Norm
ABGB §1162Kopf
SZ 24/280
Spruch
Der künstlerische Leiter eines Theaters (Direktor, Intendant) fällt unter § 1 SchauspielerG.
Der Grundsatz, daß Entlassungsgrunde unverzüglich geltend zu machen sind, gilt dann nicht, wenn die Entlassungserklärung durch Umstände verzögert wird, die in der inneren Organisation des Unternehmens ihren Grund haben.
Die für die Entlassung maßgebenden Gründe müssen nicht schon in der Entlassungserklärung angeführt werden. Es genügt, wenn sie im Zeitpunkt der Entlassung objektiv vorhanden waren, mögen sie auch dem Dienstgeber noch nicht bekannt gewesen sein.
Die Bestimmung des § 1162b ABGB. und des § 40 Abs. 2 SchauspielerG. hindern den zu Unrecht entlassenen oder begrundet ausgetretenen Dienstnehmer nicht an der Geltendmachung weiterer Ansprüche nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts über den Schadenersatz.
Entscheidung vom 18. Oktober 1951, 4 Ob 106/51.
I. Instanz: Arbeitsgericht Innsbruck; II. Instanz: Landesgericht Innsbruck.
Text
Der Kläger wurde von den Beklagten mit 1. Jänner 1949 bis 31. Juli 1950 als Intendant eines Theaters bestellt. Die im schriftlichen Vertrag vorgesehene Vertragsdauer wurde auf Grund mündlicher Abmachungen der Parteien bis 31. August 1950 verlängert. Nach dem Inhalt des Vertrages wurde dem Kläger die gesamte künstlerische und administrative Leitung der Bühne übertragen.
Mit Schreiben vom 24. Mai 1949 hat der für die Beklagten handelnde Theaterausschuß das Vertragsverhältnis mit sofortiger Wirkung gelöst, "weil es sich erwiesen habe, daß der Kläger die zur Erfüllung seiner Vertragspflichten erforderlichen Fähigkeiten zur Zeit nicht besitze und weil er durch einzelne Handlungen das Vertrauen der Theaterkommission verletzt habe". Die Bezüge des Klägers wurden mit 31. Mai 1949 eingestellt.
Der Kläger, der die Entlassung als grundlos anficht, begehrt von den Beklagten einerseits das Entgelt für die restliche Vertragsdauer, d.
i. vom 1. Juni 1949 bis 31. August 1950, zuzüglich der nach dem 3. Lohn- und Preisabkommen hinzutretenden und der sonstigen den Mitgliedern des Theaters gewährten Sonderzahlungen, anderseits Ersatz für Verdienstentgang an Inszenierungshonoraren sowie Vergütung für Gastspielveranstaltungen und endlich die Abgeltung des Schadens, der ihm durch die Entlassung zufolge Vernichtung seines künstlerischen Rufes und Zerstörung seiner Existenz entstanden sei.
Die Beklagten vertreten die Auffassung, daß die Entlassung des Klägers gerechtfertigt war. Sie haben im Zuge des Prozesses die Entlassungsgrunde spezifiziert und auch noch im Berufungsverfahren neue Entlassungsgrunde vorgebracht.
Das Erstgericht hat das Klagebegehren wegen Vorliegens wichtiger Entlassungsgrunde abgewiesen.
Das Berufungsgericht vertrat zunächst die Auffassung, daß auf das gegenständliche Dienstverhältnis sowohl die Bestimmungen des Angestelltengesetzes wie auch die Vorschriften des Schauspielergesetzes zur Anwendung zu kommen haben, weil dem Kläger in seiner Eigenschaft als Intendant nicht nur die künstlerische Oberleitung des Theaters oblag, sondern er auch in verwaltungsmäßiger und kaufmännischer Hinsicht die volle Verantwortung zu tragen hatte.
Das Berufungsgericht nahm sodann zu den von den Beklagten als Entlassungsgrunde nach § 27 Z. 4 AngG. und § 38 Z. 7 Schauspielergesetz geltend gemachten Vorkommnissen im einzelnen und ausführlich Stellung, sah aber in ihnen, soweit sie überhaupt bewiesen wurden, keinen wichtigen Entlassungsgrund nach den bezeichneten Gesetzesstellen gegeben.
Es gab daher der Berufung des Klägers zum größten Teil Folge. Über Revision der beklagten Parteien ist der Oberste Gerichtshof der Rechtsmeinung des Berufungsgerichtes, daß dem Kläger ein Anspruch wegen ungerechtfertigter Entlassung zustehe, dem Gründe nach beigetreten, hat aber infolge abweichender Berechnung der Höhe dieses Anspruches der Revision zum Teil Folge gegeben.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Hinsichtlich der Frage, welche Gesetzesbestimmungen auf das Dienstverhältnis des Klägers zur Anwendung zu kommen haben, vermag das Revisionsgericht der Auffassung des Berufungsgerichtes allerdings nicht zu folgen.
Es ist richtig, daß dem Kläger nach Inhalt seines Dienstvertrages die gesamte Oberleitung des Theaters in künstlerischer Beziehung oblag und daß er daneben auch die volle Verantwortung in verwaltungsmäßiger und kaufmännischer Hinsicht zu tragen hatte. Das Berufungsgericht folgert aus der Tatsache, daß dem Intendanten das künstlerische und das gesamte Verwaltungspersonal unterstellt ist, daß er nicht in den durch § 1 des Schauspielergesetzes erfaßten Personenkreis einzubeziehen sei, weil er nicht als "Mitglied" im Sinne dieser Gesetzesstelle anzusehen sei, daß er aber nicht schlechthin zu der Angestelltengruppe im Betrieb eines Theaterunternehmens zu rechnen sei, die durch § 51 Schauspielergesetz ergriffen werde. Das Berufungsgericht vertritt die Ansicht, daß auf die dienstrechtlichen Beziehungen eines Intendanten, denen zufolge er den Mitgliedern des Theaters übergeordnet sei, und im Hinblick auf seine Stellung und Aufgaben, die sich auf beide Gebiete - nämlich das künstlerische und verwaltungsmäßige - erstrecken, zwar die Bestimmungen des Angestelltengesetzes Anwendung zu finden haben, daß aber gleichzeitig mit Rücksicht auf seine führende Tätigkeit auf künstlerischem Gebiet, die der der "Mitglieder" (Spielleiter) verwandt sei, die Vorschriften des Schauspielergesetzes, die der Eigenart dieses Berufes besonders Rechnung tragen, mit heranzuziehen und sinngemäß anzuwenden seien.
Diese Ansicht ist rechtsirrig. Dem künstlerischen Leiter eines Theaters obliegt die künstlerische Vorbereitung aller Aufführungen in weitem und weitestem Sinne. Er bereitet den Spielplan vor, trifft die Auswahl unter den aufzuführenden Bühnenwerken, entscheidet über die Rollen- und Partienbesetzung und nimmt bestimmenden Einfluß auf Inszenierung und Gestaltung des einzelnen Bühnenwerkes. Der künstlerische Leiter eines Theaters ist demnach ein zur Leistung künstlerischer Dienste bei der Aufführung von Bühnenwerken verpflichtetes Mitglied im Sinne des § 1 des Schauspielergesetzes. Bestellt der Theaterunternehmer einen künstlerischen Leiter (Direktor, Intendanten), liegt ein Bühnendienstvertrag im Sinne des § 1 Schauspielergesetzes vor (vgl. Mayer - Mallenau und Prey, Das Schauspielergesetz, S. 6, Anm. 5 zu § 1). Auf den Bühnendienstvertrag finden aber in erster Linie die Bestimmungen des Schauspielergesetzes Anwendung. Subsidiäre Rechtsquellen sind das Bühnengewohnheitsrecht und die Normen des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches. Die Anwendbarkeit der Bestimmungen des Angestelltengesetzes ist zufolge § 50 Schauspielgesetzes ausgeschlossen.
Die Berechtigung der vom Kläger geltend gemachten Ansprüche ist daher nicht nach den Bestimmungen des Angestelltengesetzes, sondern nach jenen des Schauspielergesetzes zu beurteilen.
Es ist vom Kläger mehrfach darauf hingewiesen worden, daß seine Entlassung schon deshalb nicht wirksam werden konnte, weil sie verspätet war. Die zur Begründung der Entlassung herangezogenen Tatsachen seien dem Beklagten bzw. deren Organen zum größten Teil bereits am 26. April 1949 bekannt gewesen, die Entlassung sei aber erst am 24. Mai 1949 ausgesprochen worden, das Entlassungsschreiben selbst dem Kläger erst am 27. Mai 1949 zugegangen.
Das Berufungsgericht hat nun wohl anerkannt, daß nach Lehre und Rechtsprechung (Klang, 1. Aufl., zu § 1162, S. 312, Entscheidung vom 18. Dezember 1950, 4 Ob 88/50, EvBl. 1951, Nr. 56) die vorzeitige Lösung eines Dienstverhältnisses aus einem wichtigen Grund ohne Verzug vorzunehmen ist. Gleichwohl hat es die Ansicht des Klägers für nicht begrundet gefunden. Es dürfe vorliegendenfalls nicht übersehen werden, daß hier der Dienstnehmer nicht eine Einzelperson, sondern zwei Körperschaften seien, so daß der Entlassungsausspruch, richtiger gesagt, die diesem zugrunde liegende Willensbildung nur im Wege einer Beschlußfassung erfolgen konnte. Dazu komme, daß der Theaterausschuß, dem zwar die Entscheidung über die Entlassung zustand, einen derartig weittragenden Schritt kaum von sich allein aus, sondern nur im Einvernehmen mit den zuständigen Organen des Landes und der Stadt vorgenommen haben dürfte. Aus diesen Erwägungen vertrat das Berufungsgericht gleich dem Erstgericht die Meinung, daß im Hinblick auf die hier vorliegenden besonderen Verhältnisse die Entlassung des Klägers nicht als verspätet angesehen werden könne.
Es ist der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes grundsätzlich zuzustimmen, daß die Entlassungsgrunde vom Dienstgeber unverzüglich geltend gemacht werden müssen, daß aber das Entlassungsrecht dann nicht berührt wird, wenn die Entlassungserklärung durch Umstände verzögert wird, die in der inneren Organisation des Unternehmens ihren Grund haben. Vorliegendenfalls war die dem Entlassungsausspruch zugrunde liegende Willensbildung spätestens am 13. Mai 1949 abgeschlossen, da, wie sich aus dem Entlassungsschreiben ergibt, an diesem Tage zu dem schon vorliegenden Beschluß der Landesregierung das Einverständnis der Stadtgemeinde erklärt wurde. Da das Entlassungsschreiben erst am 24. Mai 1949 ausgefertigt wurde, ergibt sich daher die Frage, ob das Entlassungsrecht nicht etwa aus diesem Gründe verwirkt wurde. Diese Frage ist aber nach Ansicht des Revisionsgerichtes zu verneinen.
Der von der Wissenschaft und Rechtsprechung (ArbSlg. 4939, 4910, 4876) anerkannte Grundsatz, daß der Dienstgeber, wenn er das Dienstverhältnis aus einem wichtigen Grund lösen will, dies sofort tun muß, beruht auf dem Rechtsgedanken, daß mit der Ausübung der Befugnis, einen Angestellten fristlos zu entlassen, nicht wider Treu und Glauben so lange gewartet werden darf, daß daraus der Angestellte auf einen Verzicht der Geltendmachung des Entlassungsgrundes schließen muß.
Vorliegendenfalls war der Kläger nicht im unklaren gelassen worden, daß man mit seiner Geschäftsführung nicht mehr zufrieden ist. Dies ergibt sich mit aller Deutlichkeit aus den Sitzungsprotokollen des Theaterausschusses, wonach vom Regiekollegium sogar die Entlassung des Klägers gefordert wurde, weil er weder künstlerisch noch charakterlich tragbar sei und das Theater ruiniere. Wenn daher der Kläger am 26. April 1949 beurlaubt und von ihm die Übergabe der laufenden Intendanzgeschäfte verlangt wurde und wenn ihm bald darauf sogar das Betreten des Landestheaters untersagt wurde, so mußte er sich darüber im klaren sein, daß es sich bei seiner Beurlaubung, die einer Suspendierung vom Dienste gleichkam, um eine vorläufige Maßnahme handelte und daß er mit einer endgültigen Entscheidung über den Weiterbestand seines Dienstverhältnisses zu rechnen habe. Wenngleich die Entlassung des Klägers erst mehrere Wochen später beschlossen wurde, nachdem die Beklagten von den meisten Entlassungstatbeständen Kenntnis hatten, und auch die Ausfertigung des Entlassungsschreibens an den Kläger um 11 Tage verzögert wurde, sind hiedurch Belange des Klägers in einer gegen Treu und Glauben verstoßenden Weise nicht beeinträchtigt worden. Bei dieser Sachlage können daher die geltend gemachten Auflösungsgrunde nicht als verwirkt angesehen werden.
Zwischen den Parteien ist noch eine andere Rechtsfrage strittig, deren Erörterung vorweggenommen wird. Die Beklagten haben in dem Entlassungsschreiben an den Kläger die Entlassungsgrunde nicht vollständig angeführt. Erst im Laufe des Prozesses haben sie eine Spezifizierung vorgenommen. Unter den geltend gemachten Entlassungsgrunden befinden sich möglicherweise auch solche, die den Beklagten im Zeitpunkt, als die Entlassung ausgesprochen wurde, noch gar nicht zur Kenntnis gelangt waren.
Dazu ist zu sagen, daß es nach der Lehre (Adler bei Klang, 1. Aufl. zu § 1162, S. 311, Grünberg, Angestelltengesetz, S. 161 ff., Lenhoff, Das Angestelltengesetz, S. 88) und nach herrschender Rechtsprechung (4 Ob 43/50, SZ. I/77, ArbSlg. 4144) nicht erforderlich ist, die für die Entlassung maßgebenden Gründe schon in der Entlassungserklärung namentlich anzuführen. Es genügt, daß sie im Zeitpunkt der Auflösungserklärung schon objektiv vorhanden gewesen sind. Sie werden ihrer Wirksamkeit nicht dadurch beraubt, daß sie der Dienstgeber zur Zeit, als er die Entlassung aussprach, noch nicht gekannt hat.
Die dritte Teilnovelle zum Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch hat durch die neuen eingefügten §§ 1162a - 1162d eine Reihe sozialpolitisch bedeutsamer Grundsätze aufgestellt, die die Rechtsfolgen der vorzeitigen Auflösung des Dienstverhältnisses in moderner Weise regeln. Diese Grundsätze sind zum größten Teil dann auch in die späteren Dienstvertragskodifikationen, nämlich in das Angestelltengesetz (§§ 28 und 29), in das Gutsangestelltengesetz (§§ 28 und 29), in das Schauspielergesetz (§ 40) und in das Hausgehilfengesetz (§§ 20 - 24) übergegangen.
Im vorliegenden Falle haben, wie bereits oben dargelegt wurde, in erster Linie die Bestimmungen des Schauspielergesetzes zur Anwendung zu kommen. Gemäß § 40 Abs. 2 Schauspielergesetz behält das Mitglied, wenn es der Unternehmer ohne wichtigen Grund vorzeitig entläßt oder wenn ihm ein Verschulden an dem vorzeitigen Austritt des Mitglieds trifft, unbeschadet weitergehenden Schadenersatzes seine vertragsmäßigen Ansprüche auf das Entgelt für den Zeitraum, der bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses durch Ablauf der bestimmten Vertragszeit oder durch ordnungsmäßige Kündigung hätte verstreichen müssen, unter Einrechnung dessen, was es infolge Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt hat. Bei der Auslegung dieser dem Inhalt des § 1162b ABGB. angeglichenen Bestimmung ist, wie dies ausführlich in den Materialien zur dritten Teilnovelle dargelegt wurde, auseinanderzuhalten die grundlose Entlassung des Dienstnehmers und der vom Dienstgeber verschuldete Austritt des Dienstnehmers.
Die Entlassung des Dienstnehmers hat, soweit es auf die Ansprüche des Dienstnehmers ankommt, die Lösung des Dienstvertrages nicht zur Folge (siehe auch Adler bei Klang, 1. Aufl. zu § 1162b, S. 323). Ist der Vertrag auf bestimmte Zeit geschlossen, so besteht er daher gleichwohl fort bis zum Ablauf dieser Zeit. Der Dienstnehmer, der das vertragsmäßig gebührende Entgelt für diesen Zeitraum begehrt, stellt sich auf den Standpunkt, daß sein Vertrag noch aufrecht bestehe, er begehrt das Entgelt nicht unter dem Titel des Schadenersatzes, sondern als Vertragserfüllung. Die Verfolgung des Entgeltanspruches befreit ihn gänzlich vom Schadensnachweis. Kann der Dienstnehmer trotz Unterbleibens der Dienstleistung das Entgelt vom Dienstgeber begehren, dann muß er in diesem Fall auch gegen sich die Vertragstreue gelten, das heißt, sich anrechnen lassen, was er infolge Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich unterlassen hat.
Anders liegt der Fall, wenn der Dienstgeber zwar nicht die Entlassung ausspricht, aber durch sein schuldhaftes Verhalten dem Dienstnehmer einen wichtigen Grund zur vorzeitigen Austrittserklärung gibt. Hier macht der Dienstnehmer von seinem ihm durch das Gesetz (§ 1162 ABGB., § 26 AngG., § 29 SchauspielerG.) gewährten Rücktrittsrecht Gebrauch. In diesem Falle wird das Vertragsverhältnis gelöst und der Dienstnehmer erhebt seine Ansprüche gegen den Dienstgeber wegen des von ihm verschuldeten Rücktritts nur aus dem Titel des Schadenersatzes, auch wenn er das Entgelt für die Zeit, die bis zur ordnungsmäßigen Lösung des Dienstverhältnisses hätte verstreichen müssen, fordert. Er muß sich daher im gegebenen Falle den Gegenbeweis gefallen lassen, daß sein Schaden in Wirklichkeit nicht so groß ist, etwa weil er infolge Unterbleiben der Dienstleistung sich etwas erspart oder anderweitig erworben hat.
Die dem Inhalt des § 40 Abs. 2 SchauspielerG. angeglichene Bestimmung des § 1162b ABGB. entstammt dem Handlungsgehilfengesetz vom 16. Jänner 1910, RGBl. Nr. 20 (HGG.). Schon im § 29 des HGG. wurden dem Dienstnehmer, der vom Dienstgeber ohne wichtigen Grund entlassen wurde oder dessen vorzeitiger Austritt vom Dienstgeber verschuldet wurde, neben dem Entgeltsanspruch allfällige weitere Schadenersatzansprüche eingeräumt. Die entsprechende Ergänzung des § 29 wurde durch die Kommission des Herrenhauses vorgenommen (Nr. 334 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des - Abgeordnetenhauses, XX. Session, 1909). Die Begründung der Kommission betont, daß "die Rechtsstellung der Dienstnehmer dadurch materiell verbessert wurde, daß ihnen in jedem Falle einer durch den Dienstgeber herbeigeführten rechtswidrigen Lösung des Dienstverhältnisses das Recht eingeräumt werde, vollen Schadenersatz zu verlangen". Mit Bezug auf die Bestimmung des § 29 Abs. 2 HGG. erklärt Pisko (Das Handlungsgehilfengesetz, S. 510 und 511), daß "unter allfälligen weiteren Schadenersatzansprüchen" nicht nur Ansprüche auf Ersatz des dem Dienstnehmer durch die den Auflösungsgrund bildende Handlung, z. B. die vom Dienstgeber verübte Mißhandlung, zugefügten Schadens zu verstehen sei, sondern Ansprüche auf Ersatz des Schadens, der durch die vorzeitige Auflösung des Dienstverhältnisses entstanden ist.
Diese der Bestimmung des § 29 Abs. 2 HGG. zugrunde liegende Gedanken wurden vom Gesetzgeber der dritten Teilnovelle übernommen. Sie haben auch Eingang in die späteren Sonderrechtsnormen gefunden. Den Materialien zur dritten Teilnovelle (S. 355), denen § 1162a ABGB. seine jetzige Fassung verdankt, ist zu entnehmen, daß die Stellung des Dienstnehmers gegenüber der Regierungsvorlage, die als Rechtsfolge vorzeitigen Austrittes oder vorzeitiger Entlassung nur den Schadenersatzanspruch kannte, insofern verbessert wurde, als es ihm im letzteren Falle die Geltendmachung seiner Entgeltsansprüche nicht unter dem Titel des Schadenersatzes, sondern als Vertragserfüllung einräumte und ihn dadurch gänzlich von dem Schadensnachweis befreite. Weitergehende Schadenersatzansprüche wurden dem Dienstnehmer vorbehalten, "falls er wirklich noch weiteren Schaden als nur den Verlust des Arbeitsverdienstes beweisen kann". In dieser Beziehung wurden somit Dienstgeber und Dienstnehmer einander vollkommen gleichgestellt. So wie der Schadenersatzanspruch des Dienstgebers im Falle des Vertragsbruchs des Dienstnehmers gesetzlich nicht begrenzt ist, so kann ihn auch der Dienstnehmer in jedem erweislichen Ausmaß verfolgen (vgl. Mayer - Grünberg, Kom. zum HGG., S. 348 f.).
Auf Grund dieses historischen Rückblickes erscheint eindeutig klargestellt: Die dem Inhalt des § 1162a ABGB. angeglichene Bestimmung des § 40 Abs. 2 SchauspielerG. regelt die Ansprüche des Dienstnehmers bei unberechtigter vorzeitiger Entlassung oder bei vorzeitigem Austritt infolge Verschuldens des Dienstgebers. Sie stellt den von ihr unmittelbar geregelten Ansprüchen den "weitergehenden Schadenersatz" gegenüber, behält diesen vor und schränkt ihn in keiner Weise ein, so daß die allgemeinen Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes über den Schadenersatz zur Anwendung kommen müssen (siehe Grünberg, Das österreichische Angestelltenrecht, S. 169, Lederer, Grundriß des österreichischen Sozialrechtes, S. 192, SZ. IX/82, JB. Nr. 28 neu).
Insoweit das angefochtene Urteil vermeint, den Schadenersatzanspruch des Klägers grundsätzlich schon aus der Bestimmung des § 21 Abs. 2 SchauspielerG. bejahen zu können, kann ihm nicht gefolgt werden. Bei der im § 21 SchauspielerG. normierten Verpflichtung des Theaterunternehmens, das Mitglied angemessen zu beschäftigen, handelt es sich um ein der Eigentümlichkeit des Bühnendienstvertrages entsprechendes Sonderrecht des Dienstnehmers. Wird dieses Recht vom Unternehmer schuldhaft verletzt, dann kann das Mitglied den Vertrag vorzeitig auflösen und eine angemessene Vergütung begehren, die der Richter nach billigem Ermessen feststellt. In diesem Falle kommt nicht § 40 SchauspielerG., sondern § 21 Abs. 2 zur Anwendung. Um eine vorzeitige Vertragsauflösung wegen Verletzung des Rechtes auf Beschäftigung handelt es sich hier aber nicht. Der Kläger macht seine Entgeltsansprüche wegen des Vertragsbruches des Dienstgebers, also nach § 40 Schauspielergesetz, und darüber hinaus Schadenersatzansprüche geltend, deren Grundlage sich, wie erwähnt, nach den Vorschriften des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (§§ 1293 - 1341) bestimmt.
Anmerkung
Z24280Schlagworte
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ECLI:AT:OGH0002:1951:0040OB00106.51.1018.000Dokumentnummer
JJT_19511018_OGH0002_0040OB00106_5100000_000