es könne nicht die Pflicht des Richters nach § 432 ZPO. so weit gehen, die klagende Partei, bzw. deren Vertreter, einen erfahrenen Justizbeamten, dazu anzuleiten, das Vorbringen der Beklagten darüber, daß die Kindesmutter in der Lage sei, für den notwendigen Unterhalt des Kindes aufzukommen, so ist dem entgegenzuhalten, daß die beklagte Partei die Subsidiarität ihrer Unterhaltspflicht nach dem Vergleich gar nicht eingewendet, sondern lediglich bei der zweiten Verhandlung vorgebracht hat, daß laut Punkt 2 des Vergleiches alle Ansprüche der Klägerin und deren Mutter auch für alle Zukunft gegen die Verlassenschaft nach Anton H. erledigt und getilgt seien, daß die Klägerin daher den Anspruch auf den notwendigen Unterhalt gegen die Verlassenschaft nur mehr geltend machen könne, wenn dieser notwendige Unterhalt der Klägerin nicht anderweitig gewährt würde, daß aber die Kindesmutter bisher für den Unterhalt der Klägerin aufgekommen sei und hiefür auch in Zukunft aufkommen könne. Die Beklagte hat sich demnach auf jenen Teil des Vergleiches, der den Wechsel der Reihenfolge der Unterhaltspflichten der Erben nach dem Kindesvater und der Kindesmutter regelt, überhaupt nicht berufen und gar nicht die Subsidiarität ihrer Unterhaltspflicht vorgebracht. Da den Vater und ebenso dessen Nachlaß, bzw. dessen Erben nach dem Gesetz sonst die primäre Unterhaltspflicht trifft, bestand für die klagende Partei kein Anlaß zu behaupten und zu beweisen, daß die Unterhaltspflicht der Beklagten durch den Vergleich zu einer subsidiären wurde und die hienach primär verpflichtete Kindesmutter den Unterhalt nicht leisten könne. Wenn das Berufungsgericht aussprach, das Erstgericht müsse noch die Frage der Leistungsfähigkeit der Kindesmutter prüfen, obwohl die Beklagte gar nicht eingewendet hatte, daß ihre Unterhaltspflicht nur mehr subsidiär sei, so gereicht dies nur der Beklagten zum Vorteil und kann sie sich daher über dieses Vorgehen des Berufungsgerichtes nicht beschweren.
Die weitere vom Berufungsgericht ausgesprochene Ansicht, daß ein Unterhaltsanspruch der Beklagten im Sinne des § 796 ABGB. nach ihrem eigenen Vorbringen nicht gegeben sei, ist ebenfalls zutreffend, wenn auch nicht ganz klar ausgeführt. Vor allem erlischt der Unterhaltsanspruch der Gattin des Verstorbenen nach § 796 ABGB. endgültig mit ihrer Wiederverehelichung ohne Rücksicht auf die Dauer der zweiten Ehe, sofern diese nur gültig ist (vgl. Weiss in Klangs Kommentar, 1. Aufl., II/1, S. 748). Weiters gebührt dem überlebenden Gatten nur der mangelnde anständige Unterhalt, also dann nicht, wenn er durch ein gesetzliches Erbteil oder durch letztwillige Verfügung ohnehin versorgt ist oder sein Unterhalt durch eigenes Vermögen gedeckt ist oder er sich auch nur durch eine entsprechende Erwerbstätigkeit selbst zu erhalten vermag (so Ehrenzweig, II/2, 2. Aufl., S. 179, Weiss, a. a. O., S. 747, vgl. auch E. v. 8. Oktober 1913, GlUNF. 6594). Da der Beklagten somit nur der mangelnde anständige Unterhalt gebührt, hätte sie bei Geltendmachung dieses Anspruches auch behaupten und beweisen müssen, daß ihr anständiger Unterhalt nicht auf andere Weise gedeckt ist (Weiss, a. a. O., S. 746). Übrigens gibt die Beklagte in ihrem Rekurse sogar zu, daß sie von den Erträgnissen ihres Witwengewerbebetriebes gelebt habe und deshalb ihr Erbteil zur Deckung des Unterhaltes nicht herangezogen werden mußte. Somit stand der Beklagten nach ihrem eigenen Vorbringen im Rekurse ein Unterhaltsanspruch nach § 796 ABGB. nicht zu.
Die Aufhebung des erstgerichtlichen Urteiles durch das Berufungsgericht ist somit zutreffend und mußte deshalb dem Rekurse der Beklagten ein Erfolg versagt bleiben.
Anmerkung
Z23387Schlagworte
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ECLI:AT:OGH0002:1950:0010OB00216.5.1220.000Dokumentnummer
JJT_19501220_OGH0002_0010OB00216_5000000_000