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90/01 Straßenverkehrsordnung;Norm
FSG 1997 §24 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des N in R, vertreten durch Dr. Friedrich Reiter, Rechtsanwalt in 6410 Telfs, Anton-Auer-Straße 7a, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 27. August 2001, Zl. IIb2-3-7-1-699/5, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung und begleitende Maßnahmen, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer ist schuldig, dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
In Erledigung der Vorstellung gegen ihren Mandatsbescheid vom 15. Jänner 2001 sprach die Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel folgendes aus:
"Mit Bescheid der BH Kitzbühel vom 15.01.2001, Zahl 704-4-379- 2000-FSE, wurde Herrn N, geb. am 25.12.1952, die Lenkberechtigung für Kraftfahrzeuge der Klassen B, C, E, F und G gemäß § 26 FSG 1967 i.V.m. § 57 AVG 1991 wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit auf die Dauer von 4 Monaten entzogen, ein Lenkerverhaltenstraining für alkoholauffällige Kraftfahrzeuglenker und die Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens über seine gesundheitliche Eignung angeordnet.
Da sich der Empfänger zu diesem Zeitpunkt im Rehabilitationszentrum x aufhielt, wurde ihm der Bescheid dort am 25.01.2001 persönlich zugestellt.
Am 19.02.2001 beantragte Herr N die Wiedereinsetzung dieses Verfahrens in den vorigen Stand, weil es auf Grund seiner schweren Verletzungen und des Aufenthaltes im Rehab x nicht möglich gewesen sei, fristgerecht das Rechtsmittel der Vorstellung zu erheben. Gleichzeitig holte Herr N die versäumte Prozesshandlung nach und erhob gegen den vorbezeichneten Bescheid Vorstellung.
Spruch 1.
Der Antrag des Herrn N auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand des eingangs zitierten Administrativverfahrens wird gemäß § 72 AVG 1991 bewilligt.
Spruch 2.
Der Vorstellung wird keine Folge gegeben; gemäß § 26 Abs. 2 FSG 1997 wird Herrn N, geb. 25.12.1952, die von der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel für Kraftfahrzeuge der Klassen B, C, E, F und G erteilte Lenkberechtigung, Zahl 4a-1-343, für 4 Monate, gerechnet ab 25.01.2001, entzogen.
Spruch 3.
Der Vorstellung wird keine Folge gegeben; gemäß § 26 Abs. 8 FSG 1997 hat sich Herr N einem Lenkverhaltenstraining für alkoholauffällige Kraftfahrzeuglenker zu unterziehen.
Spruch 4.
Der Vorstellung wird keine Folge gegeben; gemäß § 26 Abs. 8 FSG 1997 hat Herr N ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten über seine gesundheitliche Eignung gem. § 8 FSG 1997 beizubringen.
Spruch 5.
Gemäß § 64 Abs. 2 AVG 1991 wird einer allfälligen Berufung gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung aberkannt."
Der Landeshauptmann von Tirol wies die dagegen erhobene Berufung mit dem angefochtenen Bescheid vom 27. August 2001 gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet ab und bestätigte den angefochtenen Bescheid mit der Maßgabe, dass die zu Spruchpunkt 2 des erstinstanzlichen Bescheides ausgesprochene Entziehungszeit mit sechs Monaten festgelegt werde.
In der Begründung verwies die belangte Behörde zunächst auf die schon von der Erstbehörde in ihren Bescheid aufgenommene Feststellung, dass der Beschwerdeführer wegen des gegenständlichen Vorfalls mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom 9. April 2001 rechtskräftig wegen einer Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit § 5 Abs. 1 StVO 1960 bestraft worden sei.
Den von der belangten Behörde verfügten Maßnahmen lag zu Grunde, dass der Beschwerdeführer am 30. November 2000 um
20.20 Uhr in Reith bei Kitzbühel ein Kraftfahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand lenkte und einen Verkehrsunfall verschuldete, wobei er selbst schwere Verletzungen (u.a. Fraktur des 3. und 4. Halswirbels) davontrug und ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Eine - im Krankenhaus - am 30. November 2000 um 22.54 Uhr abgenommene Blutprobe ergab einen Blutalkoholgehalt von mehr als 1,6 Promille. Die belangte Behörde holte ein Gutachten der Landessanitätsdirektion zur Frage der Dispositionsfähigkeit des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt der Blutabnahme ein, nach dem der Beschwerdeführer cerebral beeinträchtigt und desorientiert gewesen sei, sodass seine Dispositionsfähigkeit nicht mit notwendiger Sicherheit nachweisbar sei. Der Beschwerdeführer sei jedoch zum Zeitpunkt der Aufforderung ansprechbar gewesen, habe auf Fragen geantwortet (aus dem Inhalt der Akten ist ersichtlich, dass er dem Arzt nach der Aufforderung, sich Blut abnehmen zu lassen, den Arm hinstreckte und sagte "Nehmt's was braucht's"), und er habe den Eindruck erweckt, seine Zustimmung zur Blutabnahme zum Zweck der Blutalkoholuntersuchung erteilt zu haben und die Folgen seiner Willensäußerung zu begreifen. Somit sei jene Blutprobe, welche letzten Endes dazu herangezogen worden sei, den Alkoholisierungsgrad des Beschwerdeführers nachzuweisen, nicht rechtswidrig erlangt worden, zumal auch die Rechtswidrigkeit der Abnahme der Blutprobe - anders als bei einem Bewusstlosen - für die Einschreiter aus den zuvor geschilderten Gründen nicht erkennbar gewesen sei. Mangels Rechtswidrigkeit dieser Blutabnahme könne auch das Ergebnis der Auswertung der auf diesem Wege erlangten Blutprobe zum Zwecke der Blutalkoholbestimmung nicht einem Beweisverwertungsverbot unterliegen. Das im erstinstanzlichen Akt erliegende Blutalkoholuntersuchungsgutachten der Gerichtsmedizin an der Universität Innsbruck vom 11. Dezember 2000 könne somit auch durch die belangte Behörde zur Feststellung des Blutalkoholgehaltes des Berufungswerbers herangezogen werden. Der in diesem Gutachten festgestellte minimale Genussalkoholgehalt liege bei 1,66 %o Alkohol im Blut des Beschwerdeführers und es sei somit die gemäß § 26 Abs. 2 FSG entscheidungswesentliche Schwelle von 1,6 %o Blutalkoholgehalt gemäß § 99 Abs. 1 lit. a StVO 1960 überschritten. Der Beschwerdeführer habe daher eine bestimmte Tatsache verwirklicht, wobei gemäß § 26 Abs. 2 FSG die Lenkberechtigung für mindestens vier Monate zu entziehen wäre. Im Hinblick auf das Verschulden des Verkehrsunfalls im alkoholbeeinträchtigten Zustand sei jedoch eine Verkehrsunzuverlässigkeit des Beschwerdeführers von sechs Monaten anzunehmen. Gemäß § 26 Abs. 8 FSG seien die begleitenden Maßnahmen zu verfügen.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher ihre Behandlung mit Beschluss vom 14. März 2003, B 1483/01-7, abgelehnt und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.
In seiner Beschwerdeergänzung an den Verwaltungsgerichtshof beantragt der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Im Beschwerdefall ist das FSG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 25/2001 maßgeblich.
Die einschlägigen Bestimmungen des FSG lauteten in dieser Fassung (auszugsweise):
"§ 7. (1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 5) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen die Verkehrssicherheit gefährden wird, insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr, Trunkenheit oder einen durch Suchtgift oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand.
...
(3) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand:
1. ein Kraftfahrzeug gelenkt oder in Betrieb genommen und hiebei eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 bis 1b StVO 1960 begangen hat, auch wenn die Tat nach § 83 Sicherheitspolizeigesetz - SPG, BGBl. Nr. 566/1991, zu beurteilen ist;
...
(5) Für die Wertung der in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.
...
§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z. 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit
1. die Lenkberechtigung zu entziehen ...
...
(3) Bei der Entziehung kann die Behörde auch zusätzlich begleitende Maßnahmen (Nachschulung oder Driver Improvement mit oder ohne Fahrprobe, Einstellungs- und Verhaltenstraining oder Aufbauseminar) anordnen. ...
...
§ 25. (1) Bei der Entziehung ist auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen.
...
(3) Bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) ist eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen. Wurden begleitende Maßnahmen gemäß § 24 Abs. 3 angeordnet, so endet die Entziehungsdauer nicht vor Befolgung der Anordnung.
...
Sonderfälle der Entziehung
§ 26. (1) Wird beim Lenken eines Kraftfahrzeuges erstmalig eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1b StVO begangen, so ist, wenn es sich nicht um einen Lenker eines Kraftfahrzeuges der Klasse C oder D handelt, die Lenkberechtigung für die Dauer von vier Wochen zu entziehen. Wenn jedoch
1. auch eine der in § 7 Abs. 3 Z. 3 bis 7 genannten Übertretungen vorliegt, oder
2. der Lenker bei Begehung dieser Übertretung einen Verkehrsunfall verschuldet hat, oder
3. der Alkoholgehalt des Blutes 1,2 g/l (1,2 Promille) oder mehr, aber weniger als 1,6 g/l (1,6 Promille), oder der Alkoholgehalt der Atemluft 0,6 mg/l oder mehr, aber weniger als 0,8 mg/l, beträgt, so hat die Entziehungsdauer mindestens drei Monate zu betragen.
(2) Wird beim Lenken eines Kraftfahrzeuges erstmalig eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 StVO 1960 begangen, so ist die Lenkberechtigung für die Dauer von mindestens vier Monaten zu entziehen.
...
(8) Bei einer Entziehung nach Abs. 1 Z. 3 oder Abs. 2 hat die Behörde begleitende Maßnahmen gemäß § 24 Abs. 3 anzuordnen, ...
..."
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass er wegen des hier zu Grunde gelegten Vorfalles vom 30. November 2000 mit rechtskräftigem Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom 9. April 2001 wegen Übertretung nach § 99 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit § 5 Abs. 1 StVO 1960 bestraft worden ist. Er bekämpft jedoch, wie schon im Verwaltungsverfahren, dass die Blutprobe, die zur Messung seines Blutalkoholgehaltes herangezogen worden sei, rechtmäßig erlangt worden sei. Er sei im Zeitpunkt der Blutabnahme jedenfalls in einem Zustand der Bewusstlosigkeit gewesen, sodass seine Dispositionsunfähigkeit feststehe. Mit diesem Einwand vermag der Beschwerdeführer jedoch nicht durchzudringen.
Zunächst ist festzuhalten, dass auf Grund der Bindung an das rechtskräftige Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel die belangte Behörde davon auszugehen hatte, dass der Beschwerdeführer die ihm angelastete Straftat begangen hat (vgl. unter vielen das hg. Erkenntnis vom 21. Oktober 2004, Zl. 2002/11/0166, mwN.). Insoweit sich der Beschwerdeführer gegen die Begehung der Tat und die ihm angelastete Alkoholisierung von zumindest 1,6 Promille Blutalkoholgehalt wendet, sind seine Ausführungen schon im Grunde verfehlt.
Die belangte Behörde hat aber dennoch eigene Ermittlungen gepflogen und festgestellt, dass die Verwertung der Blutalkoholuntersuchung - deren Ergebnis im Übrigen vom Beschwerdeführer nicht bestritten wird - im Hinblick auf das situationsbezogene Verhalten des Beschwerdeführers (vgl. hiezu etwa das hg. Erkenntnis vom 5. September 2002, Zl. 2002/02/0084), auf Grund dessen die amtshandelnden Personen annehmen konnten, er sei sich über die Bedeutung seiner Zustimmung zur Untersuchung im Klaren gewesen, rechtens war. Diese auf Grund einer nicht als unschlüssig zu erkennenden Beweiswürdigung gewonnene Annahme zu entkräften sind die Beschwerdeausführungen nicht geeignet und insbesondere kann auch im Hinblick auf die oben wiedergegebene Äußerung des Beschwerdeführers keine Rede davon sein, er sei bewusstlos gewesen.
Bei einem Blutalkoholgehalt von zumindest 1,6 Promille konnte die belangte Behörde unbedenklich eine Alkoholbeeinträchtigung im Sinn des § 5 Abs. 1 StVO 1960 annehmen. Der belangten Behörde kann daher auch nicht entgegengetreten werden, wenn sie vom Vorliegen einer bestimmten Tatsache im Sinne des § 7 Abs. 3 Z. 1 FSG ausgegangen ist. Die Dauer der Entziehungszeit wird vom Beschwerdeführer nicht bestritten. Im Lichte des von der belangten Behörde im Rahmen der Wertung gemäß § 7 Abs. 5 FSG berücksichtigten Umstandes, dass er den Verkehrsunfall verschuldet hat, bestehen auch für den Verwaltungsgerichtshof keine Bedenken, wenn die belangte Behörde die Auffassung vertrat, dass der Beschwerdeführer länger als die in § 26 Abs. 2 FSG vorgesehene Mindestentziehungszeit von vier Monaten als verkehrsunzuverlässig anzusehen sei.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 24. Februar 2005
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2003110170.X00Im RIS seit
31.03.2005