Norm
Anfechtungsordnung §2Kopf
SZ 24/224
Spruch
In Benachteiligungsabsicht handelt, wer mit Wissen und Willen eine für die Befriedigung der Gläubiger nachteilige Rechtshandlung bewirkt. Für die Berechtigung zur Anfechtung genügt es, daß der Gläubiger dadurch wenigstens teilweise eine Befriedigung seiner Forderung erreichen kann.
Entscheidung vom 12. September 1951, 3 Ob 433/51.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Josef S., der Ehegatte der Beklagten, wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 24. Jänner 1948, wegen Verbrechens des Betruges, der Veruntreuung und nach dem Devisengesetze zu fünf Jahren schweren Kerker und zu 100.000 S Geldstrafe verurteilt, unter anderem, weil er die Klägerin am 16. Dezember 1945 durch die Vorspiegelung, die Erwerbung einer Liegenschaft bei sofortiger Zahlung des Kaufschillings noch vor der Schillingkonversion binnen drei Tagen durchführen zu können, in Irrtum führte und ihr hiebei den Betrag von 125.000 S herauslockte. Er schuldet der Klägerin auf Grund des Urteils des Landesgerichtes für ZRS. Wien vom 23. April 1949, einen Betrag von 125.000 S samt Nebengebühren. Am 27. Jänner 1948 richtete Josef S. ein Schreiben an den Hausverwalter des Inhaltes, daß er seine Hauptmietrechte in seiner Wohnung seiner Frau und seiner Tochter überlassen habe. Der Hausverwalter nahm diese Mitteilung zur Kenntnis. Der Hauptmietvertrag wurde nur zwischen der Beklagten und dem Hausverwalter geschlossen. Im Zeitpunkt der Abtretung der Mietrechte hatte die Firma P. & Co. ein Zimmer und ein Kabinett dieser Wohnung in Untermiete, wofür sie monatlich 200 S bezahlte. Diesen Untermietzins hob die Beklagte bereits vor der Übertragung der Hauptmietrechte ein. Nach Übertragung der Hauptmietrechte schloß die Beklagte mit dieser Firma einen gleichlautenden Untermietvertrag ab. Die Übertragung erfolgte, um der Frau und deren Tochter die Wohnung zu sichern und in zweiter Linie auch, um den beiden aus der Untermiete ein Einkommen zu verschaffen. Der Beklagten war bekannt, daß ihr Mann zur Zeit der Übertragung über kein Vermögen und Einkommen verfügte. Es war sowohl der Beklagten als auch ihrem Manne bekannt, daß der Rechtsstreit zwischen Josef S. und der Klägerin zur Zeit der Abtretung bereits anhängig, aber noch nicht abgeschlossen war, ebenso auch, daß noch weitere Prozesse anhängig waren.
Auf Grund dieses Sachverhaltes ficht die Klägerin die Abtretung der Hauptmietrechte an die Beklagte an und begehrt, die Beklagte schuldig zu erkennen, ihr gegenüber die Exekution auf den Untermietzins für die in der Wohnung untervermieteten Räume zuzulassen.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt, wobei es feststellte, daß Josef S. in Benachteiligungsabsicht handelte und diese Absicht der Beklagten im Zeitpunkte der Abtretung der Hauptmietrechte bekannt war.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Wenn die Untergerichte feststellen, der Beklagten sei bekannt gewesen, daß ihr Mann im Zeitpunkte der Abtretung der Mietrechte über kein Vermögen und Einkommen verfügte, handelt es sich hiebei um eine tatsächliche Feststellung, welche im Revisionsverfahren nicht mehr angefochten werden kann. Die bezüglichen Ausführungen sind daher unbeachtlich. Aber auch die weitere bekämpfte Feststellung, daß Josef S. in Benachteiligungsabsicht handelte und diese Absicht der Beklagten bekannt war, ist tatsächlicher Natur. Mag auch die Parteiabsicht und das Wissen einer Partei als seelischer Zustand oder Vorgang eines direkten Beweises nicht zugänglich und nur durch logische Schlußfolgerung aus den äußeren Umständen zu gewinnen sein, liegt in dieser Schlußfolgerung noch kein Rechtsschluß. Von einer Überprüfung nach § 503 Z. 4 ZPO. könnte nur insoweit gesprochen werden, als es sich um die Anwendung natürlicher Denkgesetze handelt. Daß aber die natürlichen Denkgesetze durch die untergerichtlichen Schlußfolgerungen verletzt worden wären, kann nicht gesagt werden. In Benachteiligungsabsicht handelt, wer mit Wissen und Willen eine für die Befriedigung der Gläubiger nachteilige Rechtshandlung bewirkt. Nach den getroffenen Feststellungen verfügte Josef S. im Zeitpunkte der Abtretung der Hauptmietrechte über kein Vermögen und auch kein Einkommen. Er war sich im klaren, daß er mit Rücksicht auf seine Verurteilung und seine Haft in absehbarer Zeit auch nicht in der Lage sein wird, sich ein solches zu beschaffen. Sein einziges Einkommen bestand in dem Untermietzins. Mit Rücksicht auf seine strafgerichtliche Verurteilung und seine juristische Vorbildung konnte ihm der Ausgang des Zivilrechtsstreites nicht mehr unklar sein, woraus folgt, daß er mit einem Zugriff seiner Gläubiger auf diesen einzigen Vermögenswert rechnen mußte. Entzieht er diesen Vermögenswert dem Zugriff der Gläubiger, so wird die Befriedigung deren Forderungen mindestens erschwert, wenn nicht überhaupt vereitelt. Sichert er bei dieser Sachlage der Beklagten die Einkünfte aus dem Untermietvertrag durch die Abtretung seiner Hauptmietrechte an der Wohnung, so hat er seine Gläubiger mit Wissen und Willen zugunsten der Beklagten benachteiligt, daher in Benachteiligungsabsicht gehandelt.
Es ist aber auch der weitere Schluß gerechtfertigt, daß der Beklagten diese Absicht ihres Mannes bekannt war. Mit Recht verweisen die Untergerichte darauf, daß durch die Verurteilung des Mannes der Mieterschutz für die Angehörigen nicht aufgehoben wurde. Die Beklagte hat mit Zustimmung des Mannes den Untermietzins bereits vor der Abtretung der Hauptmietrechte eingehoben, zur Sicherung dieses Einkommens wäre daher die Abtretung der Hauptmietrechte nicht notwendig gewesen. Notwendig war sie nur dann, wenn zu befürchten stand, daß Gläubiger des Mannes auf den Untermietzins als den einzigen Vermögenswert des Mannes greifen. Bei dieser Sachlage und im Hinblick auf das persönliche Naheverhältnis der Beteiligten widerspricht der weitere Schluß, daß die Beklagte diese Benachteiligungsabsicht des Mannes kannte, keineswegs den natürlichen Denkgesetzen.
Wenn die Revision schließlich auf die mangelnde Befriedigungsmöglichkeit verweist, so trifft auch dies nicht zu. Für die Berechtigung zur Anfechtung ist es keineswegs erforderlich, daß dadurch die volle Befriedigung der Forderung ermöglicht wird, es genügt vielmehr, daß dadurch der Gläubiger wenigstens teilweise eine Befriedigung seiner Forderungen erreichen kann. Daß dies aber der Fall ist, vermag selbst die Revision nicht zu bestreiten.
Anmerkung
Z24224Schlagworte
Absicht der Benachteiligung, Anfechtung, Absichtsanfechtung, Voraussetzungen, actio Pauliana, Anfechtung bei teilweiser Befriedigungsmöglichkeit, Anfechtung Benachteiligungsabsicht, Befriedigung des Gläubigers, Anfechtung bei teilweiser -, Benachteiligungsabsicht, Anfechtung, Begriff, Bewirkung nachteiliger Rechtshandlungen, Anfechtung, Gläubiger Absichtsanfechtung durch den -, Kenntnis der Benachteiligung, Anfechtung bei-, Nachteilige Rechtshandlung, Anfechtung bei Absicht, Rechtsgeschäft, Absichtsanfechtung, Vereitelung der Befriedigung, Anfechtung bei -, Vorsatz der Benachteiligung, Anfechtung bei -, Wille des Anfechtungsgegners, Benachteiligung mit -, Wissen des Anfechtungsgegners von der BenachteiligungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1951:0030OB00433.51.0912.000Dokumentnummer
JJT_19510912_OGH0002_0030OB00433_5100000_000