Norm
Handelsagentengesetz §12Kopf
SZ 24/205
Spruch
Wesen der buchhändlerischen Kommission.
§ 51 Z. 2 KO. ist auf den buchhändlerischen Sortimentenkommissionär nicht anwendbar.
Entscheidung vom 22. August 1951, 1 Ob 570/51.
I. Instanz: Landesgericht Klagenfurt; II. Instanz: Oberlandesgericht Graz.
Text
Beklagter ist Buchhändler (Sortimenter); die Klagsfirma war seit 1949 Sortimenterkommissionär des Beklagten, belieferte ihn aber auch selbst. Sie hat die dem Beklagten als Sortimenterkommissionär gelieferten Pakete für den Beklagten bevorschußt; sie behauptet, daß ihr aus diesen buchhändlerischen Kommissionsgeschäften 2500 S zustehen. Beklagter geriet in Konkurs; in diesen hat Klägerin einen Betrag in der dritten Klasse und 4770.51 S in der ersten Klasse angemeldet. Der Masseverwalter hat die Liquidhaltung eines Betrages in der ersten Klasse bestritten. Am 16. August 1950 wurde das Konkursverfahren aufgehoben, nachdem Beklagter zur Sicherstellung für den Fall, daß der Anspruch auf Liquidierung der Forderung von 4770.51 S in der ersten Klasse zu Recht bestehen sollte, einen Betrag in dieser Höhe sicherstellungsweise erlegt hat. Klägerin begehrt, den Beklagten zur Einwilligung in die Ausfolgung dieses Betrages an sie zu verurteilen; Beklagter hat Abweisung der Klage beantragt, da Klägerin im Sinne der Vereinbarungen keinen Anspruch auf den Erlag habe, weil ihre Forderungen weder ganz noch teilweise in die erste Klasse der Konkursforderungen gehören.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab, weil die Forderungen des buchhändlerischen Kommissionärs nicht Forderungen eines Handelsagenten im Sinne des § 51 Z. 2 KO. seien.
Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren teilweise Folge. Sie nahm nach Einvernahme eines Sachverständigen an, daß der buchhändlerische Kommissionär nicht Kommissionär im Sinne des Handelsgesetzbuches sei, weil die durch ihn laufenden Geschäfte nicht in seinem Namen abgeschlossen werden. Der Verlag fakturiere vielmehr alle durch den Kommissionär vermittelten Geschäfte sofort mit Originalfakturen des Verlages auf den Namen des Sortimenters; alle durch den buchhändlerischen Kommissionär vermittelten Geschäfte würden somit unmittelbar zwischen Verleger und Sortimenter abgeschlossen. Damit scheide aber die Anwendbarkeit der Bestimmungen über das Kommissionsgeschäft (§§ 383 ff. HGB.) aus. Damit sei schon gesagt, daß das eine Begriffsmerkmal des Handelsagenten gegeben sei; der Abschluß auf Namen und Rechnung des Geschäftsherrn. Auch das letztere sei gegeben. Wohl habe der buchhändlerische Kommissionär auch die Funktion eines Bankiers - neben der hier bedeutungslosen Tätigkeit des Spediteurs - weil er in gewissem Ausmaß auch die Zahlungen für den Sortimenter leistet. Auch wenn das geschehe, was durchaus im Ermessen des Kommissionärs liege, so erfolge trotzdem das Geschäft ausschließlich auf Rechnung des Buchhändlers. Über die Gewerbsmäßigkeit der Kommissionstätigkeit könne kein Zweifel bestehen. Es sei aber auch das Begriffsmerkmal des Handelsagenten, der ständigen Betrauung mit Vermittlung und Abschluß gegeben. Die ständige Betrauung, also die ständige Beziehung zwischen Kommissionär und Buchhändler ergebe sich schon aus § 24 der Verkehrsordnung für den Buch-, Kunst-, Musikalien- und Zeitschriftenhandel in Österreich, wonach die Kommissionsbeziehung im Buchhändler-Adreßbuch oder im Anzeiger bekanntgegeben werde und solange gelte, bis sie nicht auf dem gleichen Weg widerrufen sei. Daß der buchhändlerische Kommissionär mit der Vermittlung und dem Abschluß von Buchhandelsgeschäften für den Komittenten betraut sei, könne auch nicht angezweifelt werden. Vielleicht werde man sagen müssen, daß im Gegensatz zu anderen Handelsagenten die persönliche Bemühung um das Zustandekommen von Geschäften fehle, weil er die Aufträge abwarte. Aber an ihre Stelle trete die in der Betrauung und Anzeige enthaltene allgemeine Anbietung, die jede persönliche Bemühung überflüssig mache. Die Tätigkeit des buchhändlerischen Kommissionärs decke sich daher in allen begriffswesentlichen Einzelheiten mit der eines Handelsagenten. Das Berufungsgericht kam daher zu dem Ergebnis, daß die Klägerin als Handelsagent anzusehen sei und deshalb auf das Konkursprivileg nach § 51 Z. 2 KO. Anspruch machen könne, soweit es sich um Ansprüche aus dem buchhändlerischen Kommissionsgeschäft handle, die ihr gegen den Beklagten zustehen.
Dieses Urteil wird vom Beklagten mit Revision angefochten, in der die Revisionsgrunde des § 503 Z. 2 und 4 ZPO. geltend gemacht werden.
Der Oberste Gerichtshof stellte das erstrichterliche Urteil wieder her.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Rechtsrüge ist begrundet. Der Oberste Gerichtshof stimmt dem Berufungsgericht zu, daß das buchhändlerische Kommissionsgeschäft mit dem im Handelsgesetzbuch geregelten Kommissionsgeschäft nichts zu tun hat. Es ist dem Berufungsgericht auch zuzugeben, daß der buchhändlerische Kommissionär eine Reihe von Begriffsmerkmalen mit dem Handelsagenten gemein hat. Dagegen ist es rechtsirrig, daraus zu folgern, daß der buchhändlerische Kommissionär deshalb bereits als eine Sonderart des Handelsagenten anzusehen sei und daß auf ihn deshalb die Vorschriften des Handelsagentengesetzes anzuwenden seien.
Die Aufgabe des Handelsagenten besteht darin, Geschäfte für den Geschäftsherrn zustande zu bringen. Dieses den Handelsagenten charakterisierende Moment tritt beim buchhändlerischen Kommissionär ganz zurück. Da nach § 2 lit. b der Verkehrsordnung der Verleger verpflichtet ist, seine Verlagsartikel an den Sortimenter gegen bar zu liefern, so ist die Einschaltung eines Zwischengliedes zwischen Sortimenter und Verleger, nur um ins Geschäft zu kommen, vollkommen überflüssig. Dem Sortimenterkommissionär kommt vielmehr eine ganz andere Aufgabe zu: er wird dazwischen geschaltet, nicht um das Geschäft abzuschließen, sondern um die möglichst rasche reibungslose Belieferung des Sortimenters zu ermöglichen. Der Kommissionär ist für den Sortimenterkommittenten Sammelstelle für seine Bezüge. Der Kommissionär sammelt die Bestellungen, um sie zu größeren Paketen, Ballen oder Kisten vereinigt, zu expedieren. Dieses Verfahren bedeutet für den Sortimenter Porto-, Fracht- und Zeitersparnis. Der Kommissionär ist seinem Zweck nach im wesentlichen eine Institution zur Weiterleitung der Bestellungen. Er steht daher einem Frachtführer oder Spediteur nahe, weil er im eigenen Namen die Pakete an den Sortimenter entweder im Lokalverkehr selbst befördert oder durch die Bahn, Post etc. dem Sortimenter zugehen läßt.
Bei dieser Sachlage darf dem Umstand, daß der Sortimenterkommissionär gleichzeitig auch dem Verleger gegenüber als bevollmächtigter Einkäufer des Sortimenters auftritt und in dessen Namen Bestellungen macht, kein entscheidendes Gewicht beigelegt werden. Das buchhändlerische Kommissionsgeschäft ist ein sogenanntes gemischtes Geschäft, das einerseits gewisse Züge des Handelsagentenvertrages aufweist, anderseits aber auch der Spedition nahesteht. Das Berufungsgericht wird der wirtschaftlichen Bedeutung der Institution der buchhändlerischen Sortimenterkommission nicht gerecht, weil es einseitig nur die agentenrechtlichen Charakteristiken dieses Geschäftes betrachtet, obwohl die formaljuristischen Ähnlichkeiten mit dem Agentenvertrag bei Betrachtung des Zweckes, den die beteiligten Wirtschaftskreise mit dieser Institution im Auge haben, gegenüber dem speditionsrechtlichen zurücktreten.
Die Sortimenterkommission ist weder Spedition im technischen Sinne, noch Agentenverhältnis, sie ist ein Vertragsverhältnis sui generis, das im Gesetz nicht geregelt ist und Elemente verschiedener gesetzlich geregelter Vertragstypen aufweist. Sie kann nicht dem Begriff des Handelsagentenvertrages unterstellt werden.
Noch weniger ist es möglich, sie dem § 51 Z. 2 KO. zu unterstellen.
§ 51 Z. 2 KO. will der gemeinrechtlichen Tradition folgend die Dienstnehmer im Konkurs privilegieren und reiht daher ihre Forderungen aus dem letzten Jahre bis zu einem gewissen Betrag in die erste Konkursklasse ein. Mit Rücksicht auf die arbeitnehmerähnliche Stellung der meisten Handelsagenten werden die Handelsagenten, aber nur für ihre Provisionsforderungen und Barauslagen, den Dienstnehmern gleichgestellt. Es würde aber der ratio dieser sozialen Schutzbestimmung vollkommen widersprechen, wenn man sie auf die Sortimenterkommissionäre erstrecken wollte, die nicht die geringste Arbeiternehmerähnlichkeit besitzen, sondern in der Regel kapitalsstarke Unternehmer sind, die das Sortimentgeschäft durch ihren Kredit geradezu finanzieren.
Dabei bleibt gänzlich außer Betracht, daß die an buchhändlerische Sortimenterkommissionäre gewährten Vorschüsse schon deshalb nicht unter § 51 Z. 2 KO. fallen, weil Vorschüsse keine Auslagen im Sinn des § 51 Z. 2 KO., § 12 Abs. 2 HAG. sind. Dem trägt übrigens auch die Klägerin in ihrer Geschäftsgebarung Rechnung, indem sie in ihre Monatsspesenrechnungen, wie sich aus den vom Sachverständigen vorgelegten Abrechnungen ergibt, die gewährten Vorschüsse nicht aufnimmt, also selbst zum Ausdruck bringt, daß Vorschüsse keine Barauslagen sind.
Aus dieser Sachlage ergibt sich, daß das Berufunsgericht den vorliegenden Tatbestand rechtlich unrichtig beurteilt hat. Es mußte daher der Revision Folge gegeben und das erstrichterliche Urteil wiederhergestellt werden.
Anmerkung
Z24205Schlagworte
Buchhandel, Ansprüche des Sortimentenkommissionärs im Konkurs, Handel, buchhändlerische Kommission, Kommission, buchhändlerische -, Kommissionär, buchhändlerischer -, Konkurs Rangordnung der Ansprüche des Sortimentkommissionärs, Rangordnung der Ansprüche des Sortimentenkommissionärs im Konkurs, Sortimentenkommissionär, Ansprüche des - im Konkurs, Verlagshandel, buchhändlerische Kommission, Wesen der buchhändlerischen KommissionEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1951:0010OB00570.51.0822.000Dokumentnummer
JJT_19510822_OGH0002_0010OB00570_5100000_000