Norm
ABGB §918Kopf
SZ 24/54
Spruch
Die Wirksamkeit einer Rücktrittserklärung ist nicht vom Anbot der Rückstellung der Gegenleistung abhängig.
Entscheidung vom 28. Feber 1951, 1 Ob 146/51.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Die Klägerin übergab am 8. September 1948 ihre mit 10.000 S bewertete Traberstute "Blitzmädl" dem Erstbeklagten ins Eigentum; dieser gab der Klägerin als Gegenleistung seinen Traberhengst "Registrator", der mit 22.000 S bewertet wurde; aus dieser Transaktion folgte für die Klägerin die weitere Verpflichtung, daß diese einen Betrag von 12.000 S an den Erstbeklagten zu leisten hatte. Alle Leistungen sollten bis 1. Oktober 1948 erfolgen.
Die Klägerin hatte bis 1. Oktober die Stute und einen Betrag von 6000 S übergeben. Die Zweitbeklagte erklärte mit Schreiben vom 4. Oktober 1948 den Rücktritt vom Vertrag. Auf diesen Schritt der Beklagten hin verlangte die Klägerin eine Nachfrist, die die Beklagte bis 10. Oktober 1948 erteilte. Aber auch bis zu diesem Zeitpunkte hat die Klägerin die restlichen 6000 S nicht bezahlt. Eine nach Wochen angebotene Zahlung wurde von der Zweitbeklagten abgelehnt.
Beide Untergerichte haben die Klage auf Erfüllung abgewiesen:
Sie gingen hiebei davon aus, daß es sich nicht um einen Tausch, sondern um einen Kauf handelte, bei dessen Durchführung die Klägerin mit ihren Verpflichtungen in Verzug geraten sei, weshalb die Zweitbeklagte berechtigt war, den Rücktritt vom Vertrag - unter Setzung einer Nachfrist - zu erklären. Das Berufungsgericht hat noch beigefügt, daß es im vorliegenden Prozesse auf die von der Klagsseite mehrmals aufgestellte Behauptung des "Verfalles der Angabe von 6000 S" ebensowenig ankomme wie darauf, wer die Fütterungskosten der beiden Pferde zu bezahlen habe. Das Berufungsgericht meint ferner, daß es für den Ausgang dieses Prozesses entscheidend sei, daß die Klägerin auf der Herausgabe des Traberhengstes "Registrator" Zug um Zug gegen die von ihr zu leistende Bezahlung eines Betrages von 6000 S bestehe und nicht etwa auf Rückstellung der Stute "Blitzmädl" und des Betrages von 6000 S. Es steht also die Klägerin auf dem Standpunkt, daß sie die vollständige Durchführung des Rechtsgeschäftes verlangen könne, wonach sie den Hengst, während die Beklagte, richtig die Zweitbeklagte, 6000 S zu bekommen habe. Beide Untergerichte, insbesondere aber die zweite Instanz, haben mit aller Deutlichkeit im Urteil zum Ausdruck gebracht, daß die klagende Partei diese Ansprüche wegen ihres Leistungsverzuges nicht stellen könne.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Revision der Klägerin macht unrichtige rechtliche Beurteilung geltend.
Sie bringt ihre Rechtsansicht dahin zum Ausdruck, daß die Zweitbeklagte (vom Erstbeklagten ist nicht mehr die Rede) nicht berechtigt sei, vom Vertrage zurückzutreten, ohne gleichzeitig selbst das zurückzustellen, was sie empfangen habe, nämlich die Stute "Blitzmädl" und 6000 S. Mit dieser Behauptung verfällt die Klägerin in ihren bisherigen Fehler, daß sie die Rücktrittsfolgen (§ 921 ABGB.) mit der Rücktrittserklärung insofern verbindet, daß die Rücktrittserklärung ausgeschlossen sei, wenn nicht gleichzeitig zurückgestellt wird. Die Revision geht sogar so weit, zu behaupten, das Klagebegehren sei noch immer deshalb gerechtfertigt, weil die Beklagten nicht zurückgestellt haben, "wodurch sie durch eine konkludente Handlung zu erkennen geben, daß sie das Geld und die Stute behalten wollen, weshalb der geäußerte Rücktritt hinfällig geworden sei und die Klägerin auf Erfüllung des ursprünglichen Vertrages beharren könne". Diesen Konstruktionen der Revision kann nicht gefolgt werden. Das Gesetz hat die Erklärung des Rücktrittes nicht von der gleichzeitigen Anbietung oder tatsächlichen Rückstellung des Empfangenen abhängig gemacht (anders nach der Ansicht Petscheks im Falle Anfechtung des Vertrages wegen Irrtums, ZBl. 1937, S. 568/569). Die tatsächliche Zurückstellung ist eine Folge des berechtigten Rücktrittes. Fraglich war bisher nur der Umstand, ob bei Übergabe der Ware an den Käufer noch ein Rücktrittsrecht nach § 918 ABGB. besteht, wobei diese Frage auch dann gestellt wurde, wenn die Ware dem Käufer übergeben und der Kaufpreis gestundet wurde (SZ. III/123). Die überwiegende Meinung der Judikatur aber hält das Rücktrittsrecht dann für ausgeschlossen, wenn der Vertrag beiderseits bereits erfüllt wurde (z. B. SZ. VII/215; im gleichen Sinne die Fassung des § 375 HGB. nach der 4. EVzHGB. im Art. 8, Nr. 21). Der Rücktritt erzeugt eine obligatorische Verpflichtung für beide Parteien zur Wiederherstellung des Zustandes, der vor dem Vertragsabschlusse bestanden hat. Insofern und von wann ab eine der Parteien oder beide unredliche Besitzer hinsichtlich dessen geworden sind, was sie zurückzustellen haben, ist eine Frage für sich, desgleichen der Umfang der Verpflichtung zur Rückstellung oder zur Vergütung des Empfangenen. Mit der Rücktrittserklärung an sich hat die obligatorische Verpflichtung zur Rückstellung nichts zu tun. Der Rücktritt als solcher bleibt aufrecht und hat, wenn die Voraussetzungen des § 918 ABGB. eingehalten sind, seine Wirkung auch dann, wenn nicht zugleich mit der Erklärung des Rücktrittes zurückgestellt wird oder die Rückstellung angeboten wird. Bei einer Klage, deren Begehren auf Aufhebung des Vertrages und Rückstellung der Leistungen des Klägers lautet, hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, daß es belanglos sei, daß sich der Kläger nicht ausdrücklich für den Fall der Stattgebung der Klage zur Rückstellung des von ihm Empfangenen bereit erklärt hatte. Es bestehe, so sprach diese Entscheidung (ZBl. 1937, Nr. 302) aus, nicht eine gesetzliche Vorschrift, daß der gemäß § 918 ABGB. zur Klage Berechtigte ein solches Anbot machen müsse, es sei Sache des Beklagten, seine Gegenansprüche geltend zu machen, und Sache des Richters, diese, soweit berechtigt, zu berücksichtigen, da in der Berücksichtigung nicht ein "Mehr" (§ 405 ZPO.), sondern ein "Weniger" gegenüber dem Klagebegehren zu erblicken sei. Anders wäre es, wenn der Kläger die Berücksichtigung solcher Gegenansprüche verweigert hätte. All das gilt, wie sich aus dieser Entscheidung ergibt, im Falle einer Klage auf Vertragsaufhebung und auf Rückstellung. Es kann aber von einer Anbotspflicht des Rückzustellenden oder gar von einer vorangegangenen Rückstellung des Empfangenen dort überhaupt keine Rede sein, wo derjenige Vertragsteil, der zufolge des Rücktrittes des anderen Vertragsteiles zur Rückstellung verpflichtet wäre, auf Leistung aus dem Vertrage klagt, weil er der Ansicht ist, daß der Vertrag noch aufrecht bestehe und daher erfüllt werden müsse.
Anmerkung
Z24054Schlagworte
Anbot der Rückstellung der Gegenleistung bei Vertragsrücktritt, Erklärung des Rücktrittes vom Vertrag, kein Anbot der Gegenleistung, Gegenleistung beim Rücktritt vom Vertrag, kein Anbot der -, Rücktritt vom Vertrag ohne Anbot der Rückstellung der Gegenleistung, Vertrag Rücktrittserklärung ohne Anbot der Gegenleistung, Wirksamkeit des Vertragsrücktritts vom Anbot der Gegenleistung, unabhängigEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1951:0010OB00146.51.0228.000Dokumentnummer
JJT_19510228_OGH0002_0010OB00146_5100000_000