TE OGH 1951/9/12 1Ob434/51

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Veröffentlicht am 12.09.1951
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Norm

ABGB §901
Urheberrechtsgesetz §2 Abs1 Z3
Urheberrechtsgesetz §10
Urheberrechtsgesetz §12

Kopf

SZ 24/215

Spruch

Bildliche Darstellungen belehrender Natur sind nur dann urheberrechtlich geschützt, wenn es sich um eine eine eigentümliche geistige Schöpfung bildende Art der Darstellung handelt. Die Methode, die Form als solche, wird überhaupt nicht geschützt.

Entscheidung vom 12. September 1951, 1 Ob 434/51.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Der Kläger begrundet sein Schadenersatzbegehren damit, die beklagte Partei habe mit Schreiben vom 21. Feber 1948 bestätigt, daß sie von jeder Auswertung und Nutzung der Idee auch in anderer Art des vom Kläger erfundenen "Fußball-Seismographen" Abstand nehme, sie habe damit auch das alleinige geistige Eigentum des Klägers an dem "Fußball-Seismographen" anerkannt, trotzdem habe die beklagte Partei in der Montagsausgabe vom 19. April 1948 diesen "Fußball-Seismographen" in leicht veränderter Form graphisch ausgewertet und dadurch dem Kläger jede weitere Verwertung seiner Erfindung unmöglich gemacht und sei dem Kläger dadurch für zwei Jahre mindestens ein Schaden von 6000 S entstanden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit Urteil vom 12. Jänner 1951 mit der Begründung ab, das vom Kläger geschaffene System stelle keine neue Idee des Klägers dar, sondern sei vielmehr schon in früheren Zeiten, so von der ungarischen Sportzeitung Nemzeti-Sport und anderen ausländischen Zeitungen gebracht worden, nur daß die Art der graphischen Darstellung eine andere sei. Das System sei aber das gleiche geblieben, der Kläger habe daher nicht das Recht gehabt, das von ihm entworfene System als sein alleiniges geistiges Eigentum anzusprechen und daraus seine Rechte abzuleiten; es sei auch nicht davon die Rede, daß die beklagte Partei das System des Klägers ausgenützt habe, weil das System der Beklagten in Beilage E mit jenem in Beilage 2 (einer früheren Zeitung) identisch sei und sich auch das System des Klägers mit diesem dem Grundgedanken nach decke, überdies könne man die Darstellung eines Fußballwettspieles nicht mit Ernst als Werk der Literatur oder Kunst oder gar als eine Erfindung bezeichnen.

Das Berufungsgericht hob mit dem angefochtenen Beschluß das erstgerichtliche Urteil auf, wies die Rechtssache zur Fortsetzung der Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück, sprach aus, daß das Verfahren in erster Instanz erst nach Rechtskraft dieses Beschlusses fortzusetzen sei, und führte in der Begründung aus, es handle sich um ein Werk belehrender Art, das in der bildlichen Darstellung des Spielverlaufes eines Fußballwettkampfes in der Fläche bestehe und daher unter § 2 Abs. 1 Z. 3 Urheberrechtsgesetz zu subsumieren sei. Die Frage, ob der Kläger als Urheber im Sinne des § 10 Urheberrechtsgesetz anzusehen sei, bzw. ob die Vermutung der Urheberschaft gemäß § 12 Urheberrechtsgesetz für ihn streite, könne durch den Hinweis darauf, daß bereits in einem früheren Zeitpunkt eine Schöpfung gleicher Art öffentlich verbreitet worden sei, nicht mit absoluter Sicherheit gelöst werden; s sei eine in der Geschichte der menschlichen Wissenschaft bekannte Tatsache, daß wissenschaftliche Ideen zu gleicher Zeit an verschiedenen Orten der Erde auftauchen und daß der Streit darüber, ob es sich um eine ursprüngliche Schöpfung handle, nicht dadurch entschieden werden könne, daß zufällig der Schöpfer der Idee im Landstrich X diese neue Idee dort früher publizieren ließ als der Schöpfer der gleichen Idee im Distrikt Y; es komme daher darauf an, ob der Kläger unabhängig von den früheren Publikationen die Idee der graphischen Darstellung des Verlaufes von Fußballwettspielen gefaßt habe. Dem Kläger stehe aber überhaupt ein vertragliches Recht gegen die beklagte Partei, von der Verwertung seiner Idee Abstand zu nehmen, zu, die beklagte Partei sei an diese Vereinbarung gebunden, da sie weder vor der Einleitung des Rechtsstreites noch im Prozeß selbst behauptet habe, daß ihre Überzeugung von der Urheberschaft des Klägers das alleinige Motiv für ihre Zusage gewesen sei. Der Anspruch des Klägers bestehe daher dem Gründe nach zu Recht und sei demnach festzustellen, ob und welchen Schaden der Kläger tatsächlich erlitten habe.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurse der beklagten Partei Folge, hob den angefochtenen Beschluß auf und trug dem Berufungsgerichte die neuerliche Entscheidung auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Im vorliegenden Falle handelt es sich um die bildliche Darstellung von Fußballwettkämpfen in der Fläche. Das Berufungsgericht meint, daß diese Darstellung belehrend und daher nach § 2 Abs. 1 Z. 3 Urheberrechtsgesetz geschützt sei. Dieser Ansicht kann jedoch nicht beigepflichtet werden. § 2 Abs. 1 Z. 3 Urheberrechtsgesetz spricht von Werken wissenschaftlicher oder belehrender Art, die in bildlichen Darstellungen in der Fläche oder im Raume bestehen. Dazu werden Karten, Pläne, geometrische Zeichnungen, so Zeichnungen zur Verdeutlichung von Manipulationen oder Vorgängen zu zählen sein. All diese werden aber im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 3 wohl nur dann geschützt, wenn sie literarischen Zwecken dienen. Dies wird äußerlich zumeist dann klar zum Ausdruck kommen, wenn die bildlichen Darstellungen einem literarischen Werk beigegeben sind, so zum Beispiel Bilder in wissenschaftlichen Werken, Situationspläne und Landkarten in Zeitschriften, Modebilder in Modejournalen usw. Eine derartige Verbindung ist allerdings nicht unbedingt Voraussetzung des Schutzes, wohl aber ist erforderlich, daß die bildlichen Darstellungen zur Verwirklichung literarischer Ideen dienen (vgl. Schmiedl, österr. Urheberrecht 1906, S. 82). Soweit es sich nicht um wissenschaftliche Darstellungen handelt, müssen sie belehrender Natur sein. So ist die in den erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage zum Urheberrechtsgesetz unter anderem als Beispiel angeführte bildliche Darstellung der Körperhaltung, die bei der Behandlung von Musikinstrumenten, bei Turnübungen oder bei Spielen einzuhalten ist, eben nur urheberrechtlich geschützt, wenn und soweit sie dem Zwecke dienen soll, in der Behandlung der Musikinstrumente und im Turnen zu unterweisen. Abgesehen von der belehrenden Natur ist aber überdies auch erforderlich, daß es sich um eine eine eigentümliche geistige Schöpfung bildende Art der Darstellung handelt. Im vorliegenden Falle sollen Tagesereignisse, so wie sie sich wirklich abgespielt haben, nämlich Fußballwettspiele, bildlich in Form von Kurven dargestellt werden. Es handelt sich um eine bloße Reportage in bildlicher Darstellung, und zwar in Form von Kurven. Hier fehlt somit im Gegensatze etwa zu einer Anleitung zum Fußballspiel für die Zukunft die belehrende Natur, aber auch das eigentümliche schöpferische Element, da die Darstellung von Vorgängen in Gestalt von Kurven an sich durchaus landläufig ist und nichts eigentümliches darstellt. Die Methode, die Form als solche, wie z. B. die Eigenartigkeit der Instrumentation, die Harmonik und Farbtechnik, werden überhaupt nicht geschützt (vgl. Mitteis, österr. Urheberrecht S. 29; Seiller, österr. Urheberrecht 1927, S. 17; Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, S. 81). Da der "Fußball-Seismograph" nicht den Erfordernissen, belehrender Natur und eine eigentümliche geistige Schöpfung zu sein, entspricht, kommt ein Urheberrechtsschutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 3 Urheberrechtsgesetz überhaupt nicht in Frage. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob der Kläger infolge Verwendung dieser Darstellungsart in älteren Zeitungen als Urheber im Sinne des § 10 Urheberrechtsgesetz anzusehen ist. Das Urheberrechtsgesetz regelt übrigens die vom Berufungsgericht aufgeworfene Frage, wie der Fall des Schaffens desselben Werkes für zwei oder mehrere Personen unabhängig voneinander zu behandeln sei, nicht ausdrücklich, wohl weil bei eigentümlichen geistigen Schöpfungen eine völlige Identität kaum jemals in Betracht kommt, zumal ja der Gedanke für sich allein nicht geschützt ist, sondern nur der formgebundene Gedanke. Das eigentlich Schöpferische liegt ja in der eigenartigen, aus dem innersten Wesen des geistig Schaffenden fließenden geistigen Formung von Gedanken (vgl. Mitteis, a. a. O., S. 29). Würden aber selbst zwei Personen unabhängig voneinander im Inlande das gleiche Werk geschaffen haben und wäre wegen des unabhängigen Entstehens des zweiten dessen Publikation nicht als Eingriff in die Rechte des Schöpfers des ersteren zu werten, so könnte aber wohl auch kaum eine spätere neuerliche Vervielfältigung oder ein öffentlicher Vortrag oder eine Aufführung des zuerst geschaffenen Werkes nicht ohneweiters als Eingriff in die Rechte des Schöpfers des zweiten Werkes angesehen werden. Eine völlige Identität zweier eigentümlicher geistiger Schöpfungen ist jedoch, wie schon erwähnt, kaum möglich, und wird es sich zumindest fast immer um ähnliche, mit gewissen, ihren geistigen Schöpfern entsprechenden Verschiedenheiten handeln, wobei aber die Verschiedenheiten, mögen sie auch nicht so wesentlich erscheinen, eben die Identität der beiden Werke ausschließen.

Das Berufungsgericht meint auch, der Schadenersatzanspruch des Klägers bestehe schon auf Grund des Schreibens der beklagten Partei vom 21. Feber 1948 und ihrem Anbot einer bescheidenen Entschädigung an den Kläger für die Veröffentlichung einer der klägerischen ähnlichen graphischen Darstellung eines Fußballspieles in der Ausgabe vom 19. April 1948, gleichgiltig ob es sich um eine ursprüngliche Schöpfung des Klägers handle oder nicht. Im Schreiben vom 21. Feber 1948 heißt es, daß die beklagte Partei feststelle, daß sie von jeder Auswertung und Nutzung der Idee auch in anderer Art von der vom Kläger festgesetzten Abstand nehme, da der Fußball-Seismograph das alleinige geistige Eigentum des Klägers darstelle. Der Wortlaut des Schreibens vom 21. Feber 1948 ("Wir stellen fest, daß wir ... Abstand nehmen") spricht nicht für die Übernahme einer neuen Verpflichtung, sondern für ein Anerkenntnis, u. zw. der gesetzlichen Pflicht jedes Dritten, Eingriffe in das angenommene Urheberrecht des Klägers zu unterlassen, sofern es sich nicht etwa gar nur um ein Rechtsgeständnis handelt. Die gesamte Formulierung des Schreibens läßt auch erkennen, daß das alleinige Eigentum des Klägers ausdrückliche Voraussetzung, bestimmendes Motiv, war. Ist dies aber der Fall, so würde, sofern es sich um ein echtes Anerkenntnis handelt, ein Irrtum der beklagten Partei darüber, ob der Kläger alleiniger Schöpfer des Fußball-Seismographen ist, und ob es sich überhaupt um ein geschütztes Urheberrecht handelt, den Vertrag als unentgeltliches Rechtsgeschäft gemäß § 901 ABGB. anfechtbar machen (vgl. Ehrenzweig, System, Allg. Teil, S. 361 ff., Gschnitzer bei Klang, 1. Aufl., zu § 901 ABGB.). Die beklagte Partei hat nun in ONr. 4 ausdrücklich behauptet, daß sie in Erfahrung gebracht habe, daß die gleiche Art der graphischen Darstellung im Jahre 1929 im damaligen Wiener Sporttagblatt verwendet worden sei und daß es sich daher um keine Erfindung des Klägers handeln könne. Damit hat sie, wenn auch nicht in ganz klarer Weise, einen Irrtum ihrerseits in dieser Richtung eingewendet, zumal nach dem Klagsvorbringen die beklagte Partei mit dem Schreiben vom 21. Feber 1948 ihre Abstandnahme von jeder Auswertung und Nutzung der klägerischen Idee bestätigt und zugleich das alleinige geistige Eigentum des Klägers anerkannt hat, also die Bestätigung, Eingriffe zu unterlassen, im engsten Zusammenhang mit der Annahme der alleinigen Urheberschaft des Klägers erteilt hat und der Kläger in der Verhandlung vom 28. Juni 1949 noch ausdrücklich behauptet hat, die beklagte Partei hätte ihm nach Vorlage seines Systems niemals erklärt, daß dieses System längst schon bestanden habe, und ihm sogar das Schreiben vom 21. Feber 1948 habe zukommen lassen. Die beklagte Partei hat dem Kläger später eine bescheidene Entschädigung für die Publikation einer dem klägerischen System ähnlichen graphischen Darstellung eines Fußballspieles, wie das Berufungsgericht offenbar auf Grund der Aussagen der Zeugen M. und C. feststellt, ohne allerdings diese beiden Personen selbst vernommen zu haben, angeboten. Dabei handelt es sich jedoch nach dem eigenen Vorbringen des Klägers in der Klage bloß um ein Vergleichsangebot. Durch ein solches hat die beklagte Partei aber weder zugegeben, daß ihre Überzeugung von der alleinigen Urheberschaft des Klägers nicht das ausschließliche Motiv für ihre Zusage gewesen sei, noch auf die Anfechtung wegen Irrtums konkludent verzichtet, sondern hat damit eben nur einen Prozeß vermeiden wollen. Demnach kann auch die Ansicht des Berufungsgerichtes, wonach die beklagte Partei an die mit Schreiben vom 21. Feber 1948 getroffene Abmachung unabhängig davon, ob es sich bei dem "Fußball-Seismographen" um eine ursprüngliche Schöpfung des Klägers handelt oder nicht, schon nach dem Inhalte dieses Schreibens gebunden ist, nicht geteilt werden. Da nicht behauptet wurde, daß zusätzlich zu dem Schreiben vom 21. Feber 1948 noch etwas mündlich vereinbart wurde, kommt es somit nach dem Inhalte dieses Schreibens darauf an, ob sich die beklagte Partei über das alleinige Urheberrecht des Klägers in einem Irrtum befunden hat. Ob dies der Fall ist, wurde vom Berufungsgericht jedoch nicht festgestellt.

Daher war dem Rekurse Folge zu geben, der angefochtene Beschluß aufzuheben und dem Berufungsgerichte die neuerliche Entscheidung aufzutragen.

Anmerkung

Z24215

Schlagworte

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European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1951:0010OB00434.51.0912.000

Dokumentnummer

JJT_19510912_OGH0002_0010OB00434_5100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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