Norm
ABGB §1096Kopf
SZ 24/186
Spruch
Dem Untervermieter steht bei längerer Abwesenheit des Untermieters das Recht zu, den untervermieteten Raum von Zeit zu Zeit zu betreten, um sich von dessen Zustand zu überzeugen.
Entscheidung vom 11. Juli 1951, 3 Ob 391/51.
I. Instanz: Bezirksgericht Döbling; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Der Kläger begehrte in der gegen die Beklagte und deren vor Klagszustellung verstorbenen Gatten Rudolf Sch. gerichteten Klage die Fällung des Urteiles, die Beklagte sei nicht berechtigt, in Abwesenheit des Klägers das dem Kläger untervermietete Zimmer zu betreten, und habe dies in Hinkunft zu unterlassen; die Beklagte und Rudolf Sch. seien zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger den in ihrer Gewahrsam befindlichen Schlüssel zu diesem Zimmer zu übergeben. Der Kläger begrundete dieses Begehren damit, daß er von Rudolf Sch. ein Zimmer in Untermiete habe, das einen separierten Eingang besitze und daher von der Beklagten und deren Gatten nicht betreten werden dürfe. Er habe schon früher zweimal feststellen müssen, daß Sachen im Zimmer anders gelagert gewesen seien, als er nach kurzer Abwesenheit in das Zimmer zurückgekehrt sei; im Mai 1949 sei in Abwesenheit des Klägers ein Vollstreckungsorgan des Finanzamtes für den 19. Bezirk in der Wohnung erschienen, um beim Kläger eine Pfändung vorzunehmen, die Beklagte habe mit einem zweiten Schlüssel die Tür zum Zimmer des Klägers geöffnet und dieses gemeinsam mit dem Vollstrecker betreten; sie habe sich geweigert, diesen zweiten Schlüssel zum Zimmer dem Kläger auszufolgen. Die Klage gegen Rudolf Sch. wurde zurückgezogen.
Das Prozeßgericht erkannte zunächst die Beklagte schuldig, das Betreten des Zimmers während der Abwesenheit des Klägers zu unterlassen, und wies das Mehrbegehren auf Herausgabe des Schlüssels ab. Es stellte fest, daß weder beim Abschluß des Untermietvertrages noch bei einer späteren Gelegenheit zwischen den Streitteilen vereinbart worden sei, daß die Beklagte das Recht des Zutrittes zum untervermieteten Zimmer habe, daß sie aber dennoch zu verschiedenen Malen das Zimmer betreten habe, einmal aus Anlaß der Vollstreckungshandlung des Beamten des Finanzamtes und in der Folge nach dem Tode ihres Gatten zweimal, wobei sie einmal ein Tablett und einmal ein Staubtuch hinterlassen habe. Der Beklagten stehe ein Recht, das untervermietete Zimmer zu betreten, nicht zu, da zu den Rechten des Untermieters auch das des ausschließlichen Gebrauches der Bestandsache gehöre. Da Wiederholungsgefahr bestehe, sei dem ersten Teil des Begehrens Folge zu geben; hingegen fehle für das Begehren auf Herausgabe des zweiten Schlüssels jede Rechtsgrundlage.
Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Prozeßgerichtes in seinem abweisenden Teile, hob im übrigen das Urteil auf und verwies die Rechtssache im Umfange der Aufhebung zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsfällung an das Prozeßgericht zurück. Es vertrat die Rechtsmeinung, daß dem Untervermieter eines möblierten Zimmers in viel weiterem Umfange das Recht zugestanden werden müsse, den untervermieteten Raum zu betreten, als einem Hauseigentümer; dies erfordere schon die Fürsorge für die Möbel, für ausreichende Lüftung und Rauchfangkehrung, die Überwachung von Gas-, Wasser- und Elektrizitätsleitungen sowie der Umstand, daß der Hauptmieter dem Hauseigentümer für die Betreuung der ganzen Wohnung verantwortlich sei. Der Hauptmieter dürfe in Abwesenheit des Untermieters nur dann nicht dessen Räume betreten, wenn dieser entweder selbst nicht längere Zeit abwesend zu sein pflegt oder in derartigen Fällen eine Vertrauensperson, etwa seine Gattin zurückläßt. Es sei daher festzustellen, ob das Zimmer des Klägers während längerer Zeit leerzustehen pflege.
Im fortgesetzten Verfahren änderte der Kläger das Klagebegehren dahin, daß die Unterlassung des Betretens des Zimmers durch die Beklagte in Abwesenheit des Klägers oder einer von ihm bestellten Vertrauensperson begehrt wurde. Das Prozeßgericht beurteilte dies als Klagsänderung, ließ diese, da sich die Beklagte dagegen ausgesprochen hatte, nicht zu und wies das Klagebegehren in der Fassung, die Beklagte sei schuldig, das Betreten des an den Kläger untervermieteten Zimmers während der Abwesenheit des Klägers zu unterlassen, ab. Im Urteil wird auf die Feststellungen des aufgehobenen Urteils verwiesen und weiters festgestellt, daß der Kläger und seine Gattin seit Juli 1949 bis in die Gegenwart dem untervermieteten Zimmer im wesentlichen fernblieben, allerdings immer wieder fallweise hinkamen und den Schlüssel bei der Hausbesorgerin hinterlegten, ohne ihr den Auftrag zu geben, in Abwesenheit des Klägers das Zimmer zu betreuen; die Zeitabstände, in denen der Kläger oder dessen Gattin in das Zimmer kämen, seien zu groß, um die notwendige Betreuung des Zimmers und der darin befindlichen Einrichtungsgegenstände durch den Kläger oder dessen Gattin zu gewährleisten. Im Hinblick auf die im Aufhebungsbeschluß ausgesprochene Rechtsansicht des Berufungsgerichtes sei daher das Klagebegehren abzuweisen.
Das Berufungsgericht, das dem Rekurs gegen die Nichtzulassung der Klagsänderung Folge gab, bestätigte das Urteil des Prozeßgerichtes mit der Maßgabe, daß es zu lauten habe: "Das Klagebegehren des Inhaltes, die Beklagte sei schuldig, das Betreten des an den Kläger untervermieteten Zimmers während seiner Abwesenheit oder in Abwesenheit einer von ihm bestellten Vertrauensperson zu unterlassen, wird abgewiesen." Es übernahm die Feststellungen des Prozeßgerichtes und hielt die im Aufhebungsbeschluß geäußerte Rechtsansicht aufrecht, wobei es hinzufügte, daß in ständig abgeschlossenen Räumen eine erhöhte Gefahr für die Ausbreitung von Ungeziefer bestehe, was gleichfalls einen Grund für den Unterbestandgeber darstellen müsse, den untervermieteten Raum während einer längeren Abwesenheit des Untermieters zu betreten.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Aus dem Revisionsgrunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichtes, daß dem Untervermieter in weit größerem Maße das Recht zugebilligt werden müsse, den untervermieteten Bestandgegenstand zu betreten, als dem Hauseigentümer, und behauptet, daß dem Untermieter das Recht auf ausschließliche Benützung des untergemieteten Objektes zustehe.
Die Revision ist nicht begrundet.
Sogar dem Hauseigentümer steht das Recht zu, eine vermietete Wohnung ohne Zustimmung des Hauptmieters zu betreten, wenn dies im Interesse ihrer Erhaltung oder zur Ausübung der notwendigen Aufsicht über das Haus erforderlich ist (Klang, 2. Aufl., zu § 1096 ABGB., S. 43; Stubenrauch, II. Band, S. 322). Umso mehr muß dem Untervermieter, der dem Hauseigentümer für das Verhalten des Untermieters und die Abwendung von Schäden in den untervermieteten Räumen verantwortlich ist, das Recht zugestanden werden, einen untervermieteten, mit der Einrichtung des Untervermieters ausgestatteten Raum dann zu betreten, wenn der Untermieter längere Zeit abwesend ist und keine Vorsorge für die Beaufsichtigung, Pflege und sonstige Betreuung des untergemieteten Raumes getroffen hat, wie dies nach den Feststellungen der Vorinstanzen beim Kläger der Fall war. Daß ein solches Betreten durch den Hauptmieter in bestimmten, vom Berufungsgericht aufgezählten Fällen notwendig ist, bestreitet die Revision im allgemeinen selbst nicht; sie sucht lediglich darzutun, daß die Beklage für den Fall, als eine Entschädigung der Substanz eintreten oder Ungeziefer auftreten würde, auf Wiederherstellung des vorherigen Zustandes klagen oder die Vertilgung des Ungeziefers verlangen könne. Daß der Beklagten derartige Rechte zustehen, unterliegt keinem Zweifel; allein es handelt sich hier nicht um das Bestehen derartiger Rechte, sondern darum, ob die Beklagte verpflichtet ist, im vorliegenden Fall das Betreten des untervermieteten Zimmers des Klägers während dessen Abwesenheit zu unterlassen. Wenn nun auch im allgemeinen dem Untermieter das ausschließliche Recht des Gebrauches an dem untergemieteten Bestandgegenstand zusteht, so richtet sich doch der Umfang des Gebrauches nach der Verkehrssitte. Es kann dem Hauptmieter dann, wenn der Untermieter durch längere Zeit abwesend ist und dieser für die Zeit seiner Abwesenheit rücksichtlich Aufsicht, Pflege und Betreuung des untergemieteten Raumes keine Vorsorge trägt, schon nach der Verkehrssitte im Hinblick auf die dem Hauptmieter gegenüber dem Hauseigentümer obliegende Verantwortung und wegen der Obsorge für die dem Hauptmieter gehörigen Einrichtungsgegenstände, nicht versagt werden, von Zeit zu Zeit den untervermieteten Raum zu betreten, um sich von dessen Zustand zu überzeugen, die notwendige Lüftung vorzunehmen, darüber zu wachen, daß kein Austritt von Gas oder Wasser, keine Verbreitung von Rauchgas aus den Heizkörpern, kein Defekt an der elektrischen Leitung, der zu einem Brande führen könnte, vorkommt, und dergleichen mehr. Es fehlt daher im konkreten Falle für ein generelles Gebot an den Hauptmieter, das Betreten des untervermieteten Zimmers während der Abwesenheit des Untermieters oder einer von ihm bestellten Vertrauensperson zu unterlassen, wie dies der Kläger in seinem Begehren anstrebt, die rechtliche Grundlage, weshalb der Revision der Erfolg versagt bleiben mußte.
Anmerkung
Z24186Schlagworte
Aftermiete, Betreten der Räume durch den Untermieter, Besichtigung untervermieteter Räume in Abwesenheit des Untermieters, Bestandvertrag Betreten untervermieteter Räume, Betreten untervermieteter Räume durch Vermieter, Mietvertrag Betreten untervermieteter Räume, Räume Betreten untervermieteter -, Überwachungsrecht des Untervermieters, Untermiete, Betreten der Räume durch Untervermieter, Untermietvertrag, Betreten der Räume durch Untervermieter, Vermieter Betreten der untervermieteten Räume durch den -European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1951:0030OB00391.51.0711.000Dokumentnummer
JJT_19510711_OGH0002_0030OB00391_5100000_000