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43/01 Wehrrecht allgemein;Norm
WehrG 2001 §17 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des L in W, vertreten durch Dr. Karl Haas, Dr. Georg Lugert, Mag. Andreas Friedl und Mag. Hannes Huber, Rechtsanwälte in 3100 St. Pölten, Dr.-Karl-Renner-Promenade 10, gegen den Bescheid des Militärkommandos Wien vom 19. November 2003, Zl. N/83/16/00/85- 2404, betreffend Eignung zum Wehrdienst, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer ist schuldig, dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 19. November 2003 wurde gemäß § 9 Abs. 1 und § 17 Abs. 2 des Wehrgesetzes 2001, BGBl. I Nr. 146, idF BGBl. I Nr. 103/2002, die Eignung des Beschwerdeführers zum Wehrdienst mit "Tauglich" festgestellt.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Im Beschwerdefall ist das Wehrgesetz 2001 (WG 2001), BGBl. I Nr. 146 i.d.F. BGBl. I Nr. 103/2002, maßgeblich.
Die einschlägigen Bestimmungen lauten (auszugsweise):
"Aufnahmebedingungen
§ 9. (1) In das Bundesheer dürfen nur österreichische Staatsbürger einberufen werden, die das 18. Lebensjahr vollendet haben und die notwendige körperliche und geistige Eignung für eine im Bundesheer in Betracht kommende Verwendung besitzen.
...
Aufgaben der Stellungskommissionen
§ 17. ...
(2) Die Stellungskommissionen haben die Eignung der im Abs. 1 genannten Personen zum Wehrdienst auf Grund der zur Feststellung dieser Eignung durchgeführten ärztlichen und psychologischen Untersuchungen mit einem der folgenden Beschlüsse festzustellen:
'Tauglich', 'Vorübergehend Untauglich', 'Untauglich'. Erscheint für diese Feststellung eine fachärztliche Untersuchung erforderlich, so sind die Personen nach Abs. 1 von den Stellungskommissionen einer solchen Untersuchung zuzuführen. Zu den Beschlüssen der Stellungskommission bedarf es der Anwesenheit aller Mitglieder oder der nach § 16 Abs. 2 an ihre Stelle tretenden Ersatzmitglieder und der Mehrheit der Stimmen. Ein auf 'Tauglich' lautender Beschluss bedarf jedoch der Zustimmung des Arztes.
...
(6) Gegen die Beschlüsse der Stellungskommissionen nach Abs. 2 ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig. Die Stellungskommissionen haben den Personen nach Abs. 1 über diese Beschlüsse eine Bescheinigung auszustellen.
..."
Der Beschwerdeführer wendet gegen den angefochtenen Bescheid im Wesentlichen ein, der Stellungsbeschluss sei ihm gegenüber nicht begründet worden und im Übrigen sei ein von ihm vorgelegter augenfachärztlicher Befund, auf Grund dessen sich seine Untauglichkeit ergebe, nicht berücksichtigt worden. Die belangte habe ihm nicht Parteiengehör eingeräumt und sie habe es verabsäumt, ein Sachverständigengutachten zur Prüfung der Umstände, die die Untauglichkeit des Beschwerdeführers bewirken, einzuholen.
Dieses Vorbringen vermag der Beschwerde jedoch nicht zum Erfolg zu verhelfen.
Der Beschwerdeführer hatte der belangten Behörde den Augenbefund des Augen Laser-Zentrums Wien, a.o. Univ. Prof. Dr. A, vom 10. November 2003 vorgelegt, der folgenden Inhalt hat:
"AUGENBEFUND
Die letzte augenfachärztliche Kontrolle vom 6.11.2003 ergab
folgenden Befund:
Visus mit Kontaktlinse
R 1.0 / Jg. 1
L 1.0 / Jg. 1
Visus mit Brille
R -4.75sph + 1.75 cyl @
100 0.9p
L -4.50sph + 1.50 cyl @
75 0.9p
Beidseits besteht der bekannte Keratokonus. Eine gewisse Progredienz des Konus lässt sich topographisch feststellen.
Der weitere Augenbefund ist unauffällig.
Ein Keratokonus kann optisch derzeit nur mittels Kontaktlinse korrigiert werden.
Regelmäßige Kontrollen beim Augenfacharzt sind angezeigt."
Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer entgegen seiner Darstellung in der Beschwerde - wie anhand der Verwaltungsakten nachvollzogen werden kann - Parteiengehör eingeräumt (was er mit seiner eigenhändigen Unterschrift bestätigte) und es wurde vom leitenden Arzt der Stellungskommission bzw. vom Untersuchungsarzt das Ergebnis des oben angeführten fachärztlichen Befundberichtes, nämlich dass das Augenleiden des Beschwerdeführers mittels Kontaktlinsen korrigiert werden müsse, berücksichtigt und festgehalten, dass beim Beschwerdeführer eine "CL-Indikation" gegeben sei.
Im Rahmen der dem Beschwerdeführer für die Annahme seiner Tauglichkeit abgegebene Begründung wurde auch ein sich aus der Gesundheitseinschränkung ergebendes "Ausnahmeprofil" erläutert, nämlich darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer anlässlich seiner Einstellungsuntersuchung zu Beginn des abzuleistenden Wehrdienstes vom Truppenarzt zu untersuchen ist und entsprechend dem Untersuchungsergebnis der Stellung die Empfehlung an den Truppenarzt ergeht, ihn vom Springen zu befreien.
Die dem Beschwerdeführer gegebene Begründung hat in den wesentlichen Punkten folgenden Wortlaut:
"Die bei Ihnen festgestellten objektiven Gesundheitseinschränkungen sind nach Art und Ausprägung aus militärmedizinischer Sicht nicht als so erheblich einzustufen, dass Ihnen die Ausübung einer Soldatenfunktion nicht zugemutet werden könnte. Es kann Ihnen also insbesondere das Bedienen einer Waffe - zumindest einer Handfeuerwaffe - und die physische und psychische Belastung für jene militärischen Funktonen, für die noch ein Minimum an Kraftanstrengung und Beweglichkeit erforderlich ist, zugemutet werden. ....
Mit diesen Gesundheitseinschränkungen kann Ihnen die Ausübung und die hiezu erforderliche Ausbildung zu einer Funktion mit einem Mindestmaß einer militärischen Komponente deshalb zugemutet werden, weil diese Gesundheitseinschränkungen nicht von vornherein ausschließen, dass Sie sich zumindest kurzzeitig rasch in Bewegung setzen, erforderlichenfalls Deckung nehmen und von der Handfeuerwaffe Gebrauch machen können. Ihre Einschränkungen sind als nicht so schwerwiegend zu werten, dass Ihnen das Bedienen einer Waffe und ein Mindestmaß an Kraftanstrengung und Beweglichkeit, um die allgemeine Basisausbildung sowie die mit der Leistung des Präsenzdienstes anfallenden Tätigkeiten und Übungen zu absolvieren, nicht zugemutet werden könnte, und stellen sohin keine Frage der Eignung im Sinne des § 9 WG 2001 dar, sondern eine Frage der Dienstfähigkeit.
Gemäß § 10 ...ADV, ...ist sichergestellt, dass Sie während der Leistung des Präsenzdienstes auf Grund der truppenärztlichen Untersuchungen nur für jene Funktionen herangezogen werden, für die Sie auch die Dienstfähigkeit aufweisen. In Ihrem Fall wird daher der Truppenarzt anlässlich der Einstellungsuntersuchung festlegen, ob und gegebenenfalls von welchen Ausbildungsvorhaben Sie auf Grund Ihres Gesundheitszustandes zu befreien sind.
In diesem Sinn sind die im Stellungsuntersuchungsergebnis enthaltenen 'Ausnahmeprofile' nur eine Empfehlung an den Truppenarzt, sie für bestimmte militärische Ausbildungsvorhaben zu befreien:
Ausnahmeprofile erläutert:
?
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x
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Heben
Stehen
Laufen
Springen
Lärm
Klima
Schwimmen
Durch diese Maßnahmen wird sichergestellt, dass eine Verschlechterung der bei der Stellung festgestellten Gesundheitseinschränkungen während der Leistung des Präsenzdienstes vermieden wird."
Diese Begründung wurde dem Beschwerdeführer - wie aus dem Inhalt der Verwaltungsakten hervorgeht - schriftlich vorgelegt und sowohl von ihm als auch vom Vorsitzenden der Stellungskommission unterfertigt. Seine Behauptung, er sei über die Gründe für die Erlassung der angefochtenen Entscheidung nicht informiert gewesen, ist daher nicht zutreffend.
Im Erkenntnis vom 8. August 2002, Zl. 2002/11/0096, hat der Verwaltungsgerichtshof auch im Geltungsbereich des Wehrgesetzes 2001 an seiner bisherigen Rechtsprechung festgehalten und ausgeführt, dass Personen, die zwar nur in sehr eingeschränkter Weise militärisch ausgebildet werden können, die aber dennoch für bestimmte Dienstverrichtungen im Bundesheer in Betracht kommen, als "Tauglich" im Sinne des § 17 Abs. 2 WG 2001 zu qualifizieren und gemäß § 41 Abs. 2 zweiter Satz leg. cit. im Rahmen ihrer Dienstfähigkeit zu verwenden sind. Der Dienst im Bundesheer umfasst jedenfalls eine militärische Komponente im engeren Sinn, auf die sich auch die Ausbildung der Grundwehrdiener zu erstrecken hat. In diesem Sinne ist § 9 Abs. 1 WG 2001 zu verstehen. Gefordert ist eine körperliche Leistungsfähigkeit, die das Bedienen einer Waffe und die Aufbringung eines Mindestmaßes an Kraftanstrengung und Beweglichkeit erlaubt, um die Grundausbildung zu absolvieren. Ein auf "Tauglich" lautender Beschluss bedarf gemäß § 17 Abs. 2 letzter Satz WG 2001 der Zustimmung des Arztes. Die einem solchen Beschluss zu Grunde liegende Beurteilung muss erkennen lassen, warum der Arzt der Auffassung ist, der Stellungspflichtige besitze die notwendige körperliche und geistige Eignung im oben beschriebenen Sinn. Im vorliegenden Fall lässt sich nachvollziehen, dass der Arzt der Stellungskommission die Auffassung vertrat, auch unter Berücksichtigung des Ergebnisses des oben erwähnten augenfachärztlichen Befundes sei die Tauglichkeit des Beschwerdeführers unter Berücksichtigung der "CL-Indikation", somit der Notwendigkeit des Tragens von Kontaktlinsen, gegeben.
Der Beschwerdeführer bringt demgegenüber kein schlüssiges Argument vor, aus dem hervorginge, dass diese Einschätzung aus konkreten Gründen verfehlt sei. Insofern er in der Beschwerde - ohne dies näher zu konkretisieren - behauptet, die Behörde hätte prüfen müssen, ob die Korrektur seines Sehfehlers "ausschließlich das Tragen von Kontaktlinsen notwendig macht", wofür die belangte Behörde ein fachärztliches Sachverständigengutachten hätte einholen müssen, und damit - erstmalig in der Beschwerde - anklingen lässt, über das Tragen von Kontaktlinsen hinaus seien weitere Einschränkungen seiner gesundheitlichen Eignung gegeben, ist auf dieses Vorbringen als im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung nicht weiter einzugehen. Aber auch der fachärztliche Befundbericht lässt für den Standpunkt des Beschwerdeführer diesbezüglich nichts gewinnen, weist er doch aus, dass beim Beschwerdeführer, mit Ausnahme des durch Kontaktlinsen zu korrigierenden Keratokonus, der weitere Augenbefund unauffällig sei. Der Beschwerdeführer vermag es somit nicht, einen relevanten Verfahrensmangel aufzuzeigen.
Da der angefochtene Stellungsbeschluss auf Prämissen beruht, die dem vom Beschwerdeführer beigebrachten fachärztlichen Befundbericht Rechnung tragen, bedurfte es für die abschließende Beurteilung der im Beschwerdefall maßgeblichen Rechtsfragen keiner weiteren fachärztlichen Untersuchungen und medizinischen Sachverständigengutachten, wie dies in der Beschwerde gefordert wird. Dass der Beschwerdeführer Kontaktlinsen tragen muss, wurde berücksichtigt. Daraus kann weder auf Grund des Beschwerdevorbringens noch sonst aus einem aus den Verwaltungsakten hervorgehenden Anhaltspunkt eine fehlende Eignung des Beschwerdeführers zum Wehrdienst abgeleitet werden.
Auch das Fehlen der vom Beschwerdeführer vermissten Auseinandersetzung mit einem früheren Beschluss der Stellungskommission des Militärkommandos Niederösterreich bedeutet keine zu seiner Aufhebung führende Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides. Es kommt im gegebenen Zusammenhang nicht darauf an, welche Gründe die Stellungskommission damals zum Ausspruch der vorübergehenden Untauglichkeit des Beschwerdeführers bewogen haben. Entscheidend ist allein, ob gegen die nach neuerlicher Untersuchung des Beschwerdeführers erfolgte Feststellung seiner Eignung zum Wehrdienst Bedenken bestehen. Dies ist nach dem Gesagten nicht der Fall. Zu berücksichtigen ist ferner, dass die konkrete Verwendung des Beschwerdeführers, worauf die belangte Behörde zutreffend hingewiesen hat, entsprechend seinen physischen Möglichkeiten im Rahmen der seine Tauglichkeit begründenden allgemeinen Voraussetzungen aufgrund der militärärztlichen Beurteilung bei Antritt des Grundwehrdienstes verfügt wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. November 1998, Zl. 97/11/0046, mwN).
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG Abstand genommen werden.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003, im Rahmen des gestellten Begehrens.
Wien, am 24. Februar 2005
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2003110308.X00Im RIS seit
31.03.2005