TE OGH 1951/6/13 1Ob401/51

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Veröffentlicht am 13.06.1951
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Norm

ABGB §810
ABGB §811
Außerstreitgesetz §16
Außerstreitgesetz §72
Außerstreitgesetz §§77 ff
Außerstreitgesetz §78
Außerstreitgesetz §79
Außerstreitgesetz §127
Außerstreitgesetz §145

Kopf

SZ 24/161

Spruch

Die Bestellung eines Nachlaßkurators hat nicht nur dann zu erfolgen, wenn keine Erbserklärungen abgegeben wurden, sondern auch, wenn widersprechende Erbserklärungen abgegeben wurden, oder zur Führung eines von einem Gläubiger gegen den Nachlaß geführten Rechtsstreites, wenn nur das Abhandlungsgericht, aus welchem Gründe immer, es unterlassen hat, den Erben die Besorgung des Nachlasses zu übertragen.

Entscheidung vom 13. Juni 1951, 1 Ob 401/51.

I. Instanz: Bezirksgericht Ferlach; II. Instanz: Landesgericht Klagenfurt.

Text

In der Verlassenschaftssache nach Gertrud J. hat Christian J. auf Grund eines Testamentes, Peter J. auf Grund des Gesetzes eine Erbserklärung abgegeben. Letzterer wurde auf den Rechtsweg verwiesen. Jeder der beiden Erbenprätendenten hat beantragt, ihm die Besorgung des Nachlasses gemäß § 810 ABGB., § 145 AußstrG. zu überlassen. Eine Erledigung dieser Anträge ist bisher nicht erfolgt. Strittig ist, ob die Verlassenschaft schuldig ist, dem Peter J. auf Grund des zwischen ihm und der Erblasserin im Nachlaßverfahren nach seinem Vater abgeschlossenen Erbübereinkommen die in den Nachlaß gehörige Liegenschaft auszufolgen. Peter J. hat nun den Antrag gestellt, im Hinblick auf die von ihm gegen den Nachlaß eingebrachte Klage auf Übertragung der Liegenschaft für den Nachlaß einen Verlassenschafts- und Kollisionskurator zu bestellen.

Das Erstgericht hat diesem Antrag Folge gegeben und Thomas M. zum Verlassenschaftskurator bestellt.

Das Rekursgericht hat die Bestellung mit der Berichtigung bestätigt, daß der Verlassenschaftskurator zur Vertretung im Rechtsstreite .. Cg ../51 des Landesgerichtes K. bestellt wird.

Der Oberste Gerichtshof wies den Revisionsrekurs eines Testamentserben und des Verlassenschaftskurators zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Entscheidung über den Revisionsrekurs muß nach der Rechtslage erfolgen, die im Augenblick der Entscheidung des Gerichtes erster Instanz gegeben war. Damals war Peter J. durch den Beschluß infolge widersprechender Erbserklärungen auf den Rechtsweg verwiesen worden unter Bestimmung einer Frist von 30 Tagen nach Rechtskraft des Beschlusses. Der Beschluß war damals noch nicht rechtskräftig und es hatte die 30tägige Frist zur Erhebung der Klage noch nicht begonnen. Damals lagen also zwei widersprechende Erbserklärungen vor, von denen noch keine ihre Wirksamkeit verloren hatte. Es ist also für die Entscheidung über den Revisionsrekurs ohne Belang, ob die Klagefrist nunmehr fruchtlos abgelaufen ist. Nach Rechtsprechung und Lehre (SZ. XIX/16, Weiß in Klang 2. Aufl., zu § 811 ABGB., S. 1015) ist § 811 ABGB. nicht nur dann anzuwenden, wenn Erbserklärungen überhaupt noch nicht abgegeben wurden, sondern auch dann, wenn widersprechende Erbserklärungen vorliegen und der Widerspruch weder durch Versäumung der für die Klage des einen Erbenprätendenten gesetzten Frist noch durch ein rechtskräftiges Urteil im Erbenstreite erledigt ist. Denn so lange ist das Erbrecht keines der beiden Erben gemäß § 123 AußstrG. nachgewiesen. Es kann also auch keinem der Erben die Besorgung des Nachlasses im Sinne des § 810 ABGB., § 145 AußstrG. überlassen werden (3 Ob 198/50). Dasselbe ergibt sich übrigens auch aus § 127 AußstrG. Die Bestellung des Kurators widerspricht also nicht und schon gar nicht offensichtlich den Vorschriften der §§ 77 bis 79 AußstrG. Der Revisionsrekurs war demgemäß nach § 16 AußstrG. unzulässig.

Aber § 811 ABGB. müßte den Gläubigern gegenüber auch dann zur Anwendung kommen, wenn das Abhandlungsgericht es auch nur ohne triftigen Grund unterlassen hätte, den Erben die Besorgung des Nachlasses zu übertragen. Der Gläubiger - Peter J. tritt hier nur in dieser Rolle auf - kann auf die Überlassung der Besorgung des Nachlasses an einen Erben keinen Einfluß nehmen. Es müßte also jedenfalls, solange keinem der Erben die Besorgung des Nachlasses überlassen wurde, ein Verlassenschaftskurator zur Führung des Rechtsstreites auf seinen Antrag bestellt werden. Der Erbe, der meint, daß ihm die Besorgung des Nachlasses zu überlassen gewesen wäre, hätte also nicht die Bestellung des Kurators durch Rechtsmittel zu bekämpfen, sondern die Erledigung seines Antrages hinsichtlich der Besorgung des Nachlasses zu betreiben gehabt.

Im Hinblick auf die Bemerkung des Rekursgerichtes, zu einem Erbrechtsstreite sei es nicht gekommen, weil § 72 Abs. 2 AußstrG. anwendbar wäre, wenn der Anspruch des Peter J. auf Herausgabe der Liegenschaft sich als gerechtfertigt erweisen würde, muß darauf hingewiesen werden, daß die genannte Bestimmung nur auf die Aktiven, nicht auch auf die Passiven des Nachlasses abstellt. Die Tatsache, daß eine Liegenschaft in den Nachlaß gehört, hindert also bereits die Anwendung dieser gesetzlichen Bestimmung mag selbst gegen den Nachlaß der Anspruch auf unentgeltliche Abtretung der Liegenschaft bestehen oder mag der Nachlaß selbst überschuldet und konkursreif sein.

Anmerkung

Z24161

Schlagworte

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European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1951:0010OB00401.51.0613.000

Dokumentnummer

JJT_19510613_OGH0002_0010OB00401_5100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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