TE OGH 1951/9/19 1Ob635/51

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Veröffentlicht am 19.09.1951
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Norm

ZPO §51 Abs2
ZPO §514 Abs3
ZPO §528

Kopf

SZ 24/228

Spruch

Der Rekurs des Richters nach § 514 Abs. 3 ZPO. gegen die Kostenentscheidung des Gerichtes zweiter Instanz ist nicht nach § 528 Abs. 1 ZPO. unzulässig.

Entscheidung vom 19. September 1951, 1 Ob 635/51.

I. Instanz: Bezirksgericht Döbling; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Der Kläger kundigte Josef P. dessen Wohnung, dem Johann S. dessen Magazin und dem Gerhard E. dessen provisorischen Wagenabstellraum, alle Bestandgegenstände im Hause Wien, XIX., K.gasse 19, mit einheitlichem Schriftsatz auf. Gegen die Kündigung erhoben Josef P. und Gerhard E. Einwendungen, nicht jedoch der Beklagte Johann S., so daß die Kündigung diesem gegenüber rechtswirksam wurde.

Das Erstgericht führte mit den restlichen Parteien die Streitverhandlung durch und fällte gegen alle Beklagten, also auch gegen Johann S., das Urteil vom 23. April 1951, ONr. 5, mit dem die Kündigung gegen alle drei Beklagten für rechtswirksam erklärt und diese zur ungeteilten Hand zum Kostenersatz an den Kläger verurteilt wurden.

Infolge Berufung des Beklagten Johann S. hob das Berufungsgericht das gegen ihn ergangene Urteil des Erstgerichtes als nichtig auf und erlegte dem Bezirksgericht Döbling gemäß § 51 Abs. 2 ZPO. den Ersatz der mit 148.83 S bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens an den Beklagten auf. Der Erstrichter habe durch ein offenbar grobes Verschulden den Beklagten Johann S., der gegen die Kündigung keine Einwendungen erhob, in das Urteil und die solidarische Kostenersatzpflicht aufgenommen. Ihm seien die Kosten des Berufungsverfahrens zur Bezahlung aufzutragen gewesen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Richters Folge und änderte den angefochtenen Beschluß dahin ab, daß die Kosten des Berufungsverfahrens gegenseitig aufgehoben wurden.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Was die Zulässigkeit des Rekurses betrifft, hat wohl SZ. XIV/23 unter Bezugnahme auf die zwingende und umfassende Vorschrift des § 528 Abs. 1 ZPO. den Standpunkt vertreten, daß auch im Falle der Kostentragung durch den Richter gegen die Kostenentscheidung des Berufungsgerichtes ein weiteres Rechtsmittel unzulässig sei. Die scheinbar dagegen sprechende Vorschrift des § 514 Abs. 3 ZPO. ergänze den § 51 Abs. 2 ZPO. nur insoferne, als sie das Rekursrecht des Richters, der nicht selbst Partei sei, ausdrücklich festlege. Diese Entscheidung hat in der Lehre Widerspruch ausgelöst. Petschek, ZBl. 1932, S. 463 ff., und Klang, JBl. 1933, S. 71, machen ihre Bedenken gegen die Richtigkeit der Entscheidung geltend und verweisen darauf, daß die Norm des § 514 Abs. 3 ZPO. den Rekurs des Richters gegen Kostenbeschlüsse nach § 51 Abs. 2 ZPO. ausdrücklich zu lasse und daß die letztgenannte Gesetzesstelle trotz der nicht geglückten Fassung auf das Rechtsmittelverfahren zugeschnitten sei. Wenn also eine Kostenentscheidung gegen einen Richter nur vom Rechtsmittelgericht gefällt werden könne und der Rekurs dagegen ausdrücklich zugelassen sei, müsse darin eine Ausnahme von der Bestimmung des § 528 Abs. 1 ZPO. gesehen werden. Mit Recht macht Klang, a. a. O., auch geltend, daß es kaum denkbar sei, daß der Erstrichter sich selbst den Kostenersatz auftrage. Keinesfalls käme dann in Frage, daß der Richter gegen seinen eigenen Beschluß Rekurs erhebe. Wenn der Rekurs im § 514 Abs. 3 ZPO. ausdrücklich zugelassen sei, könne er sich nur auf Beschlüsse des Rechtsmittelgerichtes beziehen.

Der Oberste Gerichtshof verschließt sich den Erwägungen Petscheks und Klangs nicht und vermag die Begründung der eingangs angeführten Entscheidung vom 15. Feber 1932 nicht aufrechtzuerhalten. Rekurse des Richters, dem der Kostenersatz nach § 51 Abs. 2 ZPO. auferlegt wurde, sind vielmehr stets als zulässig anzusehen.

In der Sache selbst nimmt das Berufungsgericht zu Unrecht an, daß dem Erstrichter ein offenbares, also unstreitiges, grobes Verschulden daran treffe, daß das Urteil gegen Johann S. als nichtig habe aufgehoben werden müssen. Es ist nicht von der Hand zu weisen, daß sich der Erstrichter bei seiner Entscheidung von rechtlichen Erwägungen, etwa von der Ansicht leiten ließ, alle drei Beklagten seien als einheitliche Streitgenossen anzusehen, gegen die das Urteil nur einheitlich ergehen könne. Wenn diese Meinung auch unrichtig ist, so könnte doch von einem groben Verschulden infolge Rechtsunkenntnis noch nicht gesprochen werden. Es könnte auch nur als leichte Fahrlässigkeit angesehen werden, wenn der Erstrichter die Unterlassung des Beklagten Johann S., Einwendungen gegen die Kündigung einzubringen, übersehen hätte. Die Voraussetzung dafür, dem Erstrichter die Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen, fehlt. Die Kosten waren vielmehr gemäß § 51 Abs. 3 ZPO. gegeneinander aufzuheben.

Anmerkung

Z24228

Schlagworte

Berufungsgericht Richterrekurs gegen Kostenentscheidung des - Erstrichter, Kostenrekurs durch den - Kostenpunkt Richterrekurs im - Kostenrekurs des Richters nach § 514 Abs. 3 ZPO Oberster Zulässigkeit des Richterrekurses im Kostenpunkt an den - Prozeßkosten Richterrekurs Rechtsmittel des Erstrichters gegen Kostenentscheidung des Berufungsgerichtes Rekurs des Erstrichters gegen Kostenentscheidung Rekursgericht Richterrekurs gegen Kostenentscheidung des - Richter, Kostenrekurs durch den - Richterrekurs im Kostenpunkt Zulässigkeit des Richterrekurses im Kostenpunkt an OGH.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1951:0010OB00635.51.0919.000

Dokumentnummer

JJT_19510919_OGH0002_0010OB00635_5100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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