TE OGH 1951/4/27 3Ob200/57

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.04.1951
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof als Revisionsgericht hat durch den Zweiten Präsidenten Dr. Etz als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernard, Dr. Deutsch und Dr. Gitschthaler sowie den Rat des Obersten Gerichtshofes Dr. Dinnebier als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Walter T*****, vertreten durch Dr. Friedrich Trampisch, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Fa. R***** & Co, *****, vertreten durch den öffentlichen Verwalter Jaro Hanusch, Wirtschaftsprüfer in Wien, I. Neutorg. 12, dieser vertreten Dr. Joachim Mück, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung eines Bestandvertrages (Streitwert 24.000 S) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 8. Februar 1951, GZ 1 R 989/50-51, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 26. Oktober 1950, GZ 12 Cg 282/49-45, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 717 S 14 g bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrt der Beklagten gegenüber die Feststellung des aufrechten Bestandes des mit ihr am 4. 6. 1946 über einen Teil des Fabriksobjektes der beklagten Partei abgeschlossenen Bestandvertrages.

Mit Urteil vom 28. 12. 1948, ONr 24, hat das Erstgericht dieses Klagebegehren bereits einmal abgewiesen. Es stellte damals fest, dass die frühere Gattin des Klägers Ehrentraud T*****, auf Grund einer vom Kläger ausgestellten notariell beglaubigten Vollmacht am 19. 9. 1946 namens des Klägers auf die Rechte aus dem Bestandvertrag verzichtet hat.

Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht dieses Urteil mit Beschluss vom 2. Mai 1949, ONr 29, aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zurückverwiesen. Es war der Ansicht, dass nicht alle für die Frage der Auflösung des Bestandvertrages erheblichen Umstände geklärt seien. Es könne noch nicht abschliessend beurteilt werden, ob die Gattin des Klägers überhaupt eine besondere auf das einzelne Geschäft ausgestellte Vollmacht besessen habe, eine solche Vollmacht sei aber zur Giltigkeit der Rücktrittserklärung erforderlich gewesen, weil damit unentgeltlich ein Recht aufgegeben worden sei. Werde diese Frage bejaht, dann sei zu prüfen, ob der Kläger diese Vollmacht dem öffentlichen Verwalter gegenüber widerrufen habe und insbesondere, ob ein solcher Widerruf vor der umstrittenen Rücktrittserklärung abgegeben wurde.

Das Erstgericht hat mit Urteil vom 26. 10. 1950, ONr 45, nach Verfahrensergänzung das Klagebegehren neuerdings abgewiesen. Dabei ging es davon aus, dass die Aufgabe der Mietrechte nicht als ein unentgeltliches Rechtsgeschäft anzusehen sei. Der Vertrag sei nicht mit dem Kläger, sondern mit einer erst zu gründenden Ges.m.b.H. abgeschlossen worden, der Kläger sei daher nicht Vertragspartner geworden. Zudem sei die Rücktrittserklärung für den Kläger verbindlich, da er nicht in objektiv erkennbarer Weise seiner Gattin die Vollmacht entzogen habe. Das Berufungsgericht hat mit dem nunmehr mit Revision angefochtenen Urteil das abweisende Urteil des Erstgerichtes bestätigt. Es erachtete die Ansicht des Erstgerichtes, dass der Kläger nicht Vertragspartner in Ansehung des Bestandvertrages sei, für unzutreffend. Es fand die Berufung auch insoferne für begründet, als das erstgerichtliche Urteil über den Umfang der der früheren Gattin des Klägers ausgestellten Vollmacht nichts enthalte. Das Berufungsgericht untersuchte daher die Frage, ob die der früheren Gattin des Klägers ausgestellte Vollmacht zur Auflösung des Bestandvertrages genügt habe. Es bejahte diese Frage und kam schliesslich zu dem Ergebnis, dass die Vereinbarung über die Auflösung des Bestandvertrages für den Kläger rechtsgiltig und verbindlich zustande gekommen sei, weil die Vollmacht im Zeitpunkt dieser Abmachung nicht widerrufen war.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhebt die klagende Partei Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Mangelhaftigkeit des Verfahrens. Sie stellt den Antrag, das Berufungsurteil im Sinne der beantragten Feststellung zu ändern oder das Urteil des Berufungsgerichtes aufzuheben und die Rechtssache an das Gericht zweiter oder erster Instanz zurückzuverweisen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht begründet.

Das Berufungsgericht ist, da es sich an die in dem Beschluss vom 2. 5. 1949 ausgesprochene Rechtsansicht für gebunden erachtete, davon ausgegangen, dass in dem Abstehen von dem für die Zeit vom 1. 6. 1946 bis 31. 5. 1954 abgeschlossenen Bestandvertrag oder in der Auflösung dieses Vertrages eine unentgeltliche Aufgabe von Rechten durch den Kläger gelegen sei. Unter diesem Gesichtswinkel hat das Berufungsgericht dann die Frage beurteilt, ob die der früheren Frau des Klägers erteilte Vollmacht für ein derartiges Rechtsgeschäft ausgereicht habe. Das Berufungsgericht hat diese Frage bejaht. Der Oberste Gerichtshof vermag dem Berufungsgericht weder in der Rechtsansicht zu folgen, von der es ausgegangen ist, noch in der, zu welcher es bei Beurteilung der Tauglichkeit der Vollmacht gekommen ist.

Handelte es sich im vorliegenden Fall um eine unentgeltliche Aufgabe von Rechten, dann müsste die Vollmacht als unzureichend befunden werden. Es ist zwar dem Berufungsgericht darin beizupflichten, dass sich der Schlussatz des § 1008 ABGB auf jede der beiden in dieser Gesetzesstelle angeführten Gruppen von Rechtsgeschäften bezieht, aber die vorliegende Vollmacht führt die "Gattung" - "unentgeltliche Aufgabe von Rechten" gar nicht an. Dass aber in der Bevollmächtigung zur Veräusserung nicht eine Bevollmächtigung zur unentgeltlichen Aufgabe von Rechten erblickt werden kann, ergibt sich schon daraus, dass die Veräusserungen im ersten Satz des § 1088 ABGB der unentgeltlichen Aufgabe von Rechten in dessen zweiten Satz gegenübergestellt sind.

Das Abstehen von den Rechten aus einem gegenseitigen (synallagmatischen) Vertrag fällt aber nicht unter den Begriff der unentgeltlichen Aufgabe von Rechten im Sinne des § 1008 ABGB zweiter Satz. Ein Mietvertrag gehört zu den gegenseitigen Verträgen, zu den Verträgen, bei denen die beiderseits notwendig erwachsenden Verpflichtungen in einem gewissen Abhängigkeitsverhältnis voneinander stehen. Der Auflösung eines solchen Vertrages mit der Wirkung, dass mit der Leistungspflicht auf der einen Seite auch die auf der anderen Seite entfällt, wohnt daher ebenso wie dem Abschluss eines solchen Vertrages begriffsnotwendig das Element der Entgeltlichkeit inne. Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes reichte daher die Vollmacht, die der Kläger seiner früheren Frau erteilte, für eine Auflösung des Mietvertrages in seinem Namen aus.

Im Rahmen des Revisionsgrundes der Unrichtigkeit der rechtlichen Beurteilung wendet die Revision gegen das Urteil des Berufungsgerichtes noch ein, dass der öffentliche Verwalter des beklagten Unternehmens sich im vorliegenden Fall auf den äusseren Tatbestand bei der Abmachung über die Vertragsauflösung vorgewiesenen Vollmacht nicht berufen könne, weil er in Anbetracht der Auseinandersetzung in der Gemeindekanzlei Zweifel an dem Bestand des Vollmachtsverhältnisses hätte haben müsse. Hierbei übersieht die Revision aber, dass der äussere Tatbestand und die Frage des guten Glaubens nur bei Überschreitung der Vollmacht durch den Vollmachtsträger oder beim Handeln ohne Vollmacht in Betracht kommt. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen lag aber eine notariell beglaubigte Vollmacht vor, die nach den vorstehenden Erwägungen für die getroffene Abmachung ausreichte. Beide Instanzen haben auf Grund der glaubwürdig erachteten Aussagen der Zeugen Dr. R*****, T***** und Ehrentraud M***** festgestellt, dass im Zeitpunkt der Vorlage der Vollmacht diese nicht ordnungsgemäss und zeitgerecht widerrufen war. Im übrigen ist keineswegs festgestellt worden, dass die Auseinandersetzung in der Gemeindekanzlei in die Zeit nach der Vollmachtserteilung fällt.

Auch was die Revision zum Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens ausführt, hält einer näheren Überprüfung nicht stand.

Die Revision rügt als einen Verfahrensmangel, dass sich die beiden Vorinstanzen nicht mit der Aussage der in der Gemeindekanzlei anlässlich der mehrfach erwähnten Auseinandersetzung anwesenden Zeugen befaßt hätten. Dieser Vorwurf ist ungerechtfertigt. Das Erstgericht hat diese Zeugenaussagen für objektiv unzuverlässig gefunden und hat sie deswegen nicht zu Feststellungen benutzt. Das Berufungsgericht aber mass diesen Aussagen keine ausschlaggebende Bedeutung bei, weil keiner der Zeugen den Tag der Auseinandersetzung in der Gemeindekanzlei angeben konnte und es daher keineswegs ausgeschlossen werden könne, dass diese Auseinandersetzung noch vor der Erteilung der Vollmacht an Ehrentraud T***** (M*****) stattfand. Die Revision will einen Mangel des Berufungsverfahrens ferner darin finden, dass das Berufungsgericht auf Grund der Akten ohne Beweisaufnahme Feststellungen im Sinne des § 267 ZPO getroffen habe. Auch dieser Vorwurf trifft nicht zu. Denn das Berufungsgericht hat nur im Rahmen der Prüfung der Beweiswürdigung des erstgerichtlichen Urteils ausgeführt, es teile die Auffassung des Erstgerichtes, dass über den Vorfall in der Gemeindekanzlei keine Feststellungen im Sinne der vom Kläger aufgestellten Behauptungen zu treffen seien. Endlich erachtet die Revision das Berufungs- verfahren auch deshalb für mangelhaft, weil das Berufungsgericht die von der Berufung beantragten Beweiswiederholungen nicht vorgenommen habe. Die Entscheidung des Berufungsgerichtes darüber aber, ob eine Beweiswiederholung für notwendig erachtet wird, ist als der Beweiswürdigung angehörend, im Revisionsverfahren nicht überprüfbar (Entsch. v. 2. 4. 1935, Gerichtshalle 1935 S. 71 und viele andere). Es erweist sich somit alles, was der Kläger zum Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens geltend macht, in Wahrheit als eine unzulässige Bekämpfung der Beweiswürdigung. Aus diesen Erwägungen konnte der Revision nicht Folge gegeben werden. Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E73420 3Ob200.57

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1951:0030OB00200.57.0427.000

Dokumentnummer

JJT_19510427_OGH0002_0030OB00200_5700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten