TE OGH 1951/11/21 2Ob393/51

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Veröffentlicht am 21.11.1951
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Norm

ABGB §986
ABGB §988

Kopf

SZ 24/316

Spruch

Eine Wertsicherungsklausel, die durch eine Bindung an die Kurse einer ausländischen Börse ausgedrückt ist, ist für jene Zeit, während der an der betreffenden Börse für die inländische Währung kein offizieller Kurs besteht, sondern diese Geldzeichen nur privat gehandelt werden, unanwendbar (zu zahlen in Reichsmark auf der Basis offizieller Züricher Devise - in der NS-Zeit).

Entscheidung vom 21. November 1951, 2 Ob 393/51.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Die Rechtsvorgängerin der Klägerin verkaufte dem Beklagten am 12. März 1935 das Gut F. und mehrere landwirtschaftliche Liegenschaften um 385.680 S. Beim Abschluß des Kaufvertrages wurde ein Teilbetrag von 265.680 S bezahlt, während der Restkaufpreis von 120.000 S in zehn Jahresraten abzustatten war. Im Punkt III des Vertrages ist festgesetzt, daß die Jahresraten von je 12.000 S mit jenem Betrage in österreichischen Zahlungsmitteln zu entrichten sind, der einem Betrag von 6870.80 sfr. entspricht. Bei Ermittlung des Ausmaßes einer Jahresrate sollten Zwangskurse außer Betracht bleiben. Für den Fall eines Zahlungsverzuges wurde der Verkäuferin das Recht eingeräumt, die geschuldete Leistung nach dem Kurse des Tages der effektiven Zahlung zu berechnen. Der Beklagte entrichtete die auf die Jahre 1939 bis 1945 entallenden Raten jeweils nur mit dem Betrage von 3981.45 RM und niemals am Fälligkeitstage.

Die Klägerin machte zunächst geltend, daß der Betrag von 3981.45 RM einem Zwangskurse entspreche, und begehrte die Unterschiedsbeträge auf die vereinbarten Jahresraten von je 8000 RM (12.000 S). Im Laufe des Verfahrens dehnte sie ihre Forderung unter Zugrundelegung der gegenwärtigen Kurse des Schweizer Franken auf den Betrag von 84.000 S aus.

Das Prozeßgericht gab dem Klagebegehren in seinem ursprünglichen Ausmaß Folge.

Das Berufungsgericht bestätigte das von beiden Parteien bekämpfte erstgerichtliche Urteil.

Der Oberste Gerichtshof gab den Revisionen der Parteien nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Eine Fremdwährungsschuld liegt dann vor, wenn die Bezahlung der Schuld in fremder Währung vereinbart ist. Steht dem Schuldner eine Ersetzungsbefugnis zu, so werden diese Schulden als nicht effektiv bezeichnet. Grundverschieden von Fremdwährungsschulden sind jedoch die Vereinbarungen auf der Geldwertbasis einer fremden Währung, die aber in inländischer Währung zu erfüllen sind, wie sie schon vor dem zweiten Weltkrieg üblich waren. Um eine solche Schuld handelt es sich im gegenständlichen Falle. Im Kaufvertrag ist eindeutig und wiederholt erwähnt, daß die Raten in österreichischen gesetzlichen Zahlungsmitteln zu entrichten sind. Auch der Machthaber des Beklagten bezeichnete - im Gegensatz zu seinem im Rechtsstreit vertretenen Standpunkt - in seinem Schreiben vom 25. Oktober 1939 die im Punkt III getroffene Vereinbarung als Wertsicherungsklausel. Eine andere Absicht der Parteien wäre auch deshalb unwahrscheinlich, weil beide Vertragsteile zur Zeit des Kaufabschlusses Inländer waren. Nach den Erfahrungen der verschiedenen Inflationen ergab sich das Bedürfnis den Geldwert der geschuldeten Leistung durch Bezugnahme auf einen wertbeständigen Maßstab zu sichern. Als solcher galt im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses vornehmlich die Schweizer Währung und die Währung der Vereinigten Staaten von Nordamerika. Die Parteien haben durch die Festlegung auf den Schweizer Franken zum Ausdruck gebracht, daß sie diese Währung in einem höheren Maße als die inländische als wertbeständig betrachteten. Daran ändert auch nichts der Umstand, daß sich im Falle eines Kursrückganges der Schweizer Währung der geschuldete Schillingbetrag vermindert hätte. Die Auslegung des Vertrages hat daher davon auszugehen, daß der in Rede stehende Absatz des Vertrages eine Wertsicherungsklausel darstellt.

Im Sinne des Vertrages war die geschuldete Leistung nach dem Durchschnittsmittelkurs im Privatclearing für die Devise Zürich am letzten Börsentag vor der Fälligkeit zu berechnen. Dieser Kurs konnte in den. Jahren 1939 - 1945 nicht ermittelt Werden. Nach § 12 Abs. 1 des damals geltenden Devisengesetzes vom 12. Dezember 1938, DRGBl. I S. 1733, durften ausländische Zahlungsmittel und Forderungen in ausländischer Währung, für die eine amtliche Notierung an der Berliner Börse erfolgte, gegen inländische Zahlungsmittel zu keinem höheren als dem letztbekannten, amtlich an der Berliner Börse notierten Briefkurse erworben oder veräußert werden. Von einem uneingeschränkten freien Börsenverkehr, wie ihn der Vertrag vorsieht, konnte keine Rede sein.

Im Vertrag ist vorgesehen, daß in diesem Falle die auf einem anderen europäischen Bankplatz geltenden Kurse für die Berechnung heranzuziehen seien. Aber auch auf anderen europäischen Bankplätzen notierten die Devisenkurse Berlin nur in Übereinstimmung mit den deutschen amtlichen Kursen. Der Preis von Marktnoten, die im Ausland privat gehandelt wurden, kam für eine Kursbildung nicht in Betracht. Da sich der gesamte Warenverkehr des Deutschen Reiches nur im Rahmen der Zwangswirtschaft abspielte, konnten diese Noten nicht in ihr Ursprungsland gebracht werden. Sie galten daher als "non valeur" und reine Spekulationswerte. Die Preisbildung für diese Noten war von zufälligen Umständen abhängig. Da die Absicht der Parteien dahin ging, eine zuverlässige Währungsgrundlage zu schaffen, kann der Preis für solche Noten nicht als Kurs im Sinne des Vertrages angesehen werden. Es ergibt sich auch kein Anhaltspunkt, daß die Parteien der Berechnung der restlichen Kaufschuld den Handel mit Marknoten zugrunde legen wollten, die unter der Umgehung der Devisenbestimmungen in das Ausland geschmuggelt wurden. Es kommt daher darauf, ob eine Bezugnahme auf den Wert derartiger Banknoten im Zeitpunkte der Fälligkeit der Leistungen strafbar gewesen wäre, gar nicht an.

Die Frage, ob die im Inland festgesetzten Kurse als Zwangskurse zu bezeichnen sind, ist zunächst nach dem Inhalt des Vertrages zu beurteilen. Daß solche amtlich festgesetzte Kurse für die Berechnung der geschuldeten Leistung nicht heranzuziehen sind, ergibt sich schon daraus, daß im Vertrag Kurse, die nicht auf Grund eines "uneingeschränkten Börsenverkehrs" zustande kommen, abgelehnt werden. In den amtlich notierten Kursen konnte die fortschreitende Kaufkraftverminderung des Geldes nicht zum Ausdruck kommen. Sie waren daher auch zur Berechnung des Wertes der geschuldeten Leistung nicht geeignet. Es bestehen auch keine Bedenken, den während des Krieges in Deutschland allgemein und ausschließlich festgesetzten Kurs als Zwangskurs zu bezeichnen. Wenn auch im § 12 der damals geltenden Devisenvorschrift kein Zwang zu einem einheitlichen Kurs angeordnet ist, so schreibt diese Gesetzesstelle doch Höchstkurse vor, die im Devisenhandel nicht überschritten werden durften und deren Einhaltung durch die Nichtigkeitsdrohung des § 64 des erwähnten Devisengesetzes und strenge Strafdrohung erzwungen wurde.

Die Wertsicherungsklausel ist auf die in den Jahren 1939 - 1945 fällig gewordenen Leistungen unanwendbar. Es ergibt sich die Frage, ob der Vertrag in seinen übrigen Teilen aufrecht geblieben ist. Die Klägerin verlangt Erfüllung des Vertrages, der Beklagte behauptet, den Vertrag erfüllt zu haben. Beide Teile stehen also auf dem Boden des Vertrages. Da der Zusammenhang der möglichen mit der unmöglichen Vereinbarung zunächst vom Standpunkt des Interesses beider Teile zu beurteilen ist, ist der Vertrag in seinem übrigen Inhalt als wirksam anzusehen.

Die Bestimmung des Kaufvertrages, wonach die Verkäuferin im Falle des Verzuges der Berechnung der Schuld den Kurs des Schweizer Franken am wirklichen Zahlungstage zugrunde legen kann, ist ein Teil der Wertsicherungsklausel. Wenn die Wertsicherungsklausel unanwendbar wurde, konnte der Beklagte auch von der Vertragsbestimmung nicht Gebrauch machen, die ihm die Bezahlung der Schuld an einen für ihn günstigeren Kurs der Schweizer Währung freistellt. Die Wertsicherungsklausel kann aber nicht einseitig dahin abgeändert werden, daß nur die für die Klägerin günstigen Bestimmungen aufrechterhalten werden. Der Klägerin ist es daher verwehrt, sich hinsichtlich der während der Jahre 1939 - 1945 fälligen Leistungen auf die Wertsicherungs-Klausel zu berufen.

Anmerkung

Z24316

Schlagworte

Ausländische Börsenkurse, Wertsicherung durch Bindung an - -, Börsenkurse, Wertsicherung durch Bindung an ausländische offizielle -, Darlehen, Wertsicherung durch Bindung an ausländische Börsenkurse, Devisenkurs, Wertsicherung durch Bindung an offiziellen - inländischer, Währung an ausländischer Börse, Inländische Wertsicherung durch Bindung an ausländischen Börsenkurs der, Kaufpreis Wertsicherung des - durch Bindung an ausländischen Börsenkurs, Kurs Wertsicherung durch Bindung an - an ausländischer Börse für, inländische Valuta, Privathandel inländischer Valuta infolge Fehlens eines offiziellen, Börsenkurses bei Wertsicherung auf offiziellen Börsenkurs„ Unanwendbarkeit der Wertsicherung bei - , Valorisierung infolge Wertsicherung durch Bindung an ausländischen, Börsenkurs, Valuta Wertsicherung durch Bindung an ausländische Börsenkurse, Währungsklausel, Wertsicherung durch Bindung an offiziellen, ausländischen Börsenkurs, Wertsicherungsklausel durch Bindung an ausländische Börsenkurse, (offizieller Reichsmarkkurs auf der Züricher Börse)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1951:0020OB00393.51.1121.000

Dokumentnummer

JJT_19511121_OGH0002_0020OB00393_5100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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