Norm
ABGB §608Kopf
SZ 24/227
Spruch
Die fideikommissarische Substitution bei einem Legat erfordert in der Regel nicht eine Schätzung und Inventarisierung, wohl aber dann, wenn das Legat eine Gesamtsache (z. B. ein Geschäftsvermögen) zum Gegenstand hat.
Ein fideicommissum eius quod supererit erfordert die Aufnahme eines Inventars.
Entscheidung vom 19. September 1951, 1 Ob 512/51.
I. Instanz: Bezirksgericht Linz; II. Instanz: Landesgericht Linz.
Text
Der Erblasser setzte seine Gattin zur Alleinerbin mit der Verpflichtung ein, für den Lebensunterhalt sowie die Erziehung der Kinder seines im Kriege gefallenen Neffen zu sorgen. Er verfügte weiter, daß seine Gattin verpflichtet sei, das von ihm stammende Geschäftsvermögen den beiden Kindern zur Sicherstellung ihres weiteren Unterhaltes und ihrer Erziehung zu überlassen, wenn sie sich nochmals verehelichen sollte. Schließlich sprach er den Wunsch und die Erwartung aus, daß seine Gattin das von ihm stammende Geschäfts- und sonstige Vermögen, soweit es noch vorhanden sein wird, den beiden genannten Kindern hinterläßt.
Das Erstgericht hat unter Berufung auf die zweite der erwähnten drei Bestimmungen zugunsten der Minderjährigen gemäß § 92 Abs. 2 Z. 3 AußstrG. die Inventur und Schätzung des Nachlasses angeordnet und den Antrag der Alleinerbin, diesen Auftrag zu widerrufen, abgewiesen.
Das Rekursgericht hat die Beschlüsse des Erstgerichtes aufgehoben.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Kinder Folge, stellte in Abänderung des zweitinstanzlichen Beschlusses den Auftrag des Erstgerichtes zur Aufnahme eines Inventars hinsichtlich des in den Nachlaß fallenden Geschäftsvermögens wieder her, hob hinsichtlich des übrigen Nachlasses die Beschlüsse der beiden Untergerichte auf und trug dem Erstgerichte insoweit neuerliche Beschlußfassung auf.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Wenn die Ansicht des Rekursgerichtes richtig wäre, daß die Verpflichtung, den Minderjährigen Erziehung und Unterhalt zu gewähren, als ein Auftrag und somit gemäß § 709 ABGB. als auflösende Bedingung anzusehen ist, dann wäre allerdings zu bedenken, daß nach § 708 ABGB. im Falle einer auflösenden Bedingung zwischen demjenigen, der zunächst die Erbschaft erhält, und demjenigen, auf den sie im Falle des Eintritts der auflösenden Bedingung fällt, die nämlichen Rechte und Verbindlichkeiten bestehen, welche einem Erben oder Legatar gegen den fideikommissarischen Substituten zustehen. Die Bestimmung wäre also eine bedingte fideikommissarische Substitution zugunsten der gesetzlichen Erben. Doch ist die Bestimmung wohl als Legat im Sinne der §§ 672 und 673 ABGB. aufzufassen. Denn es ist anzunehmen, daß die Minderjährigen durch die Verfügung selbst den unmittelbaren Anspruch auf Unterhalt und Erziehung erlangen sollten. Die erste der genannten Bestimmungen bietet also entgegen den Ausführungen im Rekurs, wenigstens solange die Legatare nicht die Absonderung der Verlassenschaft beantragt haben, keine Grundlage für die Aufnahme eines Inventars.
Die vom Erstgericht allein herangezogene zweite Bestimmung des Testamentes stellt aber offenkundig eine fideikommissarische Substitution hinsichtlich eines bestimmten Vermögensteiles dar. Daß die Bestimmung trotz § 700 ABGB. wirksam ist, hat bereits das Erstgericht überzeugend dargelegt. Daß solche nur einen Teil des Nachlasses treffende Substitutionen zulässig sind, ergibt sich aus § 652 ABGB. Wenn der Erbe nach einer bestimmten Zeit oder unter bestimmten Bedingungen einen Vermögensbestandteil an einen anderen abzutreten hat, dann ist er hinsichtlich dieses Gegenstandes gewissermaßen als Vorlegatar, und derjenige, dem er die Sache allenfalls auszufolgen hat, als Nachlegatar anzusehen. Im allgemeinen rechtfertigt wohl die fideikommissarische Substitution hinsichtlich eines Legates nicht die Schätzung und die Aufnahme eines Inventars. Denn der Gegenstand ist meistens schon durch die letztwillige Verfügung genügend bezeichnet und bestimmt. Wenn aber, wie im vorliegenden Falle, eine Gesamtsache - das Geschäftsvermögen - Gegenstand der fideikommissarischen Substitution ist, so ist unter analoger Anwendung der für den gesamten Nachlaß geltenden Bestimmungen ein Inventar hinsichtlich des mit dem Substitutionsbande belasteten Vermögensteiles aufzunehmen. Die vom Erstgericht herangezogene Begründung rechtfertigt also wohl die Aufnahme eines Inventars, aber nur hinsichtlich des Geschäftsvermögens.
Im Revisionsrekurse wird auch geltend gemacht, daß die letzte der drei Bestimmungen trotz des gewählten Ausdruckes (Wunsch und Erwartung) die Anordnung eines fideicommissum eius quod supererit darstellt. Die erste Instanz hat zu dieser Frage noch nicht Stellung genommen. Sie wurde erst in den Rechtmittelschriften und in der Rekursentscheidung aufgeworfen. Eine Substitution hinsichtlich des noch vorhandenen Restes ist nicht anders zu behandeln als eine Substitution hinsichtlich des gesamten Nachlasses (JBl. 1947, S. 20). Auch sie erfordert die Aufnahme eines Inventars. Über die Frage, ob in der genannten dritten Bestimmung die Anordnung einer solchen Substitution zu ersehen ist, wurde in erster Instanz nicht verhandelt. Der Oberste Gerichtshof ist daher nicht in der Lage, zu dieser Frage abschließend Stellung zu nehmen. Es muß vielmehr den Beteiligten und dem Erstgerichte vorbehalten bleiben, diese Frage neuerlich aufzurollen.
Soweit die Inventarisierung des nicht im Geschäftsvermögen bestehenden Nachlasses in Frage steht, waren also die Entscheidungen der beiden Unterinstanzen aufzuheben.
Anmerkung
Z24227Schlagworte
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ECLI:AT:OGH0002:1951:0010OB00512.51.0919.000Dokumentnummer
JJT_19510919_OGH0002_0010OB00512_5100000_000