Norm
ABGB §825Kopf
SZ 24/58
Spruch
Über das Recht zur Benützung der Außenmauern eines Hauses, an dem Stockwerkseigentum besteht.
Entscheidung vom 1. März 1951, 1 Ob 130/51.
I. Instanz: Bezirksgericht Silz; II. Instanz: Landesgericht Innsbruck.
Text
Der Kläger begehrt von den Beklagten, jede Beeinträchtigung seines Eigentumsrechtes an der Bauparzelle 150, Wohnhaus Nr. 11 in R., EZ. 223/II Gb. R., durch Ausbrechen einer Türöffnung in der Hausmauer dieses Hauses zu unterlassen und den früheren Zustand wiederherzustellen.
Das Erstgericht wies die Klage ab. Der Kläger sei Eigentümer des Hauses Nr. 11 mit Ausnahme eines Kellers unterhalb der Küche an der Südseite. Seinem im Grundbuch als materieller Anteil 1 bezeichneten Eigentumsrecht stehe das als materieller Anteil 3 bezeichnete Eigentumsrecht der Beklagten am erwähnten Keller gegenüber, welches Recht auch das Alleineigentum an der Umfassungsmauer des Kellers in sich begreife. Die Beklagten seien deshalb berechtigt gewesen, durch diese Mauer eine Tür ins Freie auszubrechen. Was die nachbarrechtlichen Beziehungen der Streitteile betreffe, so könne eine erhebliche Beeinträchtigung des Anteils des Klägers nicht als erwiesen angenommen werden. Insbesondere könne von dem Eindringen kalter Luft in die oberhalb des Kellers befindliche Küche nicht gesprochen werden, weil diese auch schon vor der Anbringung der strittigen Tür sehr kalt gewesen sei. Auch vom brandpolizeilichen Standpunkt sei gegen die Tür nichts einzuwenden, sie sei im Gegenteil vorteilhaft.
Infolge Berufung des Klägers änderte das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil in dem Sinne ab, daß der Klage stattgegeben wurde. Gemäß § 854 ABGB. bestehe an der strittigen Umfassungsmauer des Kellers eine vermutete Eigentumsgemeinschaft, die sich mit Rücksicht auf die Benützungsregelung des § 855 ABGB. als ausschließliches Eigentum jedes der beiden Berechtigten an der halben Dicke der Mauer darstelle, wobei nur die nachbarrechtlichen Beziehungen zu beachten seien. Die Beklagten seien deshalb nicht befugt gewesen, auch durch den Maueranteil des Klägers hindurch die Türöffnung herzustellen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Parteien Folge und stellte in Abänderung der zweitinstanzlichen Entscheidung das erstgerichtliche Urteil wieder her.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Revision ist nicht begrundet.
Was die von den Revisionswerbern in dritter Instanz aufgeworfene Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges betrifft, vertritt die Rechtsprechung allerdings einheitlich die Ansicht, daß Streitigkeiten der Teilhaber einer gemeinschaftlichen Sache über die Verwaltung dem außerstreitigen Verfahren vorbehalten sind, weil in diesem am besten die dem Einzelfall gerecht werdende Lösung gefunden werden kann. Der streitige Weg ist dagegen dann gegeben, wenn Miteigentümer einen bereits begangenen angeblich rechtswidrigen, eigenmächtigen Eingriff in ihre Rechte durch ihre Miteigentümer abwehren wollen. In diesem Fall ist es diesen Miteigentümern versagt, für die von ihnen zunächst eigenmächtig und rechtswidrig vorgenommene Veränderung die Sanktion durch Anrufung des außerstreitigen Gerichtes zu erlangen zu suchen. Wenn also wie im vorliegenden Fall die Unterlassung der strittigen Maßnahme und die Wiederherstellung des früheren Zustandes begehrt wird und die Zulässigkeit und Zweckmäßigkeit der Verwaltungshandlung nur eine Vorfrage bedeutet, ist der Rechtsweg zulässig (1 Ob 516/50).
Das Eigentum am Haus R. 11 ist in den Anteil der Beklagten am Keller und den Anteil des Klägers am übrigen Haus materiell geteilt. Es handelt sich also um eine horizontale Teilung des Hauses, um sogenanntes Stockwerkseigentum (Zeiller II, S. 121), das gegenwärtig nur unter den Voraussetzungen des Wohnungseigentumsgesetzes vom 8. Juli 1948, BGBl. 149, neu begrundet werden kann (Gesetz vom 30. März 1879, RGBl. 50). Bestehende derartige Rechte sind jedoch aufrecht geblieben.
Das Verfahren der Untergerichte hat eine wesentliche Klärung des vereinbarten Umfanges der Rechte der Beklagten in tatsächlicher Hinsicht nicht ergeben. Trotz verschiedener Mutmaßungen einzelner Zeugen ist die Beurteilung des Falles auf die Eintragung in der Grundbuchseinlage Zahl 223/II Gb. R. angewiesen, wo als materieller Anteil 1: "Das ganze Haus samt Wirtschaftsgebäude vom Gründe bis zum Dache, mit Ausnahme eines Kellers unterhalb der Küche dieses Anteiles an der Südseite" und als materieller Anteil 3: "Obgenannter Keller unterhalb der Küche des Anteiles 1 an der Südseite. Die Instandhaltung des Daches obliegt dem jeweiligen Eigentümer des Anteiles 1" bezeichnet wird. Für die Abgrenzung der Rechte an den faktisch nicht teilbaren Stücken des Hauses, besonders an den gemeinsamen Mauern, ist dieser Diktion nicht viel zu entnehmen, und es muß die Lösung des Falles von der rechtlichen Seite her unternommen werden, wie es das Berufungsgericht mit Recht getan hat. Zu diesem Zweck muß die einer gesetzlichen Regelung entbehrende alte Einrichtung des Stockwerkseigentums denjenigen gesetzlichen Bestimmungen unterstellt werden, die darauf am besten passen. Mit Recht hat Pineles (Die communio pro diviso, Grünhuts Zeitschrift, Band 29, 1902, S. 729) darauf hingewiesen, daß Stockwerkseigentum keine vollständige Teilung des Gebäudes mit sich bringt und gar nicht bringen kann, weil bei der waagrechten Teilung eines Gebäudes stets Hausbestandteile vorhanden sind, die, wie Hauptmauern, Stiegenhaus, Dach, den Bedürfnissen aller Eigentümer dienen und deshalb nicht materiell geteilt werden können. Anderseits ist die Teilung hinsichtlich anderer Stücke, wie Zwischenmauern, Wohnungszubehör, körperlich möglich, so daß das Stockwerkseigentum eine Sammlung selbständiger Eigentums- und unselbständiger Miteigentumsrechte pro indiviso ausmacht. Pineles verwendet hiefür (S. 691) den Ausdruck communio pro diviso, das ist eine in mehr oder weniger gelockertem Zustand befindliche Gemeinschaft. Auch das neue Wohnungseigentumsgesetz operiert mit den beiden Begriffen und unterscheidet zwischen dem Recht auf ausschließliche Nutzung und alleinige Verfügung über bestimmte Wohnungen und Geschäftsräume einerseits und dem Miteigentumsanteil pro indiviso anderseits (Borotha, S. 15, Sattler, Österr. Realitätenzeitung 1949, S. 37).
Zum Unterschied vom Wohnungseigentum kann allerdings beim alten Stockwerkseigentum mangels einer ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmung Miteigentum der Eigentumsberechtigten nur insoweit angenommen werden, als die nicht teilbaren Hausbestandteile im konkreten Fall für das Stockwerkseigentum von Bedeutung sind. Deshalb könnte im vorliegenden Fall ein Miteigentum der Beklagten nicht an der ganzen Hausmauer angenommen werden, sondern nur an dem Teil, der zugleich auch die Begrenzung ihres Kellers bildet und durch den sie die Tür gebrochen haben. Dieses Miteigentum kann allerdings nicht - wie es das Berufungsgericht getan hat - der Bestimmung des § 854 ABGB. unterstellt werden. Denn es handelt sich nicht um eine Mauer zwischen benachbarten Grundstücken, sondern um ein viel innigeres Miteigentum an einem Teil der Hausmauer, der nicht nur äußerlich die Eigentumsgrenze bildet, sondern organisch den Zwecken beider Berechtigten zu dienen hat. Es geht auch nicht an, aus § 855 ABGB. ein tatsächlich geteiltes Eigentum an der Mauer in dem Sinn zu folgern, daß jeder der beiden Eigentümer, nur durch die Bestimmungen des Nachbarrechtes beschränkt, gerade bis zur Mitte der Mauer hindurchbrechen dürfte. Eine solche Auffassung könnte, obwohl sie nicht herrschend ist (Klang, 1. Aufl., zu § 854, S. 920), vielleicht für klare Grenzscheiden angenommen werden, dem innigen Zusammenhang der beiderseitigen Zwecke der Mauer im vorliegenden Fall könnte sie aber nicht gerecht werden, wie die Revisionswerber zutreffend hervorheben.
Die entsprechende Anwendung der Bestimmungen der §§ 833 ff. ABGB. auf das Miteigentumsverhältnis pro indiviso an dem Mauerteil scheint dem Revisionsgericht am zweckmäßigsten zu sein. Allerdings kann der Meinung Klangs, 1. Aufl., zu § 843, S. 895, für die Beurteilung der Größe der Anteile entscheide der Wert der im Alleineigentum stehenden Gebäudeteile, nicht ohneweiters gefolgt werden. Anders als beim Miteigentum am ganzen Haus handelt es sich um begrenzte Teile, die, wie hier, in gleichem Ausmaß den Interessen beider Miteigentümer dienen, ohne daß das Wertverhältnis zwischen den im materiell geteilten Haus bestehenden Anteilen darauf Bezug haben könnte. Im Zweifelsfall wie hier kann von gleichteiliger Berechtigung gesprochen werden. Kein Teil vermag den anderen in Dingen der ordentlichen oder außerordentlichen Verwaltung zu überstimmen, und im Streitfalle muß der Richter angerufen werden (§§ 833 bis 835 ABGB.). Dieser hat den nach den beiderseitigen Bedürfnissen zweckmäßigsten Weg zu finden und die von einem Teil gewünschte Vorkehrung in diesem Sinne zu prüfen.
Es oblag deshalb den Untergerichten, die von den Beklagten vorgenommene Durchstoßung der Mauer und die Anbringung einer Tür an Stelle des bisherigen Fensters in der Richtung zu überprüfen, ob sie dem Kläger zumutbar ist. Das Berufungsgericht hat zwar zu dieser Frage nicht selbständig Stellung genommen, aber mangels Anfechtung der diesbezüglichen erstrichterlichen Beweiswürdigung keine von den erstrichterlichen abweichenden Feststellungen getroffen, so daß von diesen ausgegangen werden kann. Das Erstgericht hat festgestellt, daß eine in die Waagschale fallende Kälteeinwirkung auf die Küche oberhalb des Kellers durch die Anbringung der Tür nicht eingetreten ist und daß deshalb keine Beeinträchtigung des Klägers angenommen werden kann. Das Revisionsgericht folgt der Rechtsansicht des Erstgerichtes. Es handelt sich nicht um eine mutwillige Handlungsweise der Beklagten, sondern darum, daß aus Gründen des Feuerschutzes und der besseren Bewirtschaftung der Gp. 1463 von dieser ein Zugang ins Haus der Beklagten geschaffen wurde. Es wäre auch nicht einzusehen, warum dadurch eine Ausdehnung des den Beklagten auf Grund des Vergleichs vom Jahre 1943 zugestandenen Wegerechtes über die Gp. 1462 und die Bp. 150 und eine Beeinträchtigung des Klägers herbeigeführt werden könnte. Denn der neue Zugang ins Haus der Beklagten läßt im Gegenteil hoffen, daß die Beklagten den Umweg über die Grundstücke des Klägers in geringerem Maße benützen müssen. Die vom Kläger bekämpfte Anbringung der Tür dient der besseren Benützung des Kellers der Beklagten, bringt dem Kläger keinen in die Waagschale fallenden Nachteil und ist darum als zulässige Verwaltungsmaßnahme anzusehen. Das Klagebegehren, den Beklagten die Beeinträchtigung des Eigentums des Klägers zu untersagen und die Wiederherstellung des früheren Zustandes aufzutragen, ist nicht berechtigt.
Der Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung ist gegeben. Mangelhaftigkeit des Verfahrens liegt jedoch nicht vor, weil die vom Revisionsgericht als belangreich angesehenen Umstände ausreichend geklärt worden sind.
Da das Berufungsgericht zu Unrecht der Berufung des Klägers stattgegeben hat, war sein Urteil in dem Sinne abzuändern, daß das erstgerichtliche Urteil wiederhergestellt wurde.
Anmerkung
Z24058Schlagworte
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ECLI:AT:OGH0002:1951:0010OB00130.51.0301.000Dokumentnummer
JJT_19510301_OGH0002_0010OB00130_5100000_000