TE OGH 1951/9/12 3Ob453/51

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Veröffentlicht am 12.09.1951
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Norm

ABGB §914
ZPO §406

Kopf

SZ 24/225

Spruch

Eine Geldrente, die für den Fall bedungen wurde, daß der Übergeber aus einem im Übergabsvertrag vereinbarten Grund nicht das Naturalausgedinge beziehen kann, hat Unterhaltscharakter.

Entscheidung vom 12. September 1951, 3 Ob 453/51.

I. Instanz: Bezirksgericht Deutschlandsberg; II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.

Text

Der Kläger hat gemeinsam mit seiner Frau mit Übergabsvertrag vom 20. Feber 1941 sein Anwesen dem Sohne und dessen Braut, der Beklagten, übergeben. In diesem Übergabsvertrag haben sie sich ein Ausgedinge ausbedungen, unter anderem bestehend aus der Wohnung im Hause W. 6, gemeinsam mit den Übernehmern, Mitbenützung der vorhandenen Einrichtung und Gebrauchsgegenstände, volle Wartung in kranken Tagen und ortsübliche Verpflegung am gemeinsamen Tisch bei freiem Zugang zu allen Räumlichkeiten der übergebenen Liegenschaft, insbesondere Speis und Keller für den eigenen Bedarf, mit dem Rechte, den Herd gemeinsam zu benützen und sich aus den vorhandenen Lebensmittelvorräten Speisen für den eigenen Bedarf selbst zu bereiten oder bereiten zu lassen. Sollten die Übergeber wegen schlechter oder liebloser Behandlung oder nicht ordnungsgemäßer Gewährung des vereinbarten Auszuges beim Hause nicht verbleiben können, so verpflichteten sich die Übernehmer für die vollständige Versorgung der Übergeber im Umfange und nach Maßgabe des Auszuges aus eigenen Mitteln aufzukommen. Bald nach Übergabe der Liegenschaft mußte der Sohn des Klägers einrücken und kehrte nicht mehr zurück. Wegen der ständigen Streitigkeiten zog die Beklagte vom Hofe weg und der Kläger übernahm mit seiner Frau die Bewirtschaftung. Erst nach dem Tode der Frau des Klägers kehrte die Beklagte im Frühjahr 1948 wieder zurück. Nach anfänglichen Schwierigkeiten hinderte der Kläger die Beklagte nicht an Verfügungen in der Wirtschaft. Im Herbst 1948 verpachtete die Beklagte die Wirtschaft an Josef S., ohne für das Ausgedinge des Klägers vorzusorgen. Die Beklagte bot dem Kläger die Gewährung des Ausgedinges in ihrer Pachtliegenschaft in K. an, der Kläger stimmte aber einer Übersiedlung nicht zu. Kurze Zeit nach Übergabe der Liegenschaft an den Pächter, der zur Leistung des Ausgedinges weder verpflichtet noch bereit war, zog der Kläger zu einem Nachbar, wo er gegen Arbeitsleistung verpflegt wurde; später ging er zu seiner Tochter nach Graz, wo er für die Verpflegung Zahlung leistet.

Der Kläger begehrt mit seiner Klage die Leistung des Ausgedinges in Geld mit der gleichzeitigen Behauptung, daß ihm auch ein weiteres Zusammenleben mit seiner Schwiegertochter wegen deren Unreinlichkeit und Lieblosigkeit nicht zugemutet werden könne.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren teilweise statt und sprach dem Kläger eine monatliche Rente von 120 S für die Zeit vom 13. September 1948 bis 31. Dezember 1949 und von 150 S ab 1. Jänner 1950 zu, die bereits fälligen Beträge zahlbar binnen 14 Tagen, die in Hinkunft fälligen Beträge zahlbar an jedem Ersten eines Monates im vorhinein. Die klägerische Behauptung über die lieblose Behandlung und Unreinlichkeit sei nicht stichhältig und bloß Ausrede, um nicht bei der Schwiegertochter wohnen zu müssen. Hingegen sei der Kläger berechtigt, die Gewährung des Ausgedinges im Hause zu begehren, es wäre denn, daß er einer Übersiedlung zugestimmt hätte. Eine solche Zustimmung liege aber nicht vor. Da das Ausgedinge Unterhaltscharakter habe, seien auch die künftigen Fälligkeiten zuzusprechen gewesen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Revision rügt vorerst die Annahme des Berufungsgerichtes, der Kläger sei mit einer Übersiedlung nach K. nicht einverstanden gewesen. Aus der Tatsache, daß er die Übersiedlung eines Kastens und anderer Sachen zugelassen habe, müsse auf eine Zustimmung geschlossen werden. Das Berufungsgericht stellt aber fest, daß der Kläger niemals ausdrücklich seine Zustimmung zur Übersiedlung erklärte, vielmehr stets das Gegenteil geäußert hat. Es kann daher aus der Tatsache, daß er die Übersiedlung eines Kastens und einiger Privatsachen zugelassen hat, nicht auf eine Zustimmung zur Übersiedlung geschlossen werden. Die Schlußfolgerungen des Berufungsgerichtes widersprechen keineswegs den natürlichen Denkgesetzen, so daß der Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung in diesem Punkte nicht gegeben ist.

Mit Recht hat das Berufungsgericht darauf verwiesen, daß die erst nach Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz eingetretene Tatsache, daß die Beklagte wieder auf die Liegenschaft zurückgekehrt und bereit ist, dem Kläger dort das Ausgedinge zu leisten, in diesem Verfahren nicht zu berücksichtigen war, vielmehr die Sachlage am Schlusse der mündlichen Verhandlung dem Urteile zugrunde zu legen ist.

Da sich die Übernehmer verpflichteten, für den Fall, als die Übergeber berechtigt sind, eine Geldrente in Anspruch zu nehmen, für die vollständige Versorgung der Übergeber im Umfange und nach Maßgabe des Auszuges aufzukommen, kann auf die Frage der wirtschaftlichen Unmöglichkeit zur Leistung des Ausgedinges in Geld, die in der Revision erstmalig aufgeworfen wurde, nicht eingegangen werden.

Die Revision vermeint schließlich noch, daß ein Zuspruch der erst in Zukunft fällig werdenden Beträge gemäß § 406 ZPO. unzulässig sei, weil es sich hier um Ersatz- oder Entschädigungsforderungen handle und um keinen Unterhaltsbetrag. Nun ist aber der Unterhaltscharakter sowohl eines Natural- als auch eines Geldausgedinges einhellig in Lehre und Rechtsprechung anerkannt. Auch die in diesem Vertrage bedungene Geldrente für den Fall, als die Übergeber aus einem im Vertrage angeführten Gründe nicht beim Hause bleiben können, trägt ausgesprochenen Unterhaltscharakter. Damit sollte nach dem Wortlaut des Vertrages die vollständige Versorgung der Übergeber sichergestellt werden, und zwar im Umfange und nach Maßgabe des Auszuges, also nach dem jeweiligen Bedürfnis der Übergeber. Mit dieser Abstellung auf die persönlichen Bedürfnisse wird der Unterhaltscharakter des Anspruches deutlich gegen eine gewöhnliche Geldrente abgegrenzt. Gemäß § 406 ZPO. können aber nicht fällige Unterhaltsbeträge zugesprochen werden, wobei es gleichgültig ist, ob es sich um vertragliche oder gesetzliche Unterhaltsansprüche handelt. Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes ist daher auch in diesem Punkte einwandfrei.

Anmerkung

Z24225

Schlagworte

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European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1951:0030OB00453.51.0912.000

Dokumentnummer

JJT_19510912_OGH0002_0030OB00453_5100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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