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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
VwGG §42 Abs2 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Graf und die Hofräte Dr. Bumberger, Dr. Beck, Dr. Hinterwirth und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Kante, über die Beschwerde des P-bach-Wasserverbandes, vertreten durch den Obmann Bürgermeister Meinhard K, dieser vertreten durch Dr. Peter Kaupa, Rechtsanwalt in 2500 Baden, Josefsplatz 10, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 29. September 2004, Zl. WA1-V-1.456/102-04, betreffend Austritt eines Mitgliedes (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde L, vertreten durch Dr. Georg Getreuer, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Weyrgasse 6), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich (LH) vom 7. Oktober 1988 wurde die Bildung des P-bach-Wasserverbandes (der beschwerdeführenden Partei) auf Grund der freien Vereinbarung der daran beteiligten Gemeinden gemäß § 88 Abs. 1 lit. a des Wasserrechtsgesetzes 1959 (WRG 1959) anerkannt und ausgesprochen, dass diese Anerkennung die Genehmigung der Satzungen in sich schließt. Die durch diesen Anerkennungsbescheid genehmigten Satzungen sahen im § 3 Abs. 1 als Verbandszweck die Regulierung und Erhaltung des P-baches vor.
1999 beantragte die mitbeteiligte Partei ihren Austritt aus dem Wasserverband. Sie begründete dies damit, bisher seien in ihrem Gemeindegebiet keine Maßnahmen für den Hochwasserschutz getroffen worden und es sei ein Hochwasserschutz nach Aussage von Fachleuten auch nicht erforderlich. Seit Bestehen des Wasserverbandes seien auch keine Sanierungs- und Reinigungsarbeiten am P-bach durchgeführt worden. Vom Verband würden jährliche Interessentenbeiträge zur Zahlung vorgeschrieben, die sich in den letzten Jahren enorm erhöht hätten. Der mitbeteiligten Partei erwachse aus der Mitgliedschaft im Wasserverband kein Vorteil und dem Wasserverband aus dem Austritt kein Nachteil.
Die Vollversammlung des Wasserverbandes lehnte das Austrittsbegehren am 27. April 2000 ab.
Die mitbeteiligte Partei begehrte eine Entscheidung der Schlichtungsstelle.
Nachdem zwei Bescheide der Schlichtungsstelle, mit denen das Austrittsbegehren der mitbeteiligten Partei abgelehnt worden war, von der Aufsichtsbehörde aufgehoben worden waren, wies die Schlichtungsstelle mit einem auf einem Beschluss vom 17. Juli 2003 beruhenden, mit Datum vom 25. Februar 2004 ausgefertigten Bescheid den Austrittsantrag der mitbeteiligten Partei neuerlich ab.
In der Begründung heißt es, von der Schlichtungsstelle sei zu prüfen, ob die Bestimmung des § 73 Abs. 2 der Satzung des Wasserverbandes als erfüllt anzusehen sei. Nach dieser Bestimmung sei ein Ausscheiden eines Mitglieds nur dann zulässig, wenn dem Verbandsmitglied aus der Teilnahme am Verbandsunternehmen kein wesentlicher Vorteil erwachsen sei und dem Verband durch das Ausscheiden kein überwiegender Nachteil entstehe. Diese beiden Bedingungen müssten kumulativ vorliegen.
Ausgehend von der gemeinsamen Zielformulierung (Regulierung und Erhaltung) sei die Verbandsmitgliedschaft aller Gemeinden des P-bacheinzugsgebietes nicht nur eine Angelegenheit der Solidarität, sondern schon dadurch selbstverständlich, dass auch die Gemeinden, die wenige Probleme hinsichtlich des P-baches hätten, durch ihre natürliche und künstliche Wassereinbringung zusätzliche Auswirkungen für die Unterliegergemeinden schafften.
Im Gemeindegebiet der mitbeteiligten Partei seien abflussrelevante Bodenversiegelungen (Golfplatz, Einkaufsmarkt, Aufschüttung eines natürlichen Überschwemmungsgebietes) vorgenommen worden, die zu einer Verschlechterung für die Unterlieger führen könnten.
Darüber hinaus habe die Planung des Hochwasserschutzes in V (im Zuge des Baues der S 1 seien drei Rückhaltebecken mit insgesamt ca. 190.000 m3 Fassungsvermögen in konkreter Planung) positive Auswirkungen auf die Unterliegergemeinden, darunter auch die mitbeteiligte Partei. Für den Fall eines Austritts eines Mitglieds aus dem Wasserverband seien große finanzielle Nachteile für den Verband zu erwarten. Zu einem Zeitpunkt, da der P-bach-Wasserverband als gemeinde-, bezirks- und landesübergreifende Institution ein großes Projekt realisiere, werde ein Austritt eines Mitgliedes als nicht zielführend angesehen. Beispielsfolgen könnten die Auflösung des Wasserverbandes zur Folge haben und die Intentionen der Wasserrechtsbehörde könnten nicht verwirklicht werden.
Eine fachgerechte, die Belange des Umweltschutzes beachtende und dem Bedarf angepasste Betreuung der Fließgewässer erfordere eine entsprechend ausgerüstete Organisation mit technisch und ökologisch ausgebildetem Personal. Diese Einsatztruppe stehe bei der Abteilung Wasserbau des Amtes der niederösterreichischen Landesregierung zur Verfügung. Von ihr werde der P-bach-Wasserverband in technischer Hinsicht unterstützt.
Auf Grund der bestehenden Projekte und der Gesamtlage des Pbaches sei auch davon auszugehen, dass mit der Durchführung aller vorgesehenen Maßnahmen (Retentionsbecken) wesentliche Vorteile für die mitbeteiligte Partei verbunden seien.
Zusammenfassend lasse sich daher feststellen, dass im Grunde genommen beide im § 73 Abs. 2 der Satzung genannten Kriterien für einen Austritt nicht erfüllt seien. Dem Verband entstehe zweifellos ein überwiegender Nachteil durch das Ausscheiden, da der gesamtheitliche Charakter der Gerinnesanierung nicht mehr gewahrt bleibe. Wenn andere Gemeinden mit einer ähnlich gelagerten Argumentationsführung ein Ausscheiden aus dem Verband betrieben, würde das letztendlich ein Erlöschen des P-bach-Wasserverbandes bedeuten.
Gegen diesen Bescheid erhob die mitbeteiligte Partei Berufung.
Sie brachte vor, in ihrem Gemeindegebiet seien bisher keine Maßnahmen zum Hochwasserschutz getroffen worden; solche seien nach Aussagen von Fachleuten auch nicht erforderlich. Seit der Mitgliedschaft der Gemeinde im Wasserverband seien auch keine Sanierungs- und Reinigungsarbeiten am Bachbett durchgeführt worden. Der mitbeteiligten Partei würden seitens des Verbandes ständig steigende Mitgliedsbeiträge vorgeschrieben. Im Gemeindegebiet seien keine abflussrelevanten Bodenversiegelungen durchgeführt worden; die Oberflächenwässer des Golfplatzes bzw. des Geländes des M-Marktes würden zur Beregnung verwendet bzw. zur Versickerung gebracht. Die bemängelten konsenslosen Anschüttungen im natürlichen Überschwemmungsgebiet seien geräumt worden. Die Planung des Hochwasserschutzes in V sei zum Zeitpunkt des Austrittsbegehrens der mitbeteiligten Partei noch nicht relevant gewesen und der Bau von drei Rückhaltebecken sei im Zusammenhang mit der Errichtung der S 1 zu sehen. Auf Grund der derzeit bestehenden Projekte könne nicht davon ausgegangen werden, dass eine Realisierung derselben mit Vorteilen für die mitbeteiligten Partei verbunden sei. Der mitbeteiligten Partei sei bisher aus der Teilnahme am Verband keinerlei Vorteil erwachsen; dem Verband entstehe durch das Ausscheiden kein Nachteil.
Diese Berufung wurde der beschwerdeführenden Partei zur Stellungnahme übermittelt. Die beschwerdeführende Partei verwies auf die Entscheidung der Schlichtungsstelle.
Die belangte Behörde beauftragte einen wasserbautechnischen Amtssachverständigen zu prüfen, ob es sich bei den im Bescheid der Schlichtungsstelle erwähnten Maßnahmen im Gemeindegebiet der mitbeteiligten Partei um solche Maßnahmen handle, die zu einer Verschlechterung für die Unterlieger führen könnten.
In seiner Stellungnahme vom 12. August 2004 teilte der Amtssachverständige mit, diese Argumente seien aus wasserbautechnischer Sicht nicht nachvollziehbar. Maßgebliche Änderungen am Abflussgeschehen im P-bach seien durch die aufgezählten Maßnahmen nicht zu erwarten.
Diese Stellungnahme wurde der beschwerdeführenden Partei zur Kenntnis gebracht. Eine Äußerung erfolgte nicht.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 29. September 2004 änderte die belangte Behörde die Entscheidung der Schlichtungsstelle dahin ab, dass der P-bach-Wasserverband verpflichtet ist, die mitbeteiligte Partei aus dem Verband auszuscheiden.
In der Begründung heißt es nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und der Anführung des § 88g Abs. 2 WRG 1959 sowie des § 73 Abs. 2 der (alten) Satzung des Wasserverbandes und des § 14 Abs. 3 der (neuen) Satzung, den Ausführungen des Wasserverbandes sei insofern zuzustimmen, als beide Kriterien des § 88g Abs. 2 WRG 1959, nämlich der mangelnde Vorteil für das Mitglied einerseits und der durch das Ausscheiden bewirkte Nachteil andererseits kumulativ vorliegen müssten, damit den Wasserverband eine Verpflichtung zum Ausscheiden des Mitgliedes treffe. Was aber das Zutreffen dieser Kriterien anbelange, könne der Argumentation der Schlichtungsstelle nicht gefolgt werden.
Die mitbeteiligte Partei habe vorgebracht, sie habe bisher aus der Teilnahme am Verband keinerlei Vorteile gehabt. Dies sei im Ermittlungsverfahren der Schlichtungsstelle, soweit diese eines durchgeführt habe, nicht widerlegt worden. Auch in der Begründung des Schlichtspruches finde sich kein derartiger Hinweis, sodass die Einschätzung der Schlichtungsstelle hinsichtlich des Kriteriums des mangelnden Vorteils als nicht schlüssig angesehen werde. Sofern die Schlichtungsstelle meine, dass die geplanten Rückhaltebecken in V der mitbeteiligten Partei zugute kommen würden und darin der Vorteil der austrittswilligen Gemeinde liege, sei dem entgegen zu halten, dass nach dem Sinn und dem Wortlaut der in Rede stehenden Gesetzes- und Satzungsbestimmungen der Vorteil bereits eingetreten sein müsse. Dies sei aber nicht der Fall, sodass nicht weiter geprüft werden müsse, wie sich der Widerspruch zwischen dem behaupteten künftigen Vorteil einerseits und dem Vorbringen der mitbeteiligten Partei andererseits, dass für sie keine Hochwasserschutzmaßnahmen notwendig seien, erklären lasse.
Eine "genügende Zeit" zur Erreichung des erhofften Erfolges sei im Hinblick auf den Bestand des Verbandes seit 1988 wohl verstrichen.
Zum Argument des überwiegenden Nachteils des Verbandes sei der Schlichtungsstelle insofern beizupflichten, als durch Ausscheiden eines Mitglieds ein potentieller Beitragszahler ausfalle und sich dies auf die budgetäre Situation des Verbandes auswirke. Dies alleine könne jedoch nicht den "überwiegenden Nachteil" im Sinne des Gesetzes rechtfertigen, da ansonsten niemals ein Austritt aus einem Wasserverband möglich wäre. Vielmehr sei auch hier eine Interessenabwägung vorzunehmen. Eine solche aber habe die Schlichtungsstelle nicht in nachvollziehbarer Weise vorgenommen. Es seien keine stichhaltigen Feststellungen getroffen worden, die die Argumente der mitbeteiligten Partei widerlegen würden. Es dürfe auch der Solidaritätsgrundsatz nicht dahin überspannt werden, dass ein Mitglied verhalten sei, Beiträge zu Vorhaben zu leisten, aus denen ihm von vornherein keine Vorteile entstehen könnten. Soweit man die grundsätzliche Relevanz von Anschüttungen oder Bodenversiegelungen im Zusammenhang mit der Abwägung von Vor- und Nachteilen in dem Sinne anerkenne, dass solche Maßnahmen in einer Gemeinde Hochwasserschutzaktivitäten in einem anderen Bereich des Verbandsgebietes notwendig machten bzw. solche Veränderungen der wasserwirtschaftlichen Verhältnisse erst durch Verbandsaktivitäten ermöglicht würden, komme dem im vorliegenden Fall keine entscheidende Bedeutung zu. Weder habe die Schlichtungsstelle ihre Annahme durch schlüssige Ermittlungsergebnisse stützen können, noch habe eine Überprüfung durch den von der belangten Behörde beauftragten Sachverständigen derartiges ergeben.
Somit komme die belangte Behörde zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen für den Austritt der mitbeteiligten Partei gegeben seien.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die beschwerdeführende Partei bringt vor, Zweck des P-bach-Wasserverbandes sei nicht nur die Regulierung, sondern auch die Erhaltung des P-baches sowie die Durchführung von Räumungs- und Instandhaltungsmaßnahmen. Der Zweck des Wasserverbandes bestehe nach wie vor. Das von der belangten Behörde herangezogene Kriterium, dass bereits eine "genügende Zeit" zur Erreichung des erhofften Erfolges verstrichen sei, sei daher weder wesentlich noch richtig.
Nunmehr seien im Zuge des Baues der S 1 Hochwasserschutzmaßnahmen im Gemeindegebiet von V mit zwei Rückhaltebecken geplant bzw. bereits im Bau. Die mitbeteiligte Partei sei eine "Unterliegergemeinde" von V und profitiere von den positiven Auswirkungen dieser Maßnahmen.
Die mitbeteiligte Partei habe schon bisher davon profitiert, dass Überschwemmungen des P-baches in den Oberliegergemeinden aufgetreten seien und diese quasi als "natürliche Retentionsbecken" die Hochwässer aufgenommen hätten, sodass das Gebiet der mitbeteiligten Partei von Hochwässern verschont geblieben sei. Gerade wegen der bestehenden Solidaritätsgemeinschaft würden beispielsweise von der Marktgemeinde V nicht vergleichsweise kostengünstige Maßnahmen für einen schnelleren Abfluss von Hochwässern des P-baches ergriffen, die dann zwangsläufig zu Lasten der Unterlieger, insbesondere auch der mitbeteiligten Partei, gingen; vielmehr würden Maßnahmen zur Hochwasserrückhaltung getroffen, wovon die mitbeteiligte Partei Nutzen ziehe.
Der Verbandszweck "Regulierung und Erhaltung" des P-baches lasse sich nicht ohne die mitbeteiligte Partei verwirklichen. Alle Maßnahmen zur Regulierung und Erhaltung des P-baches durch die verbandsangehörigen Gemeinden seien zu wechselseitigem Nutzen. Größere Anlagen wie die bereits im Gemeindegebiet Langendorf durchgeführten Regulierungsmaßnahmen oder auch die in V geplanten und zum Teil schon im Bau befindlichen Rückhaltebecken ließen sich technisch und wirtschaftlich nicht zweckmäßig ohne Beteiligung aller Anliegergemeinden durchführen. Es lägen sogar die Voraussetzungen für die Bildung eines Zwangsverbandes vor. Somit liege schon die erste Voraussetzung für ein Ausscheiden eines Verbandsmitgliedes, nämlich das Nichterreichen des erhofften Erfolges, nicht vor.
Entgegen der Auffassung der belangten Behörde habe die Schlichtungsstelle eine Interessenabwägung vorgenommen. Beim Ausscheiden der mitbeteiligten Partei müssten die anderen Verbandsmitglieder die Kosten des Rückhaltebeckens in V und alle künftigen Maßnahmen tragen.
Die Stellungnahme des wasserbautechnischen Amtssachverständigen entspreche nicht den Anforderungen an ein Gutachten. Der Sachverhalt sei nicht ausreichend geklärt worden. Dem angefochtenen Bescheid hafte ein Begründungsmangel an, weil nicht nachvollziehbar sei, wie die belangte Behörde zu ihrer Annahme komme, der mitbeteiligten Partei erwachse aus der Mitgliedschaft im Verband kein Vorteil.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Die mitbeteiligte Partei hat ebenfalls eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 88g WRG 1959 regelt das Ausscheiden aus einem Wasserverband. Abs. 2 lautet:
"(2) Der Wasserverband ist verpflichtet, einzelne Mitglieder auszuscheiden, wenn ihnen nach Ablauf einer zur Erreichung des erhofften Erfolges genügenden Zeit aus der Teilnahme am Verbandsunternehmen kein wesentlicher Vorteil erwachsen ist und dem Wasserverband durch das Ausscheiden kein überwiegender Nachteil entsteht."
Bestimmungen über das Ausscheiden von Verbandsmitgliedern enthält auch die Satzung der beschwerdeführenden Partei.
§ 73 Abs. 2 der mit dem Anerkennungsbescheid des LH aus dem Jahr 1988 genehmigten (alten) Satzung lautete:
"(2) Ein Ausscheiden ist nur insofern zulässig, als dem Verbandsmitglied aus der Teilnahme am Verbandsunternehmen kein wesentlicher Vorteil erwachsen ist und dem Verband durch das Ausscheiden kein überwiegender Nachteil entsteht."
Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung der Schlichtungsstelle war diese Bestimmung noch in Geltung.
Mit Bescheid des LH vom 22. Jänner 2004 wurde eine neue Satzung genehmigt. Deren § 14 Abs. 3 erster Satz sieht eine mit § 88g Abs. 2 WRG 1959 übereinstimmende Regelung über das Ausscheiden von Mitgliedern aus dem Verband vor.
Es kann dahingestellt bleiben, ob im Beschwerdefall noch die alte oder schon die neue Satzung anzuwenden ist, da die Bestimmungen über das Ausscheiden von Mitgliedern sowohl in der alten als auch in der neuen Satzung unter dem Blickwinkel des Beschwerdefalles keinen von § 88g Abs. 2 WRG 1959 abweichenden Inhalt haben.
§ 88g Abs. 2 WRG 1959 statuiert für die Verpflichtung des Wasserverbandes, ein Mitglied auszuscheiden, zwei kumulativ formulierte Tatbestandsvoraussetzungen (vgl. das zur vergleichbaren Bestimmung des § 82 Abs. 2 WRG 1959 ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Dezember 2003, 2000/07/0001):
1. Dem Mitglied darf nach Ablauf einer zur Erreichung des erhofften Erfolges genügenden Zeit aus der Teilnahme am Verbandsunternehmen kein wesentlicher Vorteil erwachsen sein.
2. Der Genossenschaft darf durch das Ausscheiden kein überwiegender Nachteil entstehen.
Ob der erhoffte Erfolg aus der Teilnahme am Verbandsunternehmen erreicht wurde, bemisst sich nach dem Verbandszweck.
§ 3 der alten Satzung lautete:
"Verbandszweck und Verbandsumfang
(1) Verbandszweck ist die Regulierung und Erhaltung des Petersbaches.
(2) Der örtliche Wirkungsbereich des Verbandes erstreckt sich auf die Gemeindegebiete der Verbandsmitglieder."
§ 2 der neuen Satzung lautet:
"Verbandsumfang und Verbandszweck
(1) Der örtliche Wirkungsbereich des Verbandes erstreckt sich auf den Petersbach in den Gemeindegebieten der Verbandsmitglieder.
(2) Der Zweck des Verbandes ist die Regulierung des Petersbaches sowie die Durchführung von Räumungs- und Instandhaltungsmaßnahmen an den unter § 2 Abs. 1 angeführten Gewässerabschnitten, bei denen der Verband auf Grund einer wasserrechtlichen Bewilligung verpflichtet ist.
(3) Bei den übrigen unter § 2 Abs. 1 angeführten Gewässerabschnitten, welche keine wasserrechtlichen Verpflichtungen für den Verband beinhalten, können nach Maßgabe der dem Verband zur Verfügung stehenden Mittel und insoweit nicht Dritten die Durchführung solcher Maßnahmen obliegt, Räumungs- und Instandhaltungsmaßnahmen durchgeführt werden.
(4) Im Ermessen des Wasserverbandes können auch zusätzliche wasserbauliche Maßnahmen in den Einzugsgebieten durchgeführt werden:
-
Durchführung schutzwasserbaulicher Maßnahmen (passiver Hochwasserschutz, Hochwasserrückhalt, lineare Maßnahmen),
-
Naturnahe Gestaltung von ausgebauten Gewässerstrecken (Gewässerrückbau),
-
Maßnahmen der Gewässerbetreuung,
-
Räumungen, Instandhaltung und Pflege von natürlichen Gewässern,
-
Regulierung der Gerinne,
-
Sicherung der Ufer,
-
Durchführung von Maßnahmen zur schadlosen Abfuhr der Hochwässer.
Bei den oben angeführten Maßnahmen ist insbesondere auf den Natur- und Landschaftsschutz sowie auf die ökologische Funktionsfähigkeit der Gewässer Bedacht zu nehmen."
Auch im Zusammenhang mit dem Verbandszweck kann dahingestellt bleiben, ob die alte oder die neue Satzung anzuwenden ist, da das Ergebnis in beiden Fällen das selbe ist.
Der Umstand, dass der Verbandszweck nach wie vor besteht, besagt für sich allein nichts darüber, ob die Voraussetzungen des § 88g Abs. 2 WRG 1959 für ein Ausscheiden aus dem Verband vorliegen. § 88g Abs. 2 WRG 1959 geht vielmehr von einem Weiterbestehen des Verbandszweckes bei Ausscheiden eines Mitgliedes aus, denn ein Ende des Verbandszweckes wäre ein Grund für die Auflösung des Verbandes.
Verfehlt ist der Hinweis darauf, die Oberliegergemeinden hätten es aus Gründen der Solidarität unterlassen, Maßnahmen zur Beschleunigung des Hochwasserabflusses zu ergreifen, welche die mitbeteiligte Partei träfen und statt dessen einen kostspieligeren Hochwasserschutz errichtet. Dem ist zu erwidern, dass Maßnahmen, die sich zu Lasten einer anderen Gemeinde auswirken, wasserrechtlich unzulässig sind.
Warum der Verbandszweck sich ohne die Mitgliedschaft der mitbeteiligten Partei nicht verwirklichen lasse, wird in der Beschwerde nicht weiter begründet.
Die beschwerdeführende Partei hat im Verwaltungsverfahren die Auffassung vertreten, die im Zuge des Baues der S 1 geplanten bzw. schon im Bau befindlichen Hochwasserschutzmaßnahmen im Gemeindegebiet von V (Rückhaltebecken) brächten auch der mitbeteiligten Partei einen Vorteil. Dieser Auffassung war auch die Schlichtungsstelle.
Die mitbeteiligte Partei hat diesen Vorteil bestritten.
Die belangte Behörde hat sich mit der Frage, ob durch die geplanten bzw. schon im Bau befindlichen Hochwasserschutzmaßnahmen (auch) der mitbeteiligten Partei ein Vorteil entsteht, nicht auseinander gesetzt, weil sie die Auffassung vertrat, es handle sich dabei - wenn überhaupt - um einen zukünftigen Vorteil, der im Rahmen des § 88g Abs. 2 WRG 1959 ohne Bedeutung sei.
Der Verwaltungsgerichtshof teilt diese Auffassung nicht.
Auszugehen ist vom Begriff des "Vorteils", der einem Mitglied des Wasserverbandes erwachsen ist.
Kaan (in: Kaan-Rose-Rausch, Handbuch der Wassergenossenschaften und Wasserverbände, Eisenstadt 1991, 247) führt zu diesem Austrittskriterium aus:
"Hier könnte der Eindruck entstehen, als würde es sich um einen einmaligen Erfolg handeln müssen, der dann nicht oder nicht in absehbarer Zeit eingetreten ist. Nicht erfaßt würden hiedurch Fälle werden, bei welchen das Mitglied zwar aus der Gemeinschaft dauernd Nutzen gezogen hat, der dann allerdings ausgefallen ist. Kein zwingender Grund besteht für eine solche Betrachtung. Gemeint ist offenbar, wenn im Hinblick auf die gegebenen Verhältnisse kein besonderer Vorteil mehr erwartet werden kann (§ 83 Abs. 1 lit. b), also ein Nutzen nicht eingetreten und oder auch in Zukunft nicht zu erwarten ist."
Kaan geht also von einem weit gezogenen Begriff des "Vorteils" aus. Seiner Ansicht nach wäre ein Austritt nur dann möglich, wenn fest steht, dass auch in Zukunft kein Nutzen für das Mitglied zu erwarten ist. Ein Austritt wäre nach dieser Auffassung schon dann nicht möglich, wenn zwar zur Zeit der Entscheidung über das Austrittsbegehren ein konkreter Nutzen nicht absehbar, aber auch nicht auszuschließen wäre.
Demgegenüber vertritt die belangte Behörde eine restriktive Auslegung des Begriffes "Vorteil" und kommt zu dem Ergebnis, dass nur solche Maßnahmen, die schon verwirklicht wurden und deren Auswirkungen schon spürbar sind, einen Vorteil darstellen können.
Keiner der beiden Extrempositionen kann beigepflichtet werden.
Die Auslegung Kaans entfernt sich zu weit vom Wortlaut des Gesetzes. Dieser verlangt, dass dem Mitglied ein Vorteil erwachsen ist. Das schließt es aus, einen noch nicht absehbaren, aber auch nicht auszuschließenden Nutzen für das Mitglied aus dem Verbandsunternehmen als "Vorteil" einzustufen.
Die von der belangten Behörde gewählte Auslegung hingegen ist zu restriktiv.
Als Vorteil im Sinne des § 88g Abs. 2 WRG 1959 ist es auch zu verstehen, wenn eine Maßnahme, die einem Verbandsmitglied nützt, bereits im Verwirklichungsstadium oder in einem so konkreten Planungsstadium ist, dass mit ihrer Verwirklichung in absehbarer Zeit gerechnet werden kann.
Das ergibt sich schon daraus, dass ein Mitglied durch eine solche im Verwirklichungsstadium oder einem vergleichbaren Planungsstadium befindliche Maßnahme in die Lage versetzt wird, eigene Planungen und Maßnahmen auf diese neue (vorteilhafte) Situation abzustimmen.
Darüber hinaus würde die von der belangten Behörde gewählte Auslegungsvariante zu dem mit dem Zweck eines Wasserverbandes nicht vereinbaren Ergebnis führen, dass ein Mitglied zu einem Zeitpunkt aus dem Verband ausscheiden kann, zu dem bereits feststeht, dass ihm durch Maßnahmen des Verbandes ein zukünftiger Nutzen entsteht. Das Verbandsmitglied könnte bei einer solchen Betrachtung aus dem Verband ausscheiden, um in der Folge in den Genuss der vom Verband getroffenen Maßnahmen zu kommen, ohne die mit der Verbandsmitgliedschaft verbundenen Verpflichtungen und Lasten tragen zu müssen. Solches mit den Regelungen über den Austritt eines Mitgliedes aus dem Verband gewollt zu haben, kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden.
Es ist daher davon auszugehen, dass auch ein schon in ein Verwirklichungs- oder konkretes Planungsstadium mit absehbarer Realisierung getretenes Vorhaben, das einem Verbandmitglied nutzt, als "Vorteil" im Sinne des § 88g Abs.2 WRG 1959 anzusehen ist.
Die belangte Behörde hatte den Sachverhalt zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung zugrunde zu legen. Es ist daher ohne Bedeutung, ob, wie die mitbeteiligte Partei meint, zum Zeitpunkt des Austrittsantrages die Hochwasserschutzmaßnahmen in V "noch nicht relevant" waren.
Ausgehend von ihrer vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilten Auffassung hat die belangte Behörde sich mit der Frage, ob der mitbeteiligten Partei aus den Hochwasserschutzmaßnahmen in V - allenfalls auch aus anderen Verbandsmaßnahmen - tatsächlich ein Vorteil erwächst, nicht auseinander gesetzt.
Da der Mangel eines Vorteils eine zwingende Voraussetzung für das Ausscheiden eines Mitgliedes aus einem Wasserverband ist, das Vorliegen dieser Austrittsvoraussetzung aber nicht erwiesen ist, war auf die Frage des "überwiegenden Nachteils" für den Wasserverband nicht mehr einzugehen.
Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 24. Februar 2005
Schlagworte
Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2004070165.X00Im RIS seit
18.03.2005Zuletzt aktualisiert am
07.10.2008