Norm
Arbeitsgerichtsgesetz §1 Abs1Kopf
SZ 24/290
Spruch
Die Zuständigkeitsvorschrift des § 5m PatentG. 1950 geht der Bestimmung des § 1 Abs. 1 Z. 1 ArbGerG. über die Zuständigkeit bei Streitigkeiten aus Diensterfindungen vor.
Entscheidung vom 31. Oktober 1951, 1 Ob 756/51.
I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.
Text
Der Kläger behauptet, er habe die in Frage kommende Erfindung schon im Jahre 1931, als er noch zur beklagten Partei in keinerlei Beziehung gestanden sei, gemacht, während die beklagte Partei behauptet, daß der Kläger im Jahre 1933, als er vorübergehend in Diensten der beklagten Partei als Arbeiter gestanden sei, die Erfindung gemacht habe. Dazu gab ein Zeuge an, daß erst im Jahre 1934, als der Kläger wieder in Diensten der Beklagten stand, das Anfangstadium der Erfindung begann.
Das Klagebegehren ist zunächst auf die Feststellung gerichtet, daß sowohl die "Überlassung" der in der Klage näher bezeichneten Erfindung des Klägers an die Beklagte als auch der "Erwerb" dieser Erfindung durch die Beklagte "nicht zustandegekommen, in eventu nichtig ist"; ferner auf Leistung, daß die Beklagte schuldig sei "auf das Patent Nr. 143515 zu verzichten und es im Sinne des § 26 Abs. 1 Z. 3 oder 2 PatG. zum Erlöschen zu bringen und zu diesem Zweck alle erforderlichen Erklärungen in der hiezu vorgeschriebenen Form und Handlungen beim Patentamt abzugeben und zu unternehmen".
Über dieses Begehren hat das Erstgericht - ohne daß prozeßrechtliche Einwendungen erhoben worden waren - meritorisch entschieden und die Klage kostenpflichtig abgewiesen.
Zufolge Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht von Amts wegen die Frage der Zuständigkeit (in Verbindung mit einer allfälligen Verfahrensnichtigkeit nach § 477 Abs. 1 Z. 6 ZPO.) aufgeworfen und der Berufung Folge gegeben, das Urteil aufgehoben und die Sache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Prozeßgericht erster Instanz zurückverwiesen. Es hat seinen Aufhebungsbeschluß mit einem Rechtskraftvorbehalt versehen.
Die Begründung der Urteilsaufhebung geht dahin, daß § 51 Abs. 2 Z. 9 JN. - in der Fassung des Gesetzes vom 3. Oktober 1945 über Maßnahmen zur Wiederherstellung der bürgerlichen Rechtspflege, StGBl. Nr. 188 - Streitigkeiten aus Rechtsverhältnissen, die sich auf den Schutz und Gebrauch von Erfindungen beziehen, ohne Rücksicht auf den Wert dem Handelsgerichte zuweist, "insoweit hiefür nicht andere gesetzliche Vorschriften bestehen"; das Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGerG. -, BGBl. Nr. 170/46, nimmt in § 1 Abs. 1 Z. 1 Streitigkeiten, deren Gegenstand die Erfindung eines Beschäftigten bildet, von der Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes aus. Hingegen verweist der § 5m Patentgesetz 1950, in der Fassung der Wiederverlautbarung BGBl. Nr. 128/51 "Streitigkeiten, die zwischen den Dienstgebern und Dienstnehmern und zwischen Dienstnehmern aus den Bestimmungen der §§ 5 bis 5l des zitierten Gesetzes entstehen, wenn das Dienstverhältnis auf einem privatrechtlichen Vertrag beruht, in den Ländern, in denen Arbeitsgerichte bestehen, vor das Arbeitsgericht".
Das Berufungsgericht hat den Widerspruch zwischen § 5m PatG. 1950 und § 1 Abs. 1 Z. 1 ArbGerG. im Sinne der Rechtsansicht Kapfers in seiner Ausgabe "Das Arbeitsgerichtsgesetz", Wien 1948, Manz, zu § 1 Anm. 24 dahin gelöst, daß § 5m PatG. 1950 als die jüngere Norm die ältere Norm des § 1 Abs. 1 Z. 1 ArbGerG. abgeändert hat, so daß für die in § 5m PatG. 1950 bezeichneten Streitigkeiten aus Erfindungen von Dienstnehmern wieder die Arbeitsgerichte und, nur soweit solche nicht bestehen, die sachlich zuständigen ordentlichen Gerichte in der Landeshauptstadt des betreffenden Landes (für das Burgenland in Wien) berufen sind. Dieselbe Ansicht wird auch im Schrifttum, und zwar von Kassler, "Über die Zuständigkeit der Zivilgerichte im Erfindungsschutz", ÖJZ. 1948, S. 278, vertreten; die Ansicht Kapfers wird von Stagel - Michlmayr, ZPO., 10. Aufl., Manz, in Anm. 17 zu § 51 JN., geteilt. Kapfer hält seine Ansicht auch in der von ihm erfolgten Bearbeitung des ArbGerG. im Österreichischen Recht (V e/21, Anm. 4 zu § 1) mit dem Beifügen aufrecht, "daß die Ausnahme, das heißt die Zuständigkeit des Handelsgerichtes, praktisch nur für Streitigkeiten über Erfindungen solcher Beschäftigter bleiben werde, die keine Dienstnehmer im Sinne des § 5a Abs. 2 PatG. sind, also z. B. arbeitnehmerähnliche Personen im Sinne des § 2 Abs. 1 Schlußsatz ArbGerG.". Die Ausführungen Kapfer's ergänzt schließlich - gleichfalls im Österreichischen Recht (VIII c/1) - Thaler in der Anm. 1 zu § 5m PatG. 1950 durch Verweisung darauf, daß bei Inkrafttreten des ArbGerG. (BGBl. Nr. 170/46) die Durchführungsverordnung zur Verordnung über die Behandlung von Erfindungen von Gefolgschaftsmitgliedern vom 20. März 1943, DRGBl. I, S. 257, noch in Geltung war. Nach dieser Durchführungsverordnung galt das für Patentstreitsachen zuständige Gericht - also das Handelsgericht Wien - für zuständig. Diese Durchführungsverordnung wurde aber am 19. Juli 1947, also nach dem Inkrafttreten des Arbeitsgerichtsgesetzes durch § 2 Abs. 1 Z. 10 des Patent-ÜG., BGBl. Nr. 123/47 aufgehoben. Gleichzeitig wurde das österreichische Patentgesetz wieder in Kraft gesetzt, das nunmehr die lex posterior gegenüber dem Arbeitsgerichtsgesetz darstellt. Da aber an Stelle der Gewerbegerichte die Arbeitsgerichte getreten sind, ergibt sich trotz des § 1 Abs. 1 Z. 1 die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte. Anläßlich der Wiederverlautbarung (des Patentrechtes) ist diese Tatsache bereits berücksichtigt und das ursprünglich im Text enthaltene Wort "Gewerbegerichte" durch "Arbeitsgerichte" ersetzt worden.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurse des Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Bei dieser Rechtslage war die Aufhebung des Urteiles erster Instanz geboten, dies um so mehr, als im neuen Verfahren das Erstgericht erst die für die Lösung der Zuständigkeitsfrage notwendigen Tatsachen festzustellen haben wird. Das Erstgericht hat zwar als erwiesen angenommen, daß der Kläger "mit der Arbeit an der Erfindung erst als Arbeiter bei der Beklagten begonnen hat", doch steht diese Feststellung, wie das Berufungsgericht richtig hervorhob, nicht nur mit den Prozeßangaben des Klägers im Widerspruch, sondern sie wird auch in der Berufung mit Nachdruck bekämpft und in der Berufungsmitteilung zu Unrecht als bedeutungslos hingestellt. Die Ergänzungen des für die Zuständigkeit notwendigen Sachverhaltes ist aber deshalb von Bedeutung, weil § 5m PatG. 1950 ausdrücklich auf § 5b dieses Gesetzes verweist; diese Gesetzesstelle bezeichnet aber nur diejenige Erfindung als "Diensterfindung", die nach Eintritt des Dienstnehmers beim Dienstgeber gemacht wurde (arg. "künftige" Erfindungen).
Der angefochtene Beschluß war daher zu bestätigen. Ergibt sich auf Grund des Beweisverfahrens die Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes, so ändert daran der Umstand nichts, daß der Kläger seit 1947 nicht mehr bei der beklagten Firma beschäftigt ist.
Anmerkung
Z24290Schlagworte
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ECLI:AT:OGH0002:1951:0010OB00756.51.1031.000Dokumentnummer
JJT_19511031_OGH0002_0010OB00756_5100000_000