TE Vwgh Erkenntnis 2005/2/24 2004/16/0268

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Veröffentlicht am 24.02.2005
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
22/02 Zivilprozessordnung;
27/03 Gerichtsgebühren Justizverwaltungsgebühren;

Norm

GGG 1984 §1 Abs1;
VwRallg;
ZPO §71;
ZPO §72;
ZPO §93 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde der CN in W, vertreten durch Dr. Johannes Patzak und Dr. Johannes Krauss, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Johannesgasse 16, gegen den Bescheid des Präsidenten des Handelsgerichtes Wien vom 19. November 2004, Zl. Jv 3755-33/04, betreffend Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin begehrte als klagende Partei beim Handelsgericht Wien mit dem Klageschriftsatz des von ihr bevollmächtigten Rechtsvertreters vom 8. August 2001 gegen die beklagte Partei das Urteil auf Feststellung des Bestehens einer Konkursforderung und beantragte gleichzeitig die Bewilligung der Verfahrenshilfe im Umfang des § 64 Abs. 1 Z 1 lit. a - e und 2 ZPO.

Mit Beschluss vom 14. September 2001 bewilligte das Handelsgericht Wien die beantragte Verfahrenshilfe.

Mit Schriftsatz vom 12. Dezember 2001 teilte die Beschwerdeführerin mit, die Parteien des Verfahrens hätten vorläufig einfaches Ruhen des Verfahrens vereinbart.

Mit Beschluss vom 11. August 2004 wurde der Beschwerdeführerin, zur Überprüfung, ob die Grundlagen für die bewilligte Verfahrenshilfe weiter bestünden, aufgetragen, ein weiteres Vermögensbekenntnis auszufüllen und vorzulegen. In diesem Beschluss wurde auch der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin angeführt. In der Zustellverfügung wurde die Zustellung an die Beschwerdeführerin als Empfängerin sowie an die beklagte Partei angeordnet. Nach dem ersten Zustellversuch am 16. August 2004 erfolgte die Hinterlegung der an die Beschwerdeführerin gerichteten Sendung. Die Sendung wurde von der Beschwerdeführerin nicht behoben.

Mit Beschluss vom 16. September 2004 verpflichtete das Handelsgericht Wien die Beschwerdeführerin zum Ersatz der Pauschalgebühren dem Grunde nach. Auch in diesem Beschluss wurde der Rechtsvertreter als Vertreter der Beschwerdeführerin angeführt. In der Zustellverfügung wurde die Zustellung an die Beschwerdeführerin als Empfängerin sowie an die beklagte Partei angeordnet. Die an die Beschwerdeführerin gerichtete Sendung wurde nach dem ersten Zustellversuch am 20. September 2004 hinterlegt und von der Beschwerdeführerin nicht behoben.

Mit dem nicht in den vorgelegten Verwaltungsakten befindlichen Zahlungsauftrag des Handelsgerichtes Wien vom 3. November 2004 schrieb die Kostenbeamtin des Handelsgerichtes Wien der Beschwerdeführerin die Pauschalgebühr nach Tarifpost 1 GGG in Höhe von EUR 23.156,91 zuzüglich der Einhebungsgebühr gemäß § 6 GEG in der Höhe von EUR 7,-- zur Zahlung vor.

In dem dagegen erhobenen Berichtigungsantrag brachte die Beschwerdeführerin vor, für die nunmehrige Vorschreibung der Pauschalgebühr gäbe es keine Grundlage.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Berichtigungsantrag keine Folge. In der Begründung heißt es, mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 16. September 2004 sei die Beschwerdeführerin gemäß § 71 ZPO zur Nachzahlung der Beträge verpflichtet worden. Der Beschluss über die Verpflichtung zur Nachzahlung der Pauschalgebühr nach Tarifpost 1 GGG wurde über Verfügung des Gerichtes der Beschwerdeführerin am 21. September 2004 durch Hinterlegung zugestellt und sei in Rechtskraft erwachsen. Der Kostenbeamte und der Präsident des Gerichtshofes seien als Justizverwaltungsorgane an die rechtskräftige Entscheidung des Gerichtes gebunden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, mit der sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Nichtvorschreibung der Pauschal- und Einhebungsgebühr verletzt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. aus jüngerer Zeit z.B. das hg. Erkenntnis vom 26. Februar 2004, Zl. 2003/16/0475) ist sowohl der Kostenbeamte als auch die belangte Behörde als Justizverwaltungsorgan bei der Gerichtsgebührenfestsetzung an die Entscheidungen des Gerichtes gebunden.

Voraussetzung für diese Bindung ist allerdings, dass der Beschluss rechtswirksam geworden ist; d.h. eine rechtswirksame Zustellung dieses Beschlusses erfolgt ist.

Im Berichtigungsantrag brachte die Beschwerdeführerin vor, für die Vorschreibung der Pauschal- und Einhebungsgebühr fehle die Grundlage. Damit hat sie auch das Fehlen eines rechtswirksamen Beschlusses über die Verpflichtung zur Entrichtung dieser Gebühren behauptet.

Beschlüsse müssen stets beiden Parteien zugestellt werden. Ist die Verfahrenshilfe genießende Partei durch einen frei gewählten Rechtsanwalt vertreten, hat die Zustellung an diesen zu erfolgen (vgl.  M.  Bydlinski in Fasching2, 2. Band, erster Teilband, Rz 5 zu § 72 ZPO und § 93 Abs. 1 ZPO).

Die Zustellung des Beschlusses über die Nachzahlungsverpflichtung wäre somit an den - auch für das Verfahren über die Verfahrenshilfe - bevollmächtigten Parteienvertreter zu verfügen gewesen. Eine Zustellung an diesen erfolgte jedoch nicht. Dieser Beschluss konnte ihm auch nicht zugekommen sein, weil er nicht behoben worden ist. Damit liegt kein an die Beschwerdeführerin ergangener und somit wirksamer Beschluss des Handelsgerichtes Wien über die Nachzahlungsverpflichtung vor und der Kostenbeamte konnte sich nicht mit Recht auf einen solchen rechtswirksam ergangenen Beschluss stützen. Schon damit erweist sich die Gebührenvorschreibung mangels eines an die Beschwerdeführerin ergangenen Beschlusses über die Nachzahlungsverpflichtung als rechtswidrig.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 24. Februar 2005

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Bindung der Verwaltungsbehörden an gerichtliche Entscheidungen VwRallg9/4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2004160268.X00

Im RIS seit

23.03.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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